AVATAR – Von Hippies und anderen Leben
Statt eine Vorwortes
Was man wissen sollte – John Perkins bekennt: Ich war ein Wirtschaftskiller
„Economic Hit Men (EHM)1 sind hochbezahlte Experten, die Länder auf der ganzen Welt um
Billionen Dollar betrügen. Sie schleusen Geld von der Weltbank, der US Agency for International
Development (USAID) und anderen ausländischen »Hilfsorganisationen« auf die
Konten großer Konzerne und in die Taschen weniger reicher Familien, die die natürlichen
Rohstoffe unseres Planeten kontrollieren. Die Mittel der Economic Hit Men sind betrügerische
Finanzanalysen, Wahlmanipulationen, Bestechung, Erpressung, Sex und Mord. Ihr Spiel ist
so alt wie die Macht, doch heute, im Zeitalter der Globalisierung, hat es neue und
erschreckende Dimensionen angenommen.
Ich weiß das, ich war ein EHM. …
Zwölf Millionen Familien in den USA wissen nicht, woher sie ihre nächste Mahlzeit nehmen
sollen. Im Energiesektor sind Skandale wie die Enron-Pleite an der Tagesordnung. Und
Wirtschaftsprüfer wie Andersen sehen lange tatenlos zu. Die Einkommensschere zwischen dem
einen Fünftel der Weltbevölkerung in den reichsten Ländern und dem einen Fünftel der ärmsten
Länder klafft immer weiter auseinander, 1960 betrug das Verhältnis noch 30 zu l, 1995 lag es bei
74 zu l. Die USA geben über 87 Milliarden Dollar für den Krieg im Irak aus, während die
Vereinten Nationen schätzen, dass für weniger als die Hälfte dieser Summe sauberes Wasser,
ausreichende Ernährung, sanitäre Anlagen und Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben für jeden
Menschen auf der Welt bereitgestellt werden könnten. …
Manche halten eine organisierte Verschwörung für die Ursache unserer derzeitigen Probleme. Ich
wünschte, es wäre so einfach. Die Mitglieder einer Verschwörung können aufgespürt und der
Gerechtigkeit zugeführt werden. Dieses System ist jedoch eine weit größere Gefahr als eine
terroristische Verschwörung. Es wird nicht von einer kleinen Gruppe Männer getragen, sondern
von einem Konzept, das als Prinzip allgemein akzeptiert wird: die Idee, dass wirtschaftliches
Wachstum der Menschheit immer nützt. Je größer das Wachstum, desto größer der Nutzen. Von
dieser Ansicht leitet sich ein weiterer Grundsatz ab: Wer das Feuer wirtschaftlichen Wachstums
schürt, wird erhöht und belohnt, wer dagegen in den Randgebieten des wirtschaftlichen
Wachstums geboren ist, darf ausgebeutet werden. …
… Die Raffinesse, mit dem dieses moderne Reich aufgebaut wird, stellt die römischen Zenturionen,
die spanischen Konquistadoren und die europäischen Kolonialmächte des 18. und 19. Jahrhunderts
bei weitem in den Schatten. Wir EHM sind schlau, wir haben aus der Geschichte gelernt. Wir tragen
keine Schwerter mehr. Wir tragen keine Rüstung oder Kleidung, die uns verraten könnte. In Ländern
wie Ecuador, Nigeria oder Indonesien kleiden wir uns wie Schullehrer und Ladenbesitzer. In
Washington und Paris sehen wir wie Regierungsbeamte oder Banker aus. Wir wirken bescheiden und
normal. Wir besuchen Projekte und schlendern durch verarmte Dörfer. Wir bekunden Altruismus
und sprechen mit den Lokalzeitungen über die wunderbaren humanitären Leistungen, die wir
vollbringen. Wir bedecken die Konferenztische von Regierungsausschüssen mit Tabellen und finanziellen
Hochrechnungen und halten an der Harvard Business School Vorlesungen über die Wunder
der Makroökonomie. Wir sind stets präsent und agieren ganz offen. Oder zumindest stellen wir uns so
dar und werden so akzeptiert. So funktioniert das System. Wir greifen selten zu illegalen Mitteln, weil
das System auf Täuschung basiert, und das System ist von der Definition her legal.
Aber (und das ist ein sehr starkes „Aber“) wenn wir scheitern, greift eine ganz besonders finstere
Truppe ein, die wir EHM als Schakale bezeichnen, Männer, die die direkten Erben dieser frühen
Weltreiche sind. Die Schakale sind immer da, sie lauern im Schatten. Wenn sie auftauchen, werden
1 John Perkins, Bekenntnisse eines Economic Hir Man, Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia, München 2005
S. 9ff
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
2
Staatschefs gestürzt oder sterben bei „Unfällen“. Und wenn die Schakale versagen sollten, wie zum
Beispiel in Afghanistan oder im Irak, dann muss doch wieder das alte Modell herhalten. Dann werden
junge Amerikaner in den Krieg geschickt, um zu töten und zu sterben. …
… „Massenhaft Öl“, sagte [ein gewisser Onkel Frank zu mir]. „Wir werden dort gute Agenten
brauchen – Leute, die die Einheimischen verstehen.“ Er versicherte mir, das Peace Corps sei ein
ausgezeichnetes Übungsfeld, und drängte mich, Spanisch und die Sprachen der Indios zu lernen.
„Vielleicht“, kicherte er, „arbeitest du zu guter Letzt für ein privates Unternehmen anstatt für die
Regierung.“
Ich verstand damals nicht, was er meinte. Ich wurde vom Spion zum EHM befördert, obwohl ich
die Bezeichnung noch nie gehört hatte und sie in den nächsten Jahren auch nicht hören sollte.
Ich hatte keine Ahnung, dass Hunderte von Männern und Frauen auf der ganzen Welt für
Unternehmensberatungen und andere private Unternehmen arbeiteten, Leute, die nie einen Cent
von einer Regierungsorganisation bekamen und trotzdem den imperialen Ambitionen der USA
dienten. Ebenso wenig konnte ich ahnen, dass ein neuer Typ mit eher euphemistischen Titeln
gegen Ende des Jahrtausends zu Tausenden aktiv sein und ich eine wichtige Rolle bei der
Ausbildung dieser neuen Armee spielen würde. …“
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
3
Second Life – Zweites Leben im weltweiten Netzwerk
Auf welche Zukunft unserer Gesellschaft sollen uns Avatare vorbereiten?
Avatare werden im gleichnamigen Film aus der Zusammenführung von erd-menschlicher DNS
und der von Bewohnern des Planeten Pandora, den Na’vi, in einer Nährlösung angezüchtet. Im
Film wird gezeigt, wie man deren Wachstum in durchsichtigen Trommeln verfolgen kann. In
einer Art großer Solarliege liegt später dann der Mensch, der sein Erbgut geliefert hat und steuert
durch Bewußtseinübertragung „seinen“ Avatarkörper.
Ein Avatar in der Online-3D-Infrastruktur „Second Life“ (deutsch: zweites Leben, von
Teilnehmern kurz „SL“ genannt) ist eine digitale Person in einer virtuellen Welt. Diese kann der
Nutzer erstellen und nach seinem Geschmack verändern. Der Avatar ist sein Repräsentant in 3D.
Solche Avatare sind bereits millionenfach im Umlauf. „Second Life“ ist eine von Benutzern
gestaltete virtuelle Welt [Parallelwelt], in der Menschen durch Avatare [selbst entworfene oder
gekaufte Körper] „interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren
können.“2
Auch im universitären Leben soll eine „Gemeinschaft“ (community) in der Parallelwelt möglich
werden. „Lernen im Internet kann eine einsame Erfahrung sein. Allein vor dem Bildschirm, der
Austausch mit den Kollegen auf kurze Nachrichten im Online-Chat oder in einer Mailing-Liste
beschränkt, arbeitet man seine Aufgaben ab.“ Auch hier soll „Second Life“ Abhilfe schaffen,
denn laut Propaganda sieht „E-Learning in einer dreidimensionalen Welt im Internet“ anders
aus.. „Die Studierenden treffen sich in einem Vortragssaal, nutzen audiovisuelle Medien und
hocken nach der Vorlesung noch ein wenig in der Cafeteria – das alles in Gestalt des Avatars,
der Online-Figur“, mit der man sich in „Second Life“ bewegt. „Noch ist Lernen in ,Second Life‘
nicht breitenwirksam“, sagt E-Learning-Propagandist Paul Meinl. „Aber in Zukunft wird die
dreidimensionale Abbildung von Information im Internet so selbstverständlich sein, wie es heute
die textbasierte Darstellung ist.“
Bildung, die einen demokratischen Willens- Meinungsbildungs- und Gestaltungsprozeß
ermöglicht, wird im Netzwerk durch Kompetenz und Information (welcher Art, in welchem
Zusammehang?) ersetzt. „Angesichts einer Schulentwicklung, die sich am amerikanischen
‚Bologna’-Modell orientiert, das letztlich unter dem Diktat der Wirtschaft steht und zu einer
steten Uniformierung und hierarchischen Steuerung des Bildungsgeschehens geführt hat, lenkt er
den Blick zurück auf das Wesentliche: auf das Kind, auf den Lehrer, auf das, was sich zwischen
ihnen als Menschen ereignet, und auf die Frage, was Bildung eigentlich ist. Brühlmeier3 ist mit
Pestalozzi überzeugt: ‚Auch der Wirtschaft und dem Staat ist am besten gedient, wenn sich die
Schulen um die Bildung des ganzen Menschen kümmern und daher nicht seine Verwendbarkeit,
sondern seine Menschlichkeit ins Zentrum stellen.’ Menschenbildung soll bei den Kindern aber
auch echtes moralisches Verhalten aus eigenem Antrieb entwickeln: ‚Es genügt nicht, dass die
Kinder einander wenigstens nicht schlagen. Sie sollen einander mögen und einander beistehen,
sich für die Gemeinschaft engagieren und die Wahrheit lieben.’ Kernpunkt – wiederum auch
eine Grundeinsicht Pestalozzis und aller grossen Pädagogen – ist dabei die ‚positive, lebendige
Lehrer-Schüler-Beziehung. Sie ist so etwas wie der Nährboden, auf welchem Bildung und
Erziehung erst wirklich gedeihen können.’ ‚Denn wirkliche Bildung, die die Menschen von
innen her zu verändern und zu entwickeln vermag, beruht immer auf mitmenschlichen
Beziehungen.’ …
Wahre Menschenbildung, die über die Wissensvermittlung hinaus eine Entwicklung der Kinder
zu mitfühlenden, im Leben verankerten, mutigen Menschen mit Sinn für Gerechtigkeit,
Vertrauen, Eigenständigkeit und Gemeinschaftssinn hin fördern will, ist ohne diese gesunde
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life, http://secondlife.com/whatis/avatar/?lang=de-DE
3 Menschen bilden, Arthur Brühlmeier, S. 64, 66 und 206, Baden Verlag 2008, Schweiz
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
4
Autorität der Erzieherpersönlichkeit nicht möglich. Ganz abgesehen davon, dass auch Lernen
nicht möglich ist, wo Kinder nicht darauf eingestellt sind, sich von einem Erwachsenen etwas
sagen zu lassen. Brühlmeier scheut sich nicht, hier das so verpönte Wort Gehorsam aufzugreifen,
und versteht darunter die Bereitschaft, sich auf sachliche Erfordernisse einzulassen. In der
Missdeutung kindlichen Eigensinns, ‚fataler kompensatorischer Selbstbehauptung’4 als
Eigenständigkeit liegt ein Erziehungsmissverständnis unserer Zeit. Ohne moralische Erziehung
erlangt der Mensch nicht wirkliche innere Freiheit, die ihm ermöglicht, dass er «den Gehorsam
gegenüber den herrschenden Regeln dort verweigert, wo ihn die Suggestion einer Situation zu
destruktivem und moralisch verwerflichem Verhalten verleiten möchte.’“5
Dreidimensionale Welten seien für bestimmte Lerninhalte besonders gut geeignet, behauptet
hingegen Dieter Merkl vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien:
„Fremdsprachen werden zum Beispiel oft über Geschichten vermittelt: Man geht zum Bahnhof
und muss eine Fahrkarte kaufen. In einer dreidimensionalen Online-Welt gäbe es diesen Bahnhof
wirklich, man könnte tatsächlich hingehen und die Situation durchspielen.“ Auch historische und
museale Themen könne man gut aufbereiten; die Studienrichtung Wirtschaftsinformatik der TU
Wien wiederum bietet im Wahlfach E-Commerce Veranstaltungen zum Thema Marketing in
„Second Life“ an.
Bewiesen ist hingegen nur das Gegenteil: „Bildschirmmedien reduzieren die Erfahrungswelt der
Kinder bzw. Jugendlichen, fördern Vereinzelung und erschweren den Erwerb von Kompetenzen
wie Sprechen, Lesen und Schreiben.
Das schnelle Belohnen der PC-Spieler reduziert die Frustrationstoleranz, die man für ein
erfolgreiches Lernen benötigt. Die Verfügbarkeit von Computern zuhause und deren intensive
Nutzung in der Schule gehen nicht mit besseren, sondern mit schlechteren Schülerleistungen in
den PISA-Basiskompetenzen einher. So eine Studie des Ifo-Instituts 2005. Sie verringern die
Chance auf eine Gymnasial-Empfehlung und fördern aggressives Verhalten sowie
Vergesslichkeit. Die US-Federal Trade Commission hatte bereits im Jahre 2000 auf die
aggressiven Werbemethoden der Unterhaltungsindustrie hingewiesen. …
Das Sponsoring von AOL und CompuServe für die Deutsche Gesellschaft für
Medienwirkungsforschung passt auch ins Bild, denn diese hat die Aufgabe, längst bewiesene
Wirkungen vor allem von Gewaltspielen zu relativieren. Wer behauptet, es lägen nicht genügend
Langzeitstudien vor, um die negativen Folgen der (interaktiven) elektronischen Medien im
Kindsalltag zu belegen, dem sei geraten, die sich widersprechenden Studien auf ihre
Unabhängigkeit hin zu prüfen.
In der Logik der Wirtschaftsförderung verbleibend darf Microsofts Deutschland-Manager,
Achim Berg, in der FAZ unbelegt behaupten, dass die Computerisierung die Bildungsschere
reduzieren würde[xvi]. Nachweislich geht die Schere dadurch weiter auf, wie das
Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachen in einer breit angelegten Studie enthüllte –
und nicht zuletzt die Schere zwischen Jungen und Mädchen, die deutlich weniger Zeit vor dem
PC und in virtuellen Spielszenarien verbringen. Insgesamt tendieren besonders Jungen zum
Konsum der besonders schädlichen Angebote und nicht nur bildungsfernere Familien sitzen den
Einflüsterungen der Industrie auf. Sie drohen zu den Bildungsverlierern zu werden.“ 6
Zusammenfassend ist festzuhalten:Der Computer als Heilsbotschaft und das Internet als Ersatz
für soziale Kontakte taugen jedoch nicht! Sie reduzieren Erfahrungen, führen zu schlechteren
Bildungsabschlüssen und weiteren Problemen wie Aggressivität und Nervosität. Und mit
4 Brühlmeier, S. 97, S. 96
5 „Die Bildungspolitik täte mit Blick auf die drängenden gesellschaftlichen Probleme gut daran, die Präferenzen
gelegentlich zu überprüfen.“ Erika Vögeli, in: Nr.11 vom 15.3.2010 © 2006 Genossenschaft Zeit-Fragen
6 Sabine Schiffer, Kindheitskiller auf dem Gabentisch, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13225
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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steigendem Bildschirmmedienkonsum ist auch immer ein steigender Gewaltkonsum
verbunden.16 Die systematische Entwertung von Lehrkräften und Eltern durch nicht belegte
Behauptungen sowie zwielichtige Bildungsprogramme, wie sie die Bundeszentrale für politische
Bildung von Turtle Enternainment & Co. finanziert bekommt, führen immer mehr – vor allem
Jungen – immer früher zum Konsum elektronischer Spiele und Tötungstrainer.
„Durch die frühe Heranführung an wahrnehmungstechnisch inadequaten Angebote wird Zugang
geschaffen, Entwicklung behindert und vor allem Konsum gefördert. Je mehr Computernutzung,
umso schlechter der Schulerfolg. Buntes Layout reduziert klare Strukturierung und Lernerfolg –
dies gilt für Schulbücher und Bildschirmangebote gleichermaßen. „Webbasierte“ Leseförderung
ist ein Slogan der Computer-Industrie. (schlechtere Memorierung + leichtere Ablenkung).
Sprechende Websites reduzieren die Einsicht ins Lesen- und Schreibenlernen. Neugierde,
Interesse und Frustrationstoleranz trainiert man durch schnelle Belohnungssysteme ab – so sind
aber sämtliche Softwareangebote angelegt. Es ist sinnvoll, den PC als Arbeitsgerät einzuführen
und den Kompetenzerwerb im 10-Finger-Schreibein anzubieten. Ablenkend wirkt
Spielepädagogik in Schulen (à la Warkus oder Fritz, Electronic Arts & Co.), dort muss man nicht
„spielend lernen“, sondern etwas Handfestes fürs Leben! – „Teaching by walking around“ (also
das Betreuen von Schülern, die ihre Aufmerksamkeit auf einen Bildschirm richten) ist die
Grundlage für Lehrer- und Schülerversagen: die Entwertung der Beziehung von Schüler und
Lehrer muss aufhören! Die enormen Ausgaben für Folgekosten für Technik dürfen nicht die
Aufstockung des Lehrkörpers verhindern. Da die Kinder bei der Einschulung immer defizitärer
und nervöser sind, sind kleinere Klassen unumgänglich! (statt für Gerätewartung Lehrkräfte
noch abzuziehen).“7
Realität ist: „Lernen geschieht im Gehirn in den ca. 20 Milliarden Nervenzellen (Neuronen)
insbesondere durch die Verstärkung von Synapsen, den Kontaktstellen der Neuronen.
Veränderungen der Synapsen werden durch ihren Gebrauch bzw. Nicht-Gebrauch bestimmt.
Eine Synapse ist umso stärker, je häufiger sie von Impulsen, also von durch unterschiedliche
Wahrnehmungen erzeugten Sinnesreizen passiert wird. Mit anderen Worten, sich wiederholende
Erfahrungen schlagen sich mit der Zeit in den Synapsen nieder. Die Spuren, die dadurch im
Gehirn entstehen, sind gebrauchs- bzw. erfahrungsabhängig. Sie bilden sich durch das
Herausfinden von allgemeinen Regeln, die sich in dem jeweiligen Einzelphänomen befinden,
wenn dieses wiederholt wahrgenommen wird. Wir lernen vor allem durch Beispiele, indem unser
Gehirn das Allgemeine aus dem Besonderen herausfiltert. Das Allgemeine, Regeln und
Prinzipien, werden im Gehirn in neuronalen Repräsentanten abgebildet und dienen zur Steuerung
zukünftigen Verhaltens. Lernprozesse verändert das Gehirn. Die Entwicklung des Gehirns und
die sich vollziehenden Lernprozesse beeinflussen sich wechselseitig. Das Gehirn ist
gewissermaßen das Resultat seiner Benutzung.“
Urteilen Sie nun selbst, wie Marketing bzw. die Verharmlosung negativer Wirkungen von
„Lernen am Computer“funktioniert: An der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität
Bielefeld „erforschen“ André Mersch, Dennis Schäffer und Markus Walber mit ihrem Projekt
„Second Life Learning“, wie Weiterbildung in dreidimensionalen Online-Räumen funktioniert.
Sie haben „beobachtet“, dass „Second Life“ ebenso wie Computerspiele die sogenannte
Immersion auslöst: „Man steigt in ein Programm ein, und plötzlich sind zwei Stunden
vergangen, ohne dass man es recht bemerkt hat.“ Diese Selbstvergessenheit, die bei Spielen
zunehmend zum Realitätsverlust führen kann, wirkt sich nun aber angeblich positiv auf den
Lernerfolg aus.
7 zit. nach Medienkompetenz ist nicht genug, Bildungsbegriff wieder ernst nehmen! Institut für
Medienverantwortung, Erlangen IMV
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
6
In den USA hingegen gibt es längst Konzeptänderungen: “Auch nach sieben Jahren haben wir
keinen Beleg dafür, dass der Einsatz von Computern im Unterricht die Leistung der Schüler
verbessert hätte”, sagte Mark Lawson der New York Times.8 Bereits ab mehr als einmaliger PCNutzung
pro Woche sinkt die Lernleistung wieder.9
Die PR-Maschine mit vermeindlichen Bildungsangeboten arbeitet unvermindert weiter: „Mehr
als 400 Universitäten haben bereits digitale Niederlassungen in ‚Second Life’ eröffnet, sagte
Gründer Philip Rosedale kürzlich in einem Interview. In 3-D-Welten arbeitende Erzieher und
Institutionen haben sich vernetzt und arbeiten mit Hochdruck daran, die Möglichkeiten des
Mediums für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Doch derzeit müssen User, bevor sie sich ins
dreidimensionale digitale Lernen vertiefen können, noch beträchtliche Hürden überwinden: Man
muss das Programm ‚Second Life’ auf dem eigenen PC installieren, den Avatar selbst gestalten
und lernen, ihn in der Online-Welt zu bewegen. Bis dreidimensionale Welten ein
Massenphänomen werden und die Bildungsanbieter mit ihren Programmen nachziehen, dauert es
aber noch mehr als fünf Jahre, schätzt Meinl: ‚Bis jetzt nutzen sie ,Second Life‘ hauptsächlich
als Marketinginstrument.’“10
Ein Beispiel von der „Second Life“-Homepage: „Land in Second Life ist wie ein Zuhause. Hier
kann man Freunde zu sich einladen, Events organisieren und vieles mehr. Viele der virtuellen
Güter, die man in Second Life kauft, z.B. Bekleidung, Zubehör und Autos, kann man jederzeit,
überall verwenden. Wenn man jedoch ein Haus, einen Garten oder einen ganzen Wald kaufen,
dann braucht man einen Ort, an dem man das Haus bauen und/oder den Wald bzw. Garten
anlegen können. Virtuelles Land in Second Life ist so ähnlich als [würde man] eine persönliche
Webseite anlegen. Es ist so, als [würde man] eine Festplatte mieten.
Second Life ist eine virtuelle Welt, die von ihren Benutzern geschaffen wurde. Das bedeutet,
dass Millionen von Menschen ihre Kreativität verwendet haben, um viele coole Produkte für die
Nutzer zu erstellen. Man kann seine Abenteuer in Second Life durch Einkaufen noch verbessern!
Der Kauf von Produkten, die es in der realen Welt nicht geben kann, ist wirklich so cool wie es
sich anhört! Beim Einkaufen kann man seine Kreativität zeigen.“11
Man bewegt sich in einer Welt, die der realen ähnelt, nur etwas schöner ist. Konsum, Sex,
Unterhaltung – fast alles wird hier geboten, was es im richtigen Leben auch gibt. Ohne
dazugehörende Probleme. Es gibt auch eine „Erect“-Taste für den Online-Sex. „Second Life“
ermöglicht, „was Online-Freundschaften bisher fehlte: erlebte gemeinsame Erfahrungen. Man
geht aus, tanzt, flirtet – und vertieft die Beziehung bei Gefallen. Die sexuellen Animationen sind
sehr realistisch. Und streng genommen kann auch viel weniger schief gehen: Die Männer sind
sehr männlich und die Frauen sehr weiblich, alle schön und begehrenswert und nie müde. Fast
alle Frauen tragen hier High Heels, und keine Einzige hat davon Rückenprobleme. Als Mann
kann man die Größe seines Geschlechtsteils praktischerweise selbst bestimmen, und klickt man
erect, geht die Sache ihren aufrechten Gang. Auf Wunsch kann man sein Geschlecht natürlich
auch jederzeit wechseln.“12
Unternehmen nutzen Second Life bislang vor allem für PR-Zwecke, erkennen jedoch auch die
Möglichkeiten von Geschäftsanwendungen. Der Aufbau einer Repräsentanz sichert häufig
kostenlose Presseartikel. Auch wird SL direkt für Produkttests und Produktinformationen
verwendet, da dort ohne große Kosten Artikel erstellt und verbreitet werden können und es
8 Vgl. Jung, Elmar „Der LapTop-Flop“ in: Süddeutsche 10.05.2007, zit. nach Medienkompetenz ist nicht genug,
Bildungsbegriff wieder ernst nehmen! Institut für Medienverantwortung, Erlangen IMV
9 http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,378164,00.html.
10 Second Life: Mein Kollege, der Avatar, “Die Presse”, Print-Ausgabe, 01.03.2008,
http://diepresse.com/home/bildung/366750/index.do
11 Second Life Homepage
12 Neue Freunde, guter Sex, echtes Geld, http://www.focus.de/digital/pc/second-life_nid_38667.html
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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ersichtlich wird, ob die Produktinformationen oder das Image bei potenziellen Käufern Anklang
finden würden. Unternehmen präsentieren nicht nur sich oder ihre Artikel in Second Life,
sondern nutzen das System auch für virtuelle Konferenzen und Schulungen.
So hatte Adidas zum Beispiel ein virtuelles Geschäft aufgebaut, in dem man Schuhe aus der
aktuellen Kollektion für seinen Avatar kaufen konnte. Auch BMW, FriendScout24, Mercedes
Benz, Mazda, IBM, Reebok, Sony BMG Music Entertainment, der TÜV Saarland und andere
haben eine Niederlassung errichtet. Bis Februar 2008 war auch die Deutsche Post AG in Second
Life vertreten. In der virtuellen Konzernzentrale, dem Post Tower auf Post Island konnten
Besucher eigene Postkarten erstellen. Diese wurden von der Deutschen Post weltweit als echte
Grußkarten in die reale Welt verschickt. Sony Ericsson hat zur CeBIT 2007 eine Region
eingerichtet und bewarb mit einer umfangreichen Cross-World-Kampagne Endgeräte, gekoppelt
mit einem Gewinnspiel. JobScout24 verfolgte ebenfalls den Cross-World-Gedanken und
erweiterte die hauseigene Jobsuchmaschine jobs.de um den neuen Wohnort “Second Life”, unter
dem Jobangebote speziell für Second Life offeriert werden. Per Live-Schnittstelle werden die
Jobangebote zudem in die virtuelle Filiale innerhalb der 3D-Welt exportiert. Architekten nutzen
das System außerdem zur Simulation von Gebäuden.
In Second Life kann man man „gute „ Geschäfte machen – und sich dabei im dorttigen
„gesellschaftlichen“ Leben skrupellos ausleben. Ein Sprengsatz für unsere freiheitlich
demokratische Grundordnung:
„Ailin Gräf hat es geschafft. Im Onlinespiel Second Life verdiente sie so viel, dass sie
inzwischen in China 50 Mitarbeiter davon beschäftigt. manager-magazin.de traf sich mit ihrem
Avatar Anshe Chung und sprach mit ihr über echten Umsatz und falsche Hoffnungen.
mm.de: Wie lange leben Sie schon in Second Life?
Chung: Ich bin seit fast drei Jahren hier. Vorher war ich in anderen virtuellen Welten: Zuerst in
Asheron’s Call, danach in Shadowbane und Star Wars Galaxies. In diesen Online-Fantasiespielen
haben wir Avatare oft sehr brutale Kriege geführt – trotzdem waren die Spieler zumeist viel
netter zueinander als hier. …
Chung: In Second Life gibt es zwar keine Kriege mit Waffen. Dafür gibt es hier viele Intrigen
und Dinge, die auch im echten Leben passieren – nur manchmal noch hemmungsloser. Status,
Macht und Ansehen sind hier sehr wichtig. Daneben auch Eitelkeit, Neid und Selbstdarstellung.
Im Spiel Shadowbane werden solche Sachen mit einem Krieg gelöst und danach zusammen mit
den Mitspielern gelacht. In Second Life fehlt leider so ein spielerisches Ventil.13
Second Life wird auch als Plattform für kriminelle Absichten benutzt. So berichtet das ARDMagazin
Report Mainz, kinderpornographische Inhalte entdeckt zu haben. Ein Second-Life-
Spieler aus Deutschland handelte mit entsprechenden Aufnahmen, die außerhalb von Second
Life in der realen Welt erstellt worden waren. Die Staatsanwaltschaft Halle hat ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Außerdem würden virtuelle Kinder vergewaltigt werden; Anstoß erregte hierbei die Möglichkeit,
durch Hacken des Programms die Kontrolle über die Avatare anderer Benutzer zu erlangen (sog.
virtual rape, wodurch die betroffenen Avatare zu vom rechtmäßigen Benutzer nicht länger
steuerbaren sog. vodoo dolls wurden), wobei das Aussehen einiger dieser widerrechtlich zu
Sexzwecken angeeigneten Avatare an Kinder erinnerte oder von den rechtmäßigen Benutzern
ohne sexuelle Motive selbst so erstellt worden waren, tatsächlich ein kindliches Aussehen
nachzuahmen. Dagegen hat die belgische Polizei Maßnahmen eingeleitet und diesen virtuellen
Identitätsdiebstahl eines mutmaßlichen Straftäters im wirklichen Leben verfolgt.
13 Second-Life-Millionärin, Interview mit einem Avatar
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/0,2828,469238-3,00.html
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
8
In die Kritik geriet auch der fehlende Jugendschutz. Als Beispiel hierfür wurde der Fall einer zu
diesem Zeitpunkt 13-jährigen Schülerin angeführt, die in einem virtuellen Bordell als
Prostituierte gearbeitet (also ihren Avatar dafür zur Verfügung gestellt und gesteuert) und dafür
Linden Dollar [Währung in SL] erhalten hat. Kritisiert wurde, dass es keinerlei Altersverifikation
gab und auch Minderjährige, die sich als volljährig ausgeben, problemlos Zugang zu
pornografischen Inhalten hatten.
Linden Lab [betreibt SL] hat seit 2007 die Einführung einer Altersverifikation angekündigt,
deren Einführung im Sommer 2009 begann. Auf einem am 15. Juni 2009 gestarteten, eigenen
neuen Kontinent werden eindeutig sexuelle Inhalte gebündelt zusammengefasst. Zugleich wurde
neben den bereits bestehenden Altersklassifikationen „Parental Guidance“ (PG) und „Mature“
die dritte und neue Stufe „Adult“ eingeführt. „Entsprechend gekennzeichnete Bereiche können
nur von Nutzern betreten werden, die sich zuvor erfolgreich einer Altersverifikation unterzogen
haben. Hierbei kommt das bereits zuvor eingesetzte Altersverifikationssystem zum Einsatz.
Alternativ können auch Zahlungsdetails hinterlegt werden oder US-Dollar auf ein XstreetSLKonto
eingezahlt werden. Ob das Verfahren auch den Anforderungen des deutschen
Jugendschutzrechts genügen wird, ist noch offen.“14 Damit eben alles so verroht bleibt, wie es
ist?!
Dem ist entgegenzuhalten:
Jana war 12 Jahre alt, als sie zum ersten Mal einen Jungen in ihr Kinderzimmer einlud – zum
Sex. Jessie führt mit 17 Jahren Buch über ihre Liebhaber, 51 sind es bisher. Und Hendriks
Mutter ist stolz, dass ihr Sohn einen Job als Pornodarsteller in Aussicht hat. Diese
Lebensgeschichten sind nur einige Beispiele aus dem neuen Buch “Deutschlands sexuelle
Tragödie”, das in Berlin vorgestellt wird. Darin warnen die Autoren Bernd Siggelkow und
Wolfgang Büscher vor einer frühreifen, hypersexualisierten Jugend, die nicht mehr zu
Partnerschaften fähig sei.15 Leben im weltweiten Netz – ein verlorenes, einsames Leben.
14 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life
15 Porno mit acht, Sex mit zwölf Hypersexualisierte Jugend, http://www.n-tv.de/1021351.html
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Avatar – Eine neue soziale Bewegung?
Der Film „Avatar“ war 250 Mio. Dollar teuer, hat weltweit 2,7 Milliarden US-Dollar eingespielt
und in Deutschland sahen ihn über 10 Millionen Menschen. Was hat an Avatar so fasziniert? Nur
ein kleiner Teil des Films sind in konventioneller Live Action umgesetzt, der größere Teil
besteht aus fotorealistischer CGI. Computer-Generated Imagery ist der englische Fachausdruck
für mittels 3-D-Computergrafik (Bildsynthese) erzeugte Bilder im Bereich der Filmproduktion
und Visual Effects (Spezialeffekte). Vorher hat Regisseur James Cameron16 auch Filme der
Terminator-Reihe und Alien 2 gedreht.
James Francis Cameron (* 16. August 1954 in Kapuskasing, Ontario) ist ein kanadischer, jedoch
in den Vereinigten Staaten lebender Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Oscar-Preisträger.
1969 sah Cameron den Film 2001: Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick. Der Film
beeindruckte ihn stark und lenkte seine Berufswahl. Nachdem er das College abgeschlossen
hatte, heiratete er zum ersten Mal und arbeitete als Lastwagenfahrer. 1977 entfachte der Film
Star Wars seine Leidenschaft für das Filmemachen erneut. … Cameron entschied, seine
komplette Zeit ins Filmemachen zu investieren, und bewarb sich bei „New World Pictures“, der
Produktionsfirma von Roger Corman. Corman zeichnte in den 1950er/60er Jahren für den
„postapokalyptischen Monsterfilm“ mitverantwortlich und trug damit zum Tabubruch in der
Filmindustrie hin zu grauenhaften Gemetzeldarstellungen bei (Die Untoten – The Undead /
Planet der toten Seelen / Die Folterkammer des Hexenjägers / Satanas – Das Schloss der blutigen
Bestie), die aber auch in Motorradfilmen wie „Engel sterben grausam – Angels Die Hard“ zum
Ausdruck kamen. Camerons erster Film hieß „Piranha 2 – Fliegende Killer“.
1982 und zurück in Amerika schrieb Cameron ein Drehbuch für einen Film, der ihn schließlich
zum Star machte – Terminator. Das Drehbuch basierte auf einem Albtraum von Cameron. Er
verkaufte es an die Produzentin Gale Anne Hurd für 1 Dollar gegen die Zusage, dass er Regie
bei dem Film führen durfte.17
Blenden wir zunächst dahin zurück.
„Terminator (abgeleitet vom englischen Verb „to terminate“, dies wiederum vom lateinischen
„terminare“ = beenden, abschließen) ist ein sog. Science-Fiction-Film von James Cameron aus
dem Jahr 1984. Darin verkörpert Arnold Schwarzenegger einen Cyborg aus der Zukunft, dessen
Befehl lautet, Menschen zu töten (zu „terminieren“).“18 Cyborg bezeichnet ein Mischwesen aus
lebendigem Organismus und Maschine. Zumeist werden damit Menschen beschrieben, deren
Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzt werden.
„Eine mit höchstem tricktechnischem Aufwand inszenierte Gewalt- und Überlebensgeschichte,
die ihre brutalen Aktionen mit dem überraschenden Postulat einer menschenwürdigeren Welt
durchsetzt. Eine interessante Variante der martialischen Tötungs- und Vernichtungsfilme, deren
möglicherweise beabsichtigte kathartische Wirkung jedoch zweifelhaft ist.“19
Cameron konnte dabei ganz auf der Mainstreamwelle fahren. In den Kinofilmen der 80-er und
90-er Jahre zeichnete sich eine Vorliebe für futuristische Themen ab: die Begegnung mit
außerirdischen Lebewesen, interstellare Kriege, drohende Katastrophen globalen Ausmaßes, eine
16 „In der Zeit bis zu den Terminator-Dreharbeiten schrieb Cameron zwei weitere Drehbücher – für Aliens – Die
Rückkehr und Rambo 2 – Der Auftrag. Über die Umsetzung des Rambo-Drehbuchs war Cameron völlig verärgert,
das Anti-Militaristische sei komplett weggelassen worden. In einem Interview mit dem deutschen Filmkritiker
Milan Pavlovic antwortete Cameron auf die Frage, ob er in dem Drehbuch eigene Vietnam-Erfahrungen verarbeitet
hätte, dass er als Kanadier mit dem Vietnamkrieg nichts zu tun gehabt hätte. Momentan ist Cameron im Golf von
Mexiko. … Bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko 2010 hat man ihn wegen seiner zahlreichen Erfahrung mit
Technik, Unterwasserkameras sowie Unterwasserrobotern und U-Booten zu Hilfe geholt.“
http://de.wikipedia.org/wiki/James_Cameron
17 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/James_Cameron
18 http://de.wikipedia.org/wiki/Terminator_%28Film%29
19 http://www.djfl.de/entertainment/djfl/1030/103354.html, Lexikon des internationalen Films
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
10
Aufhebung der Zeitgrenze und ein Hinübergleiten in die Vergangenheit oder Zukunft und wieder
zurück in die Gegenwart sowie die Schöpfung neuer Lebewesen tierischer, menschlicher oder
menschenähnlicher Art.
In diesen fiktiven Erzählungen tritt – häufig inmitten eines Meeres von Zerstörungen – eine
charismatische Rettergestalt auf, die das Schlimmste verhindern kann und der Menschheit noch
einmal eine Chance zum Überleben gibt. Technisch wurde die Produktion dieser futuristischen
Szenarien ermöglicht durch die Entwicklung der Computeranimation. Die gefilmte Wirklichkeit
vermengte sich nun mit der virtuellen Realität künstlich produzierter Bilder und erschloss zuvor
unerahnte Räume optischer Illusionen.20
Wenn man bedenkt, daß eine Botschaft im Film Terminator lautet: Der Tag des Jüngsten
Gerichts wurde nicht verhindert, er kommt unausweichlich, so wird der Zuschauer damit
unweigerlich zum Weltgericht der apokalyptischen Geiseln geleitet. Armageddon bzw.
Harmagedon bezeichnet in der Offenbarung des Johannes den Ort der endzeitlichen
Entscheidungsschlacht im „Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen“. … Im
amerikanischen Dispensationalismus21 hat sich eine eigentliche Harmagedon-Theologie
entwickelt, zu deren Vertretern beispielsweise Hal Lindsey gehört und die schon unter Ronald
Reagan einen Einfluss auf die amerikanische Politik hatte. Diese Theologie sieht im
gegenwärtigen Zeitgeschehen Anzeichen für einen bevorstehenden endgültigen Kampf zwischen
Gut und Böse.
„Amerika hat niemals in seiner Geschichte derart vielen Krisen gleichzeitig ins Gesicht geblickt
wie heute. Der Krieg gegen Al-Kaida und den islamischen Terrorismus, die Irankrise,
Afghanistan, die Verbreitung von Nuklearwaffen, der steigende Ölpreis, der fallende Dollarkurs,
feindliche Akronyme wie OPEC, NAM, OIC, UN. Obama hat Recht, wenn er sagt, dass die Welt
für jemanden wie ihn reif ist – eine messiasgleiche Gestalt, charismatisch und wortgewandt, die
scheinbar auf alle Fragen der Welt eine Antwort kennt. Und die Bibel sagt, dass solch ein Führer
schon bald erscheinen wird.“22
März 2003. „Mit dem Sturm auf Bagdad will US-Präsident George W. Bush einen göttlichen
Auftrag erfüllen. Selten sind im tiefgläubigen Amerika nationale Machtinteressen und
fundamentalistische Frömmelei eine so innige Verbindung eingegangen. Christliche Eiferer
rufen zum Kreuzzug gegen den Islam. … George W. Bush ist überzeugt, dass Gott es ist, der ihn
in diesem geschichtlichen Moment dieses Amt versehen lässt. In seinen Gebeten, sagt Bush, bitte
er vor allem um Stärke für seine Mission: ‚Gott hat uns aufgerufen, unser Land zu verteidigen
und die Welt zum Frieden zu führen.’23 Tatsächlich wurde der Irak verwüstet, seine Kulturgüter
geplündert und er ist auf ewige Zeiten radioaktiv verseucht.
Man kann bereits in Filmen wie „Terminator“ oder auch „Rambo 2“ [Drehbuch James Cameron]
genannte Erlösungssehnsüchte erkennen, indem sie Anspielungen auf den christlichen Erlöser
enhalten. Dramaturgisch geht es in diesen Filmen um das Schema von Bedrohung und Sieg,
Verlorenheit und Errettung, und ihre herausragenden Helden sind Erlösergestalten. „Sie treten
als Befreier von Krieg und Zerstörung, Hunger und Armut, von sozialer und geistiger Enge auf
oder sie agieren als mythische Heroen der Vorzeit oder der Zukunft, die das Leben der
Menschheit oder die Existenz des Erdballs retten. Mitunter erfordert die Erlösungstat die
Opferung ihres eigenen Lebens. Diese Erlöser dienen dadurch als Vorbild für die bedrohten
20 Vgl. Rainer Neu, Erlösergestalten und Alltagshelden. Vortrag Internationales Symposion Rostock 4.- 7. 10. 2000
21 Eine Dispensation wird als eine Zeitspanne in Gottes Heilsplan definiert, in der eine bestimmte charakteristische
geistliche Zielsetzung erkannt werden kann, die sie von anderen unterscheidet. Sie lässt den Menschen dieser Zeit
gewisse Gaben, Segnungen und Güter zukommen, die es zu anderen Zeiten so nicht gegeben hat oder geben wird,
und stellt sie zugleich vor eine bestimmte Verantwortung.
22 Vgl. auch Ruthven, Malise, Der göttliche Supermarkt: auf der Suche nach der Seele Amerikas. Frankfurt am
Main, Fischer, 1991
23 DER SPIEGEL Krieg aus Nächstenliebe, 17.02.2003
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Menschen, dass sie einen Weg zur Befreiung weisen. Der Schauspieler, der diesen Typus am
reinsten repräsentiert, ist Arnold Schwarzenegger, der sich schon in seinen körperlichen
Proportionen von der durchschnittlichen Physiognomie des Filmkonsumenten deutlich
unterscheidet.“24
Mit dem Endzeitszenario des „Terminators“ wird der Zuschauer zwar darauf eingestimmt, daß
eine schreckliche, unbekannte Zukunft auf die Menschheit zukommt. Jedoch gäbe einen Funken
Hoffnung, so die Schlußsequenz. „Denn wenn eine Maschine den Wert menschlichen Lebens
schätzen lernen kann, können es die Menschen vielleicht auch,“sagt die Heldin. Im realen Leben
blieb Schwarzenegger „Der Terminator“. Als Gouverneur von Kalifornien trat er mit dem
Vorsatz an, die Vollstreckung der Todesstrafe zu optimieren.25 In punkto Brutalität scheint
Cameron und Schwarzenegger mehr zu verbinden als gemeinsame Motorradfahrten. Kathrin
Bigelow, Ex-Ehefrau von Cameron, drehte den mit Oscars überhäuften brutalen Kriegsfilm
Tödliches Kommando – The Hurt Locker.26
Mit wem umgab sich Cameron sonst noch? Die Filmmusik in „Der Terminator“ kam auch von
der Band „Gun N’Roses“, die millionenfach Alben wie „Live Like a Suicide“ (Leben wie ein
Selbnstmord) und „Appetite for Destruction“ (Appetit auf Zerstörung) sowie
gewaltverherrlichende Musikvideos verkauften. In einer Schlüsselszene sitzt Rose vor einem
Dutzend Fernsehschirmen auf einem Stuhl gefesselt und versucht sich verzweifelt zu befreien.
Auf den Monitoren sieht man ebenfalls gewaltdarstellende Bilder. Zeitgleich zu dieser Szene
singt Axl Rose: You know where you are? You are in the Jungle, baby! You gonna die! (Weißt
du wo du bist? Du bist im Dschungel. Du wirst sterben!) Auf dem Album „The Spaghetti
Incident?“ aus dem Jahr 1993 gab es einen versteckten Titel „Look At Your Game Girl“, der
ursprünglich aus der Feder von Sektenführer Charles Manson stammt. „Axl Rose trug 1991/1992
schon auf der Guns N’ Roses-Welttournee ein Shirt mit dessen Konterfei als Abbild.“27
Die schwangere Schauspielerin Sharon Tate wurde am 09.08.1969 zusammen mit vier anderen
Menschen in ihrer Villa in Los Angeles ermordet. Polizisten sagten, die Schwangere sei
regelrecht geschlachtet worden. Als Täter werden später Charles Manson und seine weiblichen
Anhängerinnen festgenommen. Charles Manson hält sich für eine Wiedergeburt des Satanisten
Crowley und die Verkörperung von Satan und Jesus zugleich.
Sowohl in James Camerons Alien-Filmen aber auch in Avatar spielt Sigourney Weaver (* 8.
Oktober 1949 in New York City als Susan Alexandra Weaver) entscheidende Rollen. Als
Jugendliche wählte sie den (eigentlich männlichen) Vornamen Sigourney.28 „Fast 30 Jahre ist es
nun her, dass Sigourney Weaver weltberühmt wurde – als Alien-Jägerin Ripley war sie der erste
weibliche Actionstar der Kinogeschichte. Und sie sieht immer noch so aus wie damals, mit den
markantesten Wangenknochen seit Katharine Hepburn und einem Körper wie eine
Kampfpilotin.“ In einem Interview heißt es: „Sie haben einmal gesagt, dass Sie durch ‚Alien’ auf
24 Vgl. Rainer Neu, Erlösergestalten und Alltagshelden. Vortrag Internationales Symposion Rostock 4.- 7. 10. 2000
25 Stanley “Tookie” Williams: Kalifornien will Nobelpreis-Kandidaten exekutieren, STERN online, 25. Oktober
2005
26 Tödliches Kommando – The Hurt Locker „ist ein US-amerikanisches Kriegsdrama aus dem Jahr 2008. Regie
führte Kathryn Bigelow, das Drehbuch schrieb Mark Boal. Der Film lief am 13. August 2009 in den deutschen
Kinos an. Er wurde mit sechs Oscars ausgezeichnet, unter anderem als bester Film und für die beste Regie. „Ein
großangelegter, grimmig-spannungsgeladener Kriegsfilm […Kathryn Bigelow] macht aus der Kunst des
Actionfilms so etwas wie visuelle Poesie für die Eingeweide“ (A. O. Scott, The New York Times) „Es sind die
Männer eines Bombenräumkommandos in Bagdad, die in diesem mit unglaublicher physischer Wucht auf die
Spannungstube drückenden Spielfilm Drähte abklemmen, in Funkgeräte brüllen und mit Sturmgewehren
herumballern. Bigelow zeigt das Machogehabe dieser Männer, ihre nächtlichen Faustkämpfe in der Kaserne, ihre
Angst, vor allem aber den Aberwitz ihres manchmal tödlichen Handwerks.“ (Wolfgang Höbel, Spiegel Online)
Wikipedia
27 http://de.wikipedia.org/wiki/Guns_N%E2%80%99_Roses
28 http://de.wikipedia.org/wiki/Sigourney_Weaver
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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den Geschmack gekommen seien, was Waffen betrifft.“ Daraufhin antwortet Sigourney Weaver:
„Oh nein, ich bin strikt gegen Waffen. Als Ripley durfte ich zwar mit Maschinenpistolen und
Flammenwerfern um mich schießen, aber … Um die Wahrheit zu sagen, der Adrenalinkick war
toll. (lacht)“ 29
Cameron drehte nach eigenen Angaben mit Aliens30 (den gefräßigen Monstern aus dem All, die
sich in menschliche Wirtskörper einnisten) seine Version des Vietnamkrieges, weil von seinem
Drehbuch zu „Rambo 2 – Der Auftrag“ seiner Auffassung nach nur noch Fragmente
übriggeblieben seien. Wie die US-Soldaten in Vietnam müssen sich am Ende auch die Marines
in Aliens einem technisch unterlegenen aber zahlenmäßig und organisatorisch überlegenen
Gegner geschlagen geben, obwohl die Stimmung am Anfang der Mission ein Scheitern geradezu
ausgeschlossen hat. „Die Parallelen zur Kampfsituation in Vietnam sind klar“, sagt Regisseur
Cameron, „volles Rohr und nichts im Kopf!“ Dieser Handlungsaufbau ist auch in Avatar
wiederzuerkennen.
Weitere Vorlagen für Avatar:
Pocahontas, die Tochter des Indianerhäuptlings Powhatan-Sachem und Mittlerin zwischen den
Stämmen der Virginia-Algonkin und den englischen Kolonisten.
„England, Anfang des 17. Jahrhunderts. Eine Gruppe von Männern, darunter der mittlerweile
berühmte englische Abenteurer John Smith, soll im Auftrag der Virginia Company das noch
„junge“ Amerika erkunden. John Ratcliffe, Leiter der Expedition und selbsternannter
Gouverneur des neu gegründeten Jamestown, ist besonders egozentrisch und versucht das Land
auszubeuten. Auch die restliche Besatzung sieht in der neuen Welt einen rückständigen Ort, den
es zu verbessern gilt.
In dieser „rückständigen“ Welt verspricht Indianerhäuptling Powhatan seine Tochter Pocahontas
dem größten Krieger des Volkes, Kokoum, doch der ist ihr viel zu ernst. Stattdessen verliebt sie
sich auf einem Erkundungsgang mit ihren Freunden Meeko (ein Waschbär) und Flit (ein Kolibri)
in den Engländer Smith. Zwar verstehen sie einander zunächst nicht, doch Pocahontas hört auf
den Rat einer alten Trauerweide, sie solle auf ihr Herz hören und lässt sich auf Smith ein.
Gemeinsam versuchen sie zwischen ihren Völkern zu vermitteln.
Wenig später geraten die amerikanischen Ureinwohner und die Europäer, deren
Lebensideologien unterschiedlicher nicht sein könnten, feindlich aneinander. Gouverneur
Ratcliffe glaubt zu wissen, dass die Ureinwohner das zu ergatternde Gold vor ihm verstecken,
während Powhatan berechtigterweise der Auffassung ist, dass die Neulinge gekommen sind, um
sein Land zu zerstören.“ (Wikipedia)
Es gibt angeblich einen Videobeweis, daß „AVATAR- Aufbruch nach Pandora“ ein Remake des
Zeichentrickfilms “Fern Gully: The Last Rainforest” zu sein scheint31. Zwar nicht in Blau, dafür
mit Flügeln.
„Tauchen Sie ein in die zauberhafte, magische Welt von FernGully dem letzten Regenwald auf
unserm blauen Planeten. Es ist eine geheimnisvolle Welt voller Wunder und Abenteuer, in der
menschliche Wesen nur im Märchen existieren! Lernen Sie die kleinen Bewohner dieses
einzigartigen Paradieses kennen Die zauberhafte Fee Christa, den smarten Elberich Pips, den
verrückten Flughund Batty Koda und die wilden Beetle Boys. Sie alle lieben ihre abgeschiedene
Welt und leben einfach munter in den Tag hinein. Eines Tages geschieht das Unfaßbare
Profitgierige Menschen entdecken das idyllische Paradies! Sie kommen mit einem stählernen
29 Heldin ohne Verfallsdatum, http://www.vanityfair.de/articles/kultur/film/sigourney-weaver/2008/12/03/12367
30 Alien (von lat. alienus – fremd, fremdartig) bezeichnet: umgangssprachlich allgemein eine Außerirdische
Lebensform, im englischen Sprachraum einen Staatenlosen bzw. Ausländer
31 http://www.youtube.com/watch?v=D-SVpZrnF34, http://www.digitaleleinwand.de/2009/12/20/video-beweistavatar-
ist-ein-remake-von-fern-gully/
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Ungetüm und wollen alles zerstören. Einer von ihnen ist der arglose Zak, der durch einen
‚kleinen’ Zauberfehler von Christa plötzlich genauso klein ist wie sie. Gemeinsam versuchen die
kleinen Helden alles, um den letzten Regenwald vor der Zerstörung zu retten. FernGully
beschäftigt sich auf eindrucksvolle Weise mit einem der aktuellsten Probleme unserer Zeit – der
Zerstörung des Regenwaldes. Mit diesem einzigartigen Zeichentrickfilm gelang es den
Produzenten, Phantasie und reales Leben eindrucksvoll zu kombinieren.“32
2001 Odyssee im Weltraum
„Im Jahr 2001 haben die USA haben den Bau des Raumschiffs Discovery abgeschlossen.
Offiziell besteht dessen Mission darin, am Jupiter wissenschaftliche Forschung zu betreiben. An
Bord sind die Astronauten Frank Poole und Dave Bowman, drei weitere Kollegen, die in
Tiefschlafkammern im Dauerschlaf liegen, sowie der Supercomputer HAL 9000, der mit einer
synthetischen Persönlichkeit ausgestattet ist und das Raumschiff autonom steuert.“ (Wikipedia)
Winnetou 1 Karl May
Der schwerverletzte Old Shatterhand wird von Häuptlingstochter Nscho-tschi gesundgepflegt,
bevor er mit seinen Gefährten am Marterpfahl sterben soll. Old Shatterhand offenbart sich nun
als Retter Winnetous aus der Hand der Kiowas, kann dies aber nicht beweisen. Darum soll ein
Gottesurteil entscheiden. Bei einem Kampf auf Leben und Tod mit dem Häuptling Intschutschuna
siegt Old Shatterhand. Zudem kann Nscho-tschi das verlorengegangene Beweisstück,
ein Amulett, präsentieren. Old Shatterhand wird Blutsbruder von Winnetou.
… Der Häuptling schüttelte den Kopf: „Die Bleichgesichter haben den Frieden gebrochen, nicht
wir. Sie raubten uns unser Land, und als wir uns wehrten, kamen die Soldaten, und unsere
Krieger fielen wie das Laub von den Bäumen, wenn der Herbstwind weht. – Und trotzdem ist es
ehrenvoller, zu sterben, als in Knechtschaft zu leben.“ – „Das ist wahr“, antwortete Winnetou,
„aber was soll aus den Frauen und Kindern werden, wenn niemand mehr da ist, der sie ernährt?
Krieg heißt Tod, Friede heißt Leben, und um zu leben hat Manitu uns geschaffen.“
Avatar ist kein „Western, denn in denen spielen immer die Männer mit den Hüten und den
Revolvern die Hauptrolle. Sondern ein Indianerfilm, mit edlen, zutiefst naturverbundenen
Wilden, schönen, unbeugsamen Squaws, stolzen Häuptlingen, weisen Schamaninnen, treuen
Tieren, Pfeil und Bogen. Nur dass die Indianer hier drei Meter groß und hellblau sind. Manche
ihrer Reittiere können fliegen, und ihre Jagdgründe leuchten nachts wie ein belebtes Tiefsee-Riff
in 3D.
“Avatar”, Camerons erster Film seit seinem Rekorde brechenden Untergangsabenteuer “Titanic”
(1997), sieht imposant aus, doch er ist von der erzählerischen Schlichtheit eines Karl-May-Films.
Es gibt den skrupellosen Geschäftsmann, dem die schöne Natur egal ist (Giovanni Ribisi), seinen
vorschriftsmäßig vernarbten Chefsöldner (Stephen Lang) und eine sturköpfige Dame, die lieber
mit den Ureinwohnern reden will, als sie zu töten (Sigourney Weaver). Tatsächlich deckt sich
der Plot über weite Strecken mit dem von “Winnetou I”. Nur dass es hier nicht um eine
Eisenbahnstrecke durch die Jagdgründe der Apachen geht, sondern um einen wertvollen
Rohstoffvorrat, auf dem unglücklicherweise der heilige Hausbaum eines Ureinwohnerstammes
wächst. …
Auch wenn sich Avatar-Held Sully, wie Old Shatterhand, schließlich auf die Seite der Wilden
schlägt. Nicht zuletzt deshalb weil er sich wie Old Shatterhand in eine von ihnen verliebt. Zuvor
aber muss er das Klettern und das Bogenschießen lernen und ein Wildpferd, pardon, einen
32 http://www.amazon.de/FernGully-Christa-Zaks-Abenteuer-
Regenwald/dp/B00006JYX9/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=dvd&qid=1278836976&sr=1-1
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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wilden Drachen zureiten. Am Ende des 161 Minuten langen Mammutwerkes steht
erwartungsgemäß eine gewaltige Schlacht, kombiniert mit ein paar videospielgerechten
Bossfights: Drache gegen Kampfhubschrauber, Urwald-Monster gegen Battle-Mech. Weil die
Na’vi genannten Ureinwohner von Pandora sich mit einer Art USB-Zopf an die Tiere ihrer Welt
ankoppeln können, werden auch die gewissermaßen zu Kampfmaschinen, sobald ein wütender
blauer Wilder im Sattel sitzt.“33
Ganz so einfach, wie es der Verriß im SPIEGEL suggeriert, kann Avatar nicht abgetan werden.
Avatar – Die Geschichte:
Auf der Suche nach neuen Ressourcen stoßen die Menschen im 22. Jahrhundert auf den Planeten
Pandora, der von den Na’vi bevölkert wird, drei Meter großen blauhäutigen Humanoiden. Da
Menschen auf Pandora nicht atmen können, kommen Avatare zum Einsatz: Ersatzlebewesen aus
der Retorte in Na’vi-Form, die von ihren Besitzern gesteuert werden. Der gelähmte Marinesoldat
Jake Sully wird für das Programm ausgewählt. Er lernt die Na’vi Neytiri kennen und lieben und
findet sich im Kreuzfeuer eines Krieges zwischen Menschen und Na’vi.
„Das Avatar-Programm gehört zum Forschungsprojekt der RDA (Resources Development
Administration) auf Pandora. Kernstück ist die Erzeugung transgener Organismen, sogenannter
Avatare, durch die Mischung menschlicher und Na’vi-DNA. Diese Avatare werden auf der Erde
künstlich gezeugt und reifen während des mehrjährigen interstellaren Fluges
in Fruchtwasserbecken zur Größe erwachsener Na’vi heran.“34
Gleich in den ersten Einstellungen bekommt der Zuschauer alle nötigen
Hintergrundinformationen zur Hauptfigur durch einen Off-Kommentar im Stil von „Apocalypse
Now“. Sully ist ein desillusionierter ehemaliger Marine im Jahr 2154, der seit einem Einsatz
gelähmt und seines Lebenswillens beraubt ist. Weil sein Bruder, ein ausgebildeter und gut
vorbereiteter Wissenschaftler, überraschend verstorben ist, soll er dessen Stelle im Avatar-
Programm der mit allen Wassern gewaschenen Dr. Grace Augustine auf Pandora einnehmen. Er
besitzt das identische Genom und kann dessen Avatar, ein für viel Geld entwickeltes Wesen mit
dem Äußeren eines Na’vi, aber der Seele eines Menschen, direkt übernehmen. Getarnt ist das
Raumunternehmen durch eine private Firma, die ein extrem wertvolles und seltenes Mineral
abbauen wollen, das in großen Mengen ausgerechnet unter dem heiligsten Ort der Na’vi liegt.
Der Industrielle Selfridge und Col. Quaritch wollen Sully instrumentalisieren, um Pandora noch
rücksichtsloser ausbeuten zu können. Der Colonel hat es sich „von ganz oben“ absegnen lassen,
daß Sully seine neuen Beine – sprich eine entsprechende Operation bekommt – wenn er die
Na´vi „überreden“ kann, ihren heiligen Ort aufzugeben. Da sich die Na´vi gegen die
Besatzungsmacht zur Wehr setzen, sind sie natürlich „Terroristen“. Parallel schwört der Colonel
die Soldaten darauf ein, „Terror mit Terror“ zu beantworten. Hier nun steuert die Handlung auf
die Vertreibung aus dem Paradies zu, manifestiert in der Zerstörung des gewaltigen
Heimatbaums der Na’vi.
„Ein Heimatbaum ist ein 250 Meter hoher, im Boden des Mondes fest verwurzelter Organismus,
der sich von Photosynthese ernährt. Der Wurzelapparat besteht aus mehreren riesigen Stämmen,
die sich erst hoch über dem Erdboden zum Hauptstamm vereinigen. Innerhalb dieses Kreises
gibt es eine spiralförmige Struktur. Die Wurzeln sind durch synaptische Kontaktstellen mit den
Wurzeln der umgebenden Pflanzenwelt verbunden. … [Ein] den gesamten Mond umspannendes
System des Lebens. Die Bäume besitzen einen Stamm mit enormem Durchmesser und eine
entsprechende riesige Krone. Ein einziger Heimatbaum bietet damit genügend Platz, um darin
33 James Camerons “Avatar” Winnetou erlebt sein blaues Wunder,
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,666842,00.html
34 http://de.james-camerons-avatar.wikia.com/wiki/Avatar-Programm
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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einen kompletten Stamm unterzubringen. Es wird geschätzt, dass bis zu 1500 Na’vi darin Platz
finden können.
Der Heimatbaum der Omaticaya35 befindet sich genau über einem der größten Vorkommen eines
für die Menschen sehr wertvollen Minerals. Da die RDA dieses Mineral um jeden Preis abbauen
will, vertreibt sie die Omaticaya und fällt ihren Heimatbaum mit Gewalt.“
Colonel Miles Quaritch in einer Ansprache an die Soldaten: „Unser einziger Schutz besteht in
einem Präventivschlag. Wir bekämpfen Terror mit Terror. … Der Feind ist der Ansicht, daß die
Bergfestung, in der er sich befindet, beschützt wird von seiner Gottheit (Gelächter) und wenn wir
sie vernichten, sprengen wir einen so tiefen Krater in das Gedächtnis ihres Volkes, daß sie
aufhören, sich diesem Ort auch nur auf 1000 km nähern.“36
Sein Waffenarsenal, das er auch zur Einschüchterung der Na´vi einsetzt, umfaßt neben
Brandbomben37 auch Kampfmaschinen, wie sie aus dem „Krieg der Sterne“ bekannt sind.
Irgendwann erkennt Sully, daß für ihn das wirkliche Leben „da draußen ist“. Wer „Die Rückkehr
der Jediritter“ kennt, wird sich an die Schlacht im Wald erinnert fühlen. Da bringen bekanntlich
auch rollende Baumstämme so manchen Kampfroboter ins Stolpern.
In einer an „Winnetou 1“ erinnernden Zeremonie wurde der Avatar Sully, in den sich die stolze
Kriegerin Neytiri – zugleich Tochter des Häuptlings – verliebt hat, nach einer dramatischen
nächtklichen Rettungsaktion durch Neytiri bei den Na´vi aufgenommen. Der Zuschauer erfährt
in dieser Szene auf dem Versammlungsplatz mit Blick auf ein Drachenskelett auch, daß Toruk
der gefährlichte Drache ist. Später wird sich Sully-Avatar mit einem verbinden und die Schlacht
gegen die „Himmelsmenschen“ anführen. „Tretet zurück. Ich werde mir diesen Alien ansehen“.
Nach diesen Worten sticht die Mutter von Neytiri („Sie deutet den Willen von Eywa“, dem
heiligen Baum) Sully beim Zeremoniell mit einer Nadel an und schmeckt sein Blut – es wurde
für gut befunden. Sully lernte wie alle Na´vis mittels eines Fortsatzes am Körper, der in
Tentakeln endet, sich mit Flugdrachen, die auch über ein solches Kommunikationsteil verfügen,
zu verbinden – der erste Ausritt kann beginnen. Sullys Maskulinität erscheint als eine Mischung
aus körperlicher Kraft (ehemaliger Marine), intelligentem Wortwitz und jungenhaftem Charme –
jene Spannung zwischen Macht und Verletzlichkeit. Somit bleibt dem Zuschauer immer eine
kleine emotionale Verschnaufpause bis zur nächsten Katastrophe.
In „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ erforscht Sigourney Weaver als Wissenschaftlerin Dr.
Grace Augustine die blauhäutigen Ureinwohner des Planeten Pandora, die Na’vi. Dabei stellt sie
35 Die Omaticaya sind ein Clan der Na’vi. Omaticaya bedeutet auf Na’vi „Clan der blauen Flöte“. Diese Bezeichnung
bezieht sich auf die Blaue Flöte, eines der Heiligtümer der Omaticaya.
36 „Colonel“ Stephen Lang in einem Interview: Oh, ja! Der Kerl ist extrem speziell: sehr cool, sehr trocken und sehr
ironisch. Solch ein intelligenter Charakter ist eine schöne Herausforderung. Es gibt nur wenige Charaktere, die von
Grund auf schlecht sind, also eine Art Richard-III-Syndrom haben. Aber darum geht es bei Quaritch nicht. Er ist ein
missionsorientierter Mann, der nur das tut, wozu er beauftragt wurde. Er ist von ganzem Herzen ein Krieger.
Filmstarts: Damit könnte der Film auch als kritischer Kommentar zur Praxis der USA gesehen werden. Schließlich
drängen auch die Vereinigten Staaten anderen Nationen ihre Weltsicht auf, Afghanistan zum Beispiel…
Stephen Lang: Ja, schon. Das ist die aktuelle Situation. Aber die Geschichte wird sich selbst berichtigen. Es wäre
eine Schande, wenn ein so pulsierendes, gefühlvolles Land wie Afghanistan auf Dauer von religiösen Extremisten
geführt würde. Dennoch muss man fairerweise sagen, dass die Kolonisation und Ausbeutung nicht mit den
Vereinigten Staaten angefangen hat und auch nicht mit ihnen enden wird. Man könnte nämlich auch sagen, dass die
Franzosen, die Spanier, die Portugiesen, die Engländer, die Niederländer und möglicherweise auch die Deutschen
mit ihrer Historie einen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Das soll aber keinesfalls die USA von ihrer
Verantwortung freisprechen.
37 Im Film Avatar ist von der Bombe Daisy Cutter (Gänsblümchenschneider) die Rede: Die BLU-82B wurde von
den USA in den frühen 1960er-Jahren entwickelt, um in Waldgebieten Lichtungen für Hubschrauber-Landeplätze
und für Artilleriestellungen zu schaffen (Krieg in Vietnam und in Laos). Zu dieser Zeit war sie bekannt als
„Commando Vault“ oder „Big Blue 82“. Während des Zweiten Golfkriegs wurde sie eingesetzt, um Minenfelder
und Führungsstellen zur Detonation zu bringen. Weitere Einsatzgebiete waren der Krieg in Afghanistan und der
zweite Irakkrieg.
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sich gegen die brutale Ausbeutung der Bodenschätze und die Vertreibung der Na’vi aus ihrer
Heimat und erleidet bei einem Militärangriff auf das Naturvolk tödliche Verletzungen. Anders
als beim Titelhelden Jake Sully scheitert aber bei Grace der Versuch, ihr Bewusstsein mithilfe
des Baums des Lebens für immer auf ihren Avatar – einen gedankengesteuerten Ersatzkörper mit
dem Aussehen eines N’avi – zu übertragen.
Der Baum der Seelen ist ein sakraler Ort. Hier zelebriert die Mutter von Neytiri die Übertragung
des menschlichen Geistes auf den Avatar. Was ihr bei Grace nicht gelang („Ihre Wunden waren
zu groß. Sie ist jetzt bei Eywa“) soll am Ende des Films bei Sully gelingen. Die Na’vi sitzen auf
dem Boden in langen Reihen vor dem Baum, halten sich an den Armen und wiegen sich
massensuggestiv in Gesang zu den Worten:.
„Erhöre uns, große Mutter Eywa, Quelle aller Energie, nimm diese Seele in dir auf und bring
sie zurück zu uns. Laß sie [Grace] unter uns wandeln als eine unseres Volkes.“
Im (geplanten) „Avatar 2“ stellt sich „laut Sigourney Weaver dann aber heraus, dass die Seele
von Grace im Baum der Seelenüberdauert hat. Im Verlauf des Films wird ein neuer Versuch
unternommen, ihr Bewusstsein auf einen Avatar zu übertragen – und diesmal gelingt es!“38
Beim Endkampf mit der Streitmacht des Colonel stehen Flugdrachen39 und andere Monster des
Waldes auf der Seite der Na´vi und den Bösewicht schützt sein Roboterkoloß nicht – er muß
seine Grausamkeit mit dem Pfeiltod bezahlen. Ähnlich wie in „Apocalypse Now“ ist damit die
Truppe „gereinigt“. Die Guten, wie Sully, dürfen auf Pandora bleiben, die Schlechten müssen
abziehen („Die Aliens kehrten zurück in ihre sterbende Welt. Nur wenige wurden auserwählt zu
bleiben.“).
Im Prinzip sind Ursprungsmythen aller Couleur als religiöse Mythen zu bezeichnen, da sie den
Ursprung einer Gemeinschaft markieren, die durch zyklisch zelebrierte Erinnerungsriten daran
ihren Zusammenhalt bekräftigt. Diese Mythen können überformt und den kulturellen
Veränderungen angepaßt werden, während ihre Essenz doch stets gleich bleibt.
Sinnstiftend ist ein solcher Gründungsmythos insofern, als im Wie des Einbruchs des Heiligen in
die Welt immer auch das entsprechende Warum enthalten ist. Im Vorgang dieser Enthüllung
wird die Geschichte zur Wahrheit, im Sinne eines Berichts über die ‘Schöpfung’ von Realitäten.
Das Heilige selbst ist damit das Reale par excellence. Aus diesem Verständnis heraus beschreibt
der rumänische Religionswissenschafter Mircea Eliade40 die Hauptfunktion des Mythos, die
darin besteht, exemplarische Modelle für alle Riten und wesentlichen Betätigungen des
Menschen festzuhalten. Durch Nachahmung der göttlichen Vorbilder (imitatio dei) bewahre sich
der Mensch einen Platz im Heiligen. …
38 http://www.kino.de/news/sigourney-weaver-trotz-filmtod-in-avatar-2/286536.html
39 Toruk (lat.: Leonopteryx rex; engl.: Great Leonopteryx; Na’vi: Toruk – letzter Schatten) ist eine auf Pandora
lebende Wirbeltierart. Von den Erdenmenschen wird Toruk als Großer Leonopteryx bezeichnet. (http://de.jamescamerons-
avatar.wikia.com/wiki/Gro%C3%9Fer_Leonopteryx)
40 Er hebt folgende charakteristische Merkmale des Mythos hervor:
Der Mythos wird gelebt.
Der Mythos erzählt die Geschichte der Taten der übernatürlichen Wesen.
Diese Geschichte gilt als absolut wahr und heilig.
Der Mythos bezieht sich immer auf eine „Schöpfung“, da er erzählt, wie etwas zur Existenz gelangt ist oder wie ein
Verhalten, eine Institution oder eine Arbeitsweise gegründet wurde; das ist der Grund, weshalb die Mythen die
Paradigmata jeder bedeutsamen menschlichen Handlung bilden.
Wenn man den Mythos kennt, kennt man den Ursprung der Dinge, und kann sie daher beherrschen oder
beeinflussen. Es handelt sich dabei um eine Kenntnis, die man auf rituelle Weise „lebt“, entweder in dem man den
Mythos zeremoniell erzählt oder indem man das Ritual ausführt, das er zur Rechtfertigung braucht.
Den Mythos „leben“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man von der heiligen, erhebenden Kraft der
Ereignisse, die man in Erinnerung ruft oder reaktualisiert, ergriffen wird. Die Mythen leben, impliziert eine
„religiöse“ Erfahrung, da sie sich von der Alltagserfahrung unterscheidet. http://www.lateinamerikastudien.
at/content/kultur/mythen/mythen-1362.html (Eliade 1988 Mythos und Wirklichkeit. Insel-Verlag, Frankfurt
am Main 1988 S. 27)
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Dennoch gibt es nach wie vor eine Suche nach Antworten und ein Bedürfnis nach Erlösung, die
auch der empor zur Leinwand gerichtete Blick sich erhofft. Es würde zu weit gehen, das Kino als
neue Tempel zu bezeichnen. „Erlöserfiguren wie Sully ziehen ihr jeweiliges Publikum in den
Bann und bieten für eine Weile Antworten, einen Sinn, oder auch nur das Gefühl, Teil eines
großen Ganzen zu sein. …41 Dem Kommen des Messias gehen oftmals gesellschaftliche
Unruhen und ein moralischer Niedergang voraus. Es gibt aber auch äußere Anzeichen wie Dürre,
Hungersnöte, Aufruhr und Krieg.“ 42
In seiner kämpferischen Rede an die Na’vi spricht Avatar Sully von daher sicherlich manchem
Zuschauer aus den Seele:
„Die Himmelsmenschen haben uns eine Botschaft gesandt: Dass sie sich alles nehmen können
was sie wollen und dass niemand sie aufhalten kann. Aber wir schicken ihnen auch eine
Botschaft: Fliegt so schnell wie der Wind euch nur tragen kann! Ruft die anderen Clans herbei!
Sagt ihnen Toruk Makto43 ruft sie zu sich! Ihr fliegt jetzt mit mir! Meine Brüder und Schwestern!
Und dann zeigen wir den Himmelsmenschen, dass sie sich nicht alles nehmen können was sie
wollen! Und dass dies unser Land ist!“
Damit wird eine moralische Integrität aufgebaut, die in diesem Fall die Na’vi gegen den
Widerstand feindlicher Personen oder Institutionen zu verteidigen gezwungen sind. So wird ihre
Gewaltbereitschaft stets vor dem Hintergrund einer ultimativen Bosheit des jeweiligen Feindes
gerechtfertigt. Sie setzen ihre Kräfte jedoch nicht aus egoistischen Gründen ein, sondern um ihre
Gruppe oder sogar die gesamten vereinten Stämme zu retten (stellvertretend die eigene Familie –
Avatar Sully und Neytiri verbrachten eine gemeinsame Nacht zusammen) und damit vom Bösen
zu erlösen. Der Zuschauer geht im Durchschnitt „geläutert“ und angerührt aus dem Kino – und
überläßt die nur gemeinsam anzugehenden Aufgaben unserer Zeit, wie das Hungerproblem, den
Sozialabbau zugunsten der immer Wohlhabenderen und die barbarische Kriegsführung in
Afghanistan und anderswo etc. dann getrost anderen. Die Filmhandlung hat stellvertretend für
ihn das Problem vorerst gelöst und ihn von der Anstrengung bewahrt, diese realen
gesellschaftlichen Probleme ggfs. auch gegen Widerstände angehen zu müssen
(Entlastungsfunktion).
Der Film Avatar transportiert einen nicht unproblematischen fast dumpf wirkenden
Gruppenritus. Man könnte es esoterische Heilserwartung nennen, denn hier sind gemeinsame
Nenner u.a. die Mystifizierung der Natur, strenge Hierarchien bis hin zum Führerkult, ein
„natürliches“ Frauenbild (Ehrfurcht vor dem „Erleuchteten“ – Sully mit Toruk, Drachenszene)
und nicht zuletzt Rassismus (ein weißer Amerikaner „erlöst“ das Naturvolk). Mehr oder weniger
„geheimnisvolle Riten“ dienen dem Zweck, die Gruppe nach außen abzugrenzen und den
inneren Zusammenhalt zu stärken. Der Gang von Avatar Sully und Neytiri über die
Baum“wege“ in schwindelnde Höhen, an deren Seiten wie aus der LED-Abteilung von Obi die
blau-weißen Pflanzen aufleuchten und schwebende selbstleuchtende Tentakel ein göttliches
Zeichen geben, gibt in Kombination mit der Filmmusik eine meditative Einstimmung auf den
Eintritt von Avatar Sully in den Stammesrund.
41 Vgl. Claudia Jubeh, Religiöse Mythen in Hollywood,
http://www.ikonenmagazin.de/artikel/Mythosinhollywood.htm
42 Claudia Jubeh, Religiöse Mythen in Hollywood, http://www.ikonenmagazin.de/artikel/Mythosinhollywood.htm
43 „Aufgrund seiner Stellung an der Spitze der Nahrungspyramide Pandoras ist der Leonopteryx für die Na’vi ein
ernst zu nehmender Nachbar und Konkurrent im Ökosystem. In äußerst seltenen Fällen kann allerdings Tsaheylu
hergestellt werden. Neytiri zufolge ist das seit der Zeit der ersten Lieder erst fünfmal geschehen. Zu den wenigen
Auserwählten gehörte auch einer ihrer Ahnen (der Großvater ihres Großvaters), der als Toruk Makto (Reiter des
letzten Schattens) die Clans in Zeiten großer Not zusammenführte. Das Skelett eines Toruk ist im Heimatbaum der
Omaticaya aufgestellt und dient als Erinnerung und Mahnung.“ http://de.james-camerons-avatar.wikia.com/wiki/
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Und nicht vergessen: Die Krieger vom Stamme der Na’vi kämpfen auch auf Leben und Tod.
Was dabei das Opfergerüst44 für eine Rolle spielt, ist unklar. Es befindet sich unweit des
Heimatbaums der Omaticaya. Es besteht aus mehreren Stangen. In der Mitte der Konstruktion ist
der Schädel eines Tieres befestigt. Das Opfer wird mit den Händen an der oberen Querstange
gefesselt. Bekannt ist, dass Jake Sully und Dr. Grace Augustine an dieses Gerüst gefesselt waren,
nachdem Jake die Omaticaya über die Einzelheiten seiner Tätigkeit für die RDA informiert hatte.
Jedoch wurde er von Neytiris Mutter Mo’at gerettet, als die Helikopter der RDA den
Heimatbaum angriffen.
Es erscheint schon merkwürdig: Mit Pfeil, Bogen und Messer bekämpfen die Na’vi erfolgreich
Monster des Waldes, gegen die selbst moderne Maschinenwaffen nicht auszurichten vermögen.
So muß einerseits Avatar Sully in der Nacht gegen die Monster des Waldes um sein Leben
kämpfen, andererseits kämpfen diese gefräßigen Monster später auf Seiten der Na’vi gegen die
Soldaten der Besatzungsmacht.
Interessant ist auch: Es scheint auf Pandora keine Kinder zu geben. Der Zuschauer sieht immer
wieder Versammlungen, eine Art amorpher Masse von Erwachsenen mit fast sakralem
Charakter. Die Frauen beherrschen, wie Kriegerin Neytiri zeigt, mehrere Kampftechniken,
wissen aber auch mit Pfeil und Bogen und schwertähnlichen Waffen umzugehen (woher diese
kommen bleibt im Dunkeln). Ein Familienleben wird nicht gezeigt, Ehepaare scheint es
erkennbar auch nicht zu geben so wenig wie Nahrungsmittelgewinnung oder gar –zubereitung,
alle wirken schlank und groß und alle leben im Kollektiv. Bei der Sammlung verschiedener
Stämme auf Pandora durch Avatar Sully und Neytiri zur gemeinsamen Endschlacht gegen die
Besatzer treten auch Frauen als Führerinnen auf. Wer erinnert sich nicht an die sog. Gleich(-
stellungs)-berechtigungsdebatte hier in Deutschland? Auch Frauen leisten nun im
Soldaten“beruf“ Kriegsdienst, „dürfen“ also gemeinsam töten und sterben wie die Männer auf
den Schlachtfeldern der Welt. Wozu braucht es da noch Ehe und Familie? Der neue
Totalitarismus agiert mit dem alten sozialistischen Köder der ‚Gleichheit’ für alle, an den die
Menschen anbeißen. Uniformität jedoch zerstört das Humanum, dessen Wesenskern die
Einzigartigkeit ist.
Das Programm, das heute mit Gender Mainstreaming wiederum alles daran setzt, einen „neuen
Menschen“ zu schaffen, und zwar auf einer tieferen Ebene als je zuvor, hat schon Friedrich
Engels formuliert: „Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen
mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe und die erste
Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.“45
Um den angeblichen Klassengegensatz zwischen Mann und Frau abzuschaffen, muß die Familie
zerstört werden – auch damit die Frau als beliebige wirtschaftliche „Ressource“ für dem
Arbeitsmakt zur Verfügung steht.
Mit der aktuellen Forderung nach „Gleichheit“ aller Menschen wird statt Gleichberechtigung der
unterschiedlichen Geschlechter ein Mennschenrecht neuesten Standards festgelegt.46
„Mainstreaming“ (engl. mainstream „Hauptströmung“: „zum Hauptstrom machen“, „in den
Hauptstrom bringen“) bezeichnet den Versuch, benachteiligte bzw. Randgruppen in die Mitte der
Gesellschaft (also den mainstream) zu bringen. So lässt sich aus gender mainstreaming die
deutsche Übersetzung der ‚Gleichstellungsperspektive’ oder ‚durchgängige
Gleichstellungsorientierung’ herleiten.47
44 http://de.james-camerons-avatar.wikia.com/wiki/Opferger%C3%BCst
45 Vgl, Gabriele Kuby, Gender Mainstreaming – Die (un)heimliche Revolution. Erstveröffentlichung: VATICAN
magazin, Heft 11, November 2008, http://www.gabriele-kuby.de/wortmeldungen/gender-mainstreaming/
46 Vgl. auch EU-Vertrag von Lissabon, Artikel 1 der Präambel. „… Gleichheit und Rechtstaatlichkeit als universelle
Werte …“
47 http://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Mainstreaming
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Nur: Wer kontrolliert bzw. richtet das wo nach welchen Maßstäben ein? Ein neuer
Überwachungsstaat mit kollektivern Aufzuchtanlagen scheint entstanden zu sein.
“Unsere jetzige Aufgabe ist die Zerstörung der Familie und die Ablösung der Frau von der
Erziehung ihrer Kinder. Wenn wir in unseren Gemeinschaftshäusern gut vorbereitete
Abteilungen für Kinder organisiert haben, ergibt es sich zweifellos, daß die Eltern ihre Kinder
von allein dorthin senden werden, wo sie durch medizinisch und pädagogisch qualifiziertes
Personal überwacht sind. Dadurch werden zweifellos Ausdrücke wie ‚meine Eltern’ oder ‚unsere
Kinder’ immer weniger gebraucht werden und durch Begriffe wie ‚die Alten’, ‚die Kinder’, ‚die
Säuglinge’ ersetzt werden.“48
Durch Gender-Maßnahmen in allen gesellschaftlichen umd politischen Bereichen, die per Gesetz
seit Jahren festgeschrieben worden sind, soll die zunehmende Einsicht eines jeden Bürgers auf der
ganzen Welt nachhaltig manifestiert werden, daß es das klassische Geschlecht von Mann und Frau
in Wirklichkeit gar nicht gibt. Deswegen müssen die scheinbar gar nicht existierenden
Geschlechter jetzt abgeschafft werden! Alles ist gleich! Alles ist eins! Unique ist schick!
Erstaunlich nur, dass dies noch niemandem in den vergangenen Jahrtausenden aufgefallen war.49
Jeder Mensch ist also – nach der Gender-Definition der Europäischem Union und der Vereinten
Nationen – bei seiner Geburt geschlechtsneutral, es gibt, wie bisher angenommen, DAS
Mädchen oder DEN Jungen in Wirklichkeit gar nicht. Typische Männlichkeit und typische
Weiblichkeit werden nach Gender Mainstreaming nur durch die Erziehung und das soziale
Umfeld ‚künstlich’ entwickelt, hauptsächlich von den Eltern, den Großeltern, im Kindergarten,
in der Schule usw., dem sozialen Umfeld eben. Typische Männlichkeit und typische
Weiblichkeit sind dementsprechend nun sexistisch!50
Wie am Beispiel Sigourney Weavers alis Ellen Ripley in Alien gezeigt, hat der neue Frauentyp
zwar auch Herz, ist aber in erster Linie eine gute Kämpferin (um endlich das „Gewalttabu für
Frauen “ zu brechen)und steht voll und hart im jeweiligen Beruf (siehe auch Rolle der Grace in
Avatar, die jedem Mann den Schneid abkauft und sich mitsamt ihren schwerbewaffneten
Begleitern auch in „feindlichem Terrain“ – Pandora – zu bewegen weiß). Avatar Sully wirkt bei
48 Anatoli Lunatscharski (1875—1933), ein bedeutender marxistischer Kulturpolitiker und unter Lenin
Volkskommissar für das Bildungswesen, Über die Volksbildung, Köln 1973 Zit. nach Eva Herman, Die Wahrheit
und ihr Preis, S. 55
49 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:
PRÄAMBEL
Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der
Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, …
„… da die Völker der Vereinten Nationen in der Charta ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die
Würde und den Wert der menschlichen Person und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau erneut bekräftigt
und beschlossen haben, den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen in größerer Freiheit zu fördern, …“
„Artikel 1 Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen
begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
„Artikel 2 Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen
Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung,
nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Des weiteren darf kein Unterschied
gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem
eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung
besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist.“
„Artikel 16 1. Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der
Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sie haben bei der
Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung gleiche Rechte. 2. Eine Ehe darf nur bei freier und
uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden. 3. Die Familie ist die natürliche
Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.“
Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948
50 Vgl. Eva Herman, Die Wahrheit und ihr Preis, S. 46ff., Rottenburg 2010; Vgl. auch
http://www.youtube.com/watch?v=J5s0cl6TMN0&feature=player_embedded (Das EU-Parlament will die Begriffe
„Vater“ und „Mutter“ abschaffen) http://www.youtube.com/watch?v=xr5meu6iDy4&feature=related.
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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seinen ersten Gehversuchen im Stamm der Na’vi hingegen eher unbeholfen und wird durch
Neytiri beispielsweise in sein Drachen-Umfeld eingeführt (Die matrilineare Vorrangstellung ist
auch erkennbar an der Rolle von Neytiris Mutter, der Schamanin).
Es stellt sich also die Frage, ob Avatar nicht die Sympathien für den Kampf der Na’vi deswegen
schürt, um die Zuschauer einmal mehr unter dem Deckmantel eines „gerechten“ Kampfes zunächst
für eine „natürliche“, einfache Lebensweise, die im Einklang mit der „Umwelt“ (welcher?) steht,
sowohl weibliches als auch männliches Personal für eine solche neue Kriegsbewegung
bereitzumachen. Es macht sich heutzutage besser, eine barbarische, kultur- und
umweltvernichtende Kriegsführung um Bodenschätze oder geostrategische Ziele oder die
Besetzung eines Landes (Beispiele Irak/Afghanistan) zu „rechtfertigen“, wenn sie beispielsweise
mit der vorgeblichen Durchsetzung sog. Frauenrechte oder medizinischer Versorgung „begründet“
wird. Die ‚Gleichberechtigung der Frau’ soll bei diesem militärpolitschen Konzept so aussehen,
als Frau zu leben wie ein Mann obendrein. Das aber bedeutet, beide sollen patriarchal leben, was
verallgemeinert gar nicht machbar ist und zudem das konterkariert, was sein soll.51
Wie Gender Mainstreaming derzeit umgesetzt wird:
„Die EU berät ein Gesetz, nach dem in der Fernsehwerbung keine Frauen mehr am Herd und
an der Waschmaschine gezeigt werden dürfen. Der Grund: Dies ist für die Frauen
diskriminierend, entwertend, sexistisch. Wer allerdings diese Rolle künftig einnehmen könnte,
ist auch klar: der Mann. Denn er soll vermehrt durch Hausarbeit und Familienmanagement
aus dem Beruf ins Haus verbannt werden, während die Frau (die es ja eigentlich nicht gibt)
der Erwerbstätigkeit in jedem Fall den Vorrang geben soll.“52
„Die dem Familienministerium unterstehende Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
verschickte 650 000 Mal „Ratgeber für Eltern zur kindlich Sexualerziehung“, in denen die Eltern
zur sexuellen Stimulation ihrer Kleinkinder aufgefordert wurden. Die Familienministerin musste
die Broschüren im Juli 2007 zurückziehen, nachdem … medialer Druck entstanden war.“53
Ein weiteres Propaganda-Muster in Avatar scheint der sog. „Kampf der Kulturen“ zu sein, wie
ihn Huntington behauptet: Es ist ein populäres Schlagwort für den Konflikt zwischen
verschiedenen Kulturkreisen, insbesondere Konflikte des westlichen Kulturkreises mit dem
chinesischen und dem islamischen Kulturkreis. Es geht auf das Buch Clash of Civilizations and
the Remaking of World Order des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel Phillips
Huntington zurück, wobei „Clash of Civilizations“ mit „Kampf der Kulturen“ übersetzt wurde,
obwohl „Zusammenprall der Kulturen“ die genauere Übersetzung wäre. Huntington stellte 1993
die These auf, dass die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts nicht von Auseinandersetzungen
politischer, ideologischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern von Konflikten zwischen
Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise bestimmt sein werde.
Die These von einem „Kampf der Kulturen“ erhielt besonders in jüngerer Zeit publizistische
Rückendeckung durch die sog. „neuen Atheisten“ wie Sam Harris und Christopher Hitchens, die
– oft unter expliziter Bezugnahme auf Samuel Huntington – die gegenwärtigen Konflikte nach
dem 11. September primär auf religiöse bzw. kulturelle Gegensätze zurückführten. Andere
Faktoren, bes. sozioökonomische und politische (wie etwa der Nahostkonflikt), wurden von
ihnen dagegen vehement bestritten oder als unbedeutend eingestuft, wie etwa von Christopher
Hitchens in seiner Auseinandersetzung mit Noam Chomsky (der die Gegenposition vertrat). Als
Konsequenz wurde von den „neuen Atheisten“ daher eine „Überwindung“ der Religion
(insbesondere von Islam und Christentum) gefordert, da sie die alleinige bzw. Hauptursache des
51 Vgl. Mechtild Jansen, Frauen an den »Brand«-Herd? Kriegsdienst und Gleichberechtigung. http://www.unimuenster.
de/PeaCon/wuf/wf-96/9640213m.htm
52 Vgl. Eva Herman, Die Wahrheit und ihr Preis, S. 46ff., Rottenburg 2010
53 Gabriele Kuby, Gender Mainstreaming – Die (un)heimliche Revolution. Erstveröffentlichung: VATICAN
magazin, Heft 11, November 2008, http://www.gabriele-kuby.de/wortmeldungen/gender-mainstreaming/
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Konflikts sei. Viele von ihnen befürworteten ausdrücklich eine harte Linie im Krieg gegen den
Terror, wie etwa Hitchens, der den Irakkrieg unterstützte, und Sam Harris, der sich in einem
seiner Bücher für die Anwendung von Folter gegen Terrorverdächtige aussprach.
Der Philosoph Otfried Höffe54 widerspricht Huntingtons Ansatz:
„Der heute global entscheidende Konflikt findet nicht zwischen dem Westen und dem
Nichtwesten, auch nicht zwischen säkularisierten und religiös geprägten Kulturen statt, wohl
aber zwischen Gruppen und Gesellschaften, die sich der normativen Modernisierung aussetzen,
und denen, die sich ihr versperren.“
Huntingtion übersieht,
• daß Kulturen viele Gemeinsamkeiten haben und sich an vielen Stellen überlappen;
• daß Menschen verschiedener Kulturen durchaus friedlich zusammenleben;
• daß viele Konflikte nicht zwischen, sondern innerhalb einzelner Kulturkreise stattfinden.
Das PC-Spiel zum Film – Es kann keinen Frieden geben, lautet die Borschaft
Auch wer das PC-Spiel Avatar anschaut, wird buchstäblich auf Kampf getrimmt: Ignite the War!
Entzünde den Krieg! So heißt es passend im dazugehörigen Trailer.
Aus der Werbung: Man kann der Na’vi sein, aber wahlweise auch auf der anderen Seite stehen.
„James Cameron’s Avatar: Das Spiel ist das offizielle Videospiel zum mit Spannung erwarteten
Blockbuster AVATAR – Aufbruch nach Pandora. Der Spieler taucht in das Herz von Pandora
ein, einem fremdartigen Planeten, der seine kühnsten Vorstellungen übertreffen wird. Man trifft
auf die Na’vi, Pandora’s heimische Bevölkerung, und entdeckt Kreaturen sowie andere
Lebensformen, wie sie noch nie zuvor in der Welt der Videospiele zu sehen waren.
Als ein Konflikt zwischen den Na’vi und der RDA Corporation, einem Raumfahrt-Konsortium,
das nach wertvollen Ressourcen sucht, ausbricht, wird der Spieler in einen Kampf um das Herz
des Planeten und das Schicksal einer ganzen Zivilisation hineingezogen.
Entdecke einen spannenden Mehrspielermodus mit bis zu 16 Spielern in verschiedensten Modi
wie Deathmatch, Capture the Flag, King of the Hill und einigen mehr. … Der Spieler kann sich
in der Schlacht um Pandora zwischen den Truppen der RDA oder den Kriegern der Na’vi
entscheiden. Jede Fraktion verfügt über ihre individuelle Ausrüstung, Waffen und Fertigkeiten.
Wenn Teams von RDA Truppen auf die brachiale Kraft von gigantischen Äxten, Stäben,
Schwertern und Bögen der Na’vi Krieger treffen, ist strategischer Tiefgang garantiert.
Features:
- Tauche ein in die Welt von James Cameron – Blicke tief ins Herz von Pandora und
entdecke James Cameron’s Universum mit deinen eigenen Augen. - Erlebe einen schweren Konflikt zwischen zwei Welten und Kämpfe für deine Sache:
RDA oder Na’vi. Individualisiere mehr als insgesamt 60 RDA- und Na’vi-Waffen. Wähle
deine Fertigkeiten, von denen jeder Clan 20 verschiedene besitzt. Fahre Fahrzeuge und reite
auf Tieren. Erweitere das Schlachtfeld im Online-Multiplayer-Modus. - Entwickle deinen Charakter und erlange neue Fähigkeiten Erschaffe deinen eigenen
Charakter und erlange im Spielverlauf ständig neue Fähigkeiten. - Atemberaubende 3D-Technologie, erstmals in einem Videospiel. (optional,
entsprechende Hardware vorausgesetzt)“55
Tatsache bleibt jedoch: „Gewalthaltige Computerspiele machen Kinder aggressiv – unter
bestimmten Bedingungen. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie mit 280 Kindern von Dr.
Clemens Trudewind und Dr. Rita Steckel (Arbeitsgruppe für Motivations- und
54 Otfried Höffe: Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger. Politische Ethik im Zeitalter der Globalisierung.
C. H. Beck, München 2004, S. 179
55 http://www.amazon.de/James-Camerons-AVATAR-Das-Spiel/dp/B002MWSXWG
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Emotionspsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB). Bei den untersuchten 8- bis 14-
Jährigen zeigte sich deutlich, dass das Einfühlungsvermögen (Empathie) für Mitleid erregende
Bilder unterschiedlich ausgeprägt ist – je nach Bindungssicherheit der Kinder zu den Eltern und
je nach Inhalt eines zuvor gespielten Computerspiels. … Intensive Gewaltspielerfahrung führe
dauerhaft zu einer Abschwächung der Empathiebereitschaft im Sinne einer emotionalen
Abstumpfung, so die Bochumer Wissenschaftler. Dies beeinträchtige auch langfristig den
wichtigsten Hemmfaktor für aggressives Verhalten.“56
Was “Second Life” und “Avatar” uns offensichtlich auch lehren sollen
Ian Person, Futurologe und Beschäftigter für Telekommunikationsunternehmen, sagt es uns:
„Ich betrachte Szenarien wie die Hippiebewegung und soziale Bewegungen, damit wir wissen,
wie die Gesellschaft aussieht, für die wir neue Angebote einführen.
Wenn wir wissen, daß 10 oder 20 Prozent der Bevölkerung in 5 oder 10 Jahren Hippies sein
werden, dann gibt es eine ganze Bandbreite an Dienstleistungen, die wir auf diese Bewegung
ausrichten können, deren Entwicklung wir bereits jetzt beginnen können, dann sind wir
gewappnet.
[Bild Internetseiten] Es ist die perfekte Plattform, um die Hippiebewegung wieder aufleben zu
lassen. Es ermöglicht Menschen in Kontakt zu treten, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.
Ich glaube, wenn die Nouveau-Hippies in den nächsten paar Jahren in Erscheinung treten, sie das
Internet benutzen werden, um sich zu organisieren, ihre Ideale für andere zu verdeutlichen.
Der Nouveau-Hippie ist ein Hippie-Typ der 60er Jahre, der die freie Liebe-Mentalität propagiert
und sagt, laß uns mit Drogen experimentieren, eine offenere Gesellschaft anstreben, mehr
rosarot, mehr auf die Emotionen fokussieren, aber laß es uns mit der Technologie von 2010
machen, lieber kybernetische Drogen zulassen statt der altmodischen Sachen, das Internet zum
Aufbau von sozialen Netzen nutzen, statt in realen Kommunen zusammenzukommen.
Verbindet man einmal das Nervensystem mit dem Computer, mit der IT
[Informationstechnolgie], dann werden wir wirklich Funken fliegen sehen, die Menschen werden
Sachen damit machen, sie werden beginnen, die Nervensysteme zu verknüpfen und direkte
Verbindungen zwischen meinen und deinen Gedanken herstellen. In 20, 40 Jahren werden wir
Kommunen haben, die das globale Bewußtsein darstellen, wo Menschen per Telepathie ihre
Gedanken austauschen. Wir starten heute mit Second Life als einer primitiven virtuellen
Umgebung, letztendlich wird es etwas außerhalb der Matrix werden.“57
Der Baum des Lebens58 der Na’vi stellt bereits ein Netzwerk neuronaler, gehirnähnlicer
Verknüpfungen dar (so trägt die Wissenschaftlerin Grace es im Film vor).
Die sogenannten neuen „sozialen Netzwerke“ werden beworben: In einem Zeitungsartikel mit
dem Titel „Eine völlig neue Kultur“ heißt es unter anderem: „Online-Communitys sind keine Modeerscheinung,
sondern der Beginn einer neuen Kommunikationskultur. Gerade Jugendliche
gestalten diese Räume mit ihren eigenen Sprachen und Normen.“59
Was ist in der Online-Welt „eigen“, nach welchen Maßstäben, Werten – wieder getreu nach der
verlogenen Ideologie „Jugend führt Jugend“? Womit soll die junge Generation – mal wieder –
56 Gewalthaltige Computerspiele machen aggressiv, Dr. Clemens Trudewind, Arbeitsgruppe für Motivations- und
Emotionspsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB
57 Summer of Love, arte, Teil2, 10.06.2010
58 Die zahlreichen Bäume des Mondes sind durch vielfältige synaptische Kontakte miteinander verbunden. Das so
gebildete Netzwerk gleicht einem hoch entwickelten Nervensystem und hat eine Art Bewusstsein seiner selbst
entwickelt. Wohl die meisten, wenn nicht alle der höher entwickelten Lebewesen auf Pandora können Kontakt zu
diesem Netzwerk herstellen. Die Na’vi bezeichnen diese vernetzte und sich ihrer selbst bewusste Lebenswelt als
Eywa. Den Vorstellungen der Na’vi zufolge ist alles Leben auf Pandora eng mit Eywa verbunden und vor Eywa
gleich berechtigt.
59 „Eine völlig neue Kultur“, Nordbayerische Nachrichten, 05.07.2010
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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geködert werden? Jede Generation muß zunächst in den Lebenszusammenhang der bestehenden
Kultur eingeführt werden – und das geschieht primär zunächst durch Elternhaus und Schule in
der lebendigen Begegnung von Mensch zu Mensch. Nur wer seine Vergangenheit kennt, kann
darauf aufbauend die Zukunft bewältigen.
„Lernen geschieht im Gehirn allerdings in den ca. 20 Milliarden Nervenzellen (Neuronen)
insbesondere durch die Verstärkung von Synapsen, den Kontaktstellen der Neuronen.
Veränderungen der Synapsen werden durch ihren Gebrauch bzw. Nicht-Gebrauch bestimmt.
Eine Synapse ist umso stärker, je häufiger sie von Impulsen, also von durch unterschiedliche
Wahrnehmungen erzeugten Sinnesreizen passiert wird. Mit anderen Worten, sich wiederholende
Erfahrungen schlagen sich mit der Zeit in den Synapsen nieder. Die Spuren, die dadurch im
Gehirn entstehen, sind gebrauchs- bzw. erfahrungsabhängig. Sie bilden sich durch das
Herausfinden von allgemeinen Regeln, die sich in dem jeweiligen Einzelphänomen befinden,
wenn dieses wiederholt wahrgenommen wird. Wir lernen vor allem durch Beispiele, indem unser
Gehirn das Allgemeine aus dem Besonderen herausfiltert. Das Allgemeine, Regeln und
Prinzipien, werden im Gehirn in neuronalen Repräsentanten abgebildet und dienen zur Steuerung
zukünftigen Verhaltens. Lernprozesse verändert das Gehirn. Die Entwicklung des Gehirns und
die sich vollziehenden Lernprozesse beeinflussen sich wechselseitig. Das Gehirn ist
gewissermaßen das Resultat seiner Benutzung.“60 Wir lernen eigentlich immer, unser Gehirn
kann nicht anders.
„Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn immer mehr Menschen ihr Gehirn nicht mehr in
erster Linie dazu einsetzen, um sich in der realen Welt, in lebendigen Beziehungen mit anderen
Menschen zurechtzufinden. Was geschieht im und mit dem Gehirn dieser Menschen, die in eine
durch elektronische Geräte erschaffene, virtuelle Welt eintauchen und dort einen Großteil ihrer
Zeit, also ihres Lebens verbringen? Wer in den Strudel virtueller Welten eintaucht, bekommt ein
Gehirn, das zwar für ein virtuelles Leben optimal angepasst ist, mit dem man sich aber im realen
Leben nicht mehr zurechtfindet. Der Rest ist einfach: Wer dort angekommen ist, für den ist die
Fiktion zur lebendigen Wirklichkeit und das reale Leben zur bloßen Fiktion geworden. Ein
solcher Mensch kann in der realen Welt nicht mehr überleben. …
Wir wissen seit einigen Jahren, dass die Nervenzellverschaltungen in unserem Gehirn sich
immer wieder anpassen an die Art und Weise, wie und wofür man sein Gehirn benutzt.
Nutzungsabhängige Neuroplastizität nennt man diesen Anpassungsprozess, den man eigentlich
mit einem Satz zusammenfassen kann: So wie man sein Gehirn nutzt, so wird es am Ende
auch.“61
Das digitale weltweite Netzwerk entdemokratisert hin zu einer amorphen Masse von Online-
„Freunden“:
„Die Generation der Digital Natives verfrachtet es in die Cloud. Diskutiert weltweit, 24 Stunden
am Tag, sieben Tage die Woche. Feiertage Fehlanzeige. Wir sind immer online, vernetzt, am
Start! Das Credo der Digitale Natives: ‚Offline bist du schon noch früh genug!’ Dein Leben ist
nicht im hier und jetzt, dein Leben ist, wo die anderen sind. Ohne Gruppe – keine Identität, ohne
Freunde – geht gar nicht. Überhaupt, Freunde sind nicht im klassischen Sinn als Weggefährten zu
verstehen. Sie sind eben online, sie wissen was du gerade machst und manchmal zeigen sie auch,
dass sie Anteil an deinem Leben nehmen. Sie kommentieren Aktionen, weisen auf Aktionen
anderer hin und helfen tatkräftig mit, bei der kontinuierlichen Aufrechterhaltung eines virtuellen
Netzwerkes. Du bist – weil sie sind. Sie sind – weil du bist. Eine fantastische so noch nie
60 Ilona K. Schneider, Lernfenster Kindergarten, http://www.bundestag.de/dasparlament/2009/45/Beilage/006.html
61 Gerald Hüther in: Elke Ostbomk-Fischer, Menschenbild und Medienbildung, Killerspiele im Diskurs zwischen
Wissenschaft und Praxis
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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dagewesene Definition von Freundschaft und trotzdem für jeden ‚analogen’ Zeitgenossen nur
bedingt erfassbar, mehr noch – eher beängstigend.“i
Vergleiche mit den Ausführungen des Anthropologen Gregory Bateson (Ex-Ehemann von
Margaret Mead) bieten sich an. Er erörtert das generelle Versagen der Briten, Autorität
(Zuständigkeit) an die indische Bevölkerung zu delegieren. Dabei greift er zu einer
überraschenden Metaphorik: paternalistische britische Kolonialherren und ihre kindlichen
indischen Untertanen.62
„Das wichtigste Experiment, das bisher in puncto Anpassung der Beziehungen zwischen
‹hochstehenden› und ‹minderwertigen› Völkern durchgeführt wurde, ist der Umgang der Russen
mit ihren asiatischen Stämmen in Sibirien. Die Ergebnisse dieses Experiments stützen sehr stark
die Schlussfolgerung, dass es äusserst wichtig ist, bei dem überlegenen Volk das Zuschauen und
beim minderwertigen Volk die Zeigelust zu fördern. Zusammengefasst kann man sagen, was die
Russen getan haben, ist, die eingeborene Bevölkerung anzuregen, die Eingeborenenkultur
wiederzuerwecken, und dabei bewunderten sie die veranstalteten Tanzfeste und andere
Darstellungen der Eingeborenenkultur wie Literatur, Poesie, Musik usw. Diese Haltung des
Zuschauens wird dann natürlich auch auf andere Leistungen der Eingeborenen, zum Beispiel in
der Produktion und Organisation, ausgedehnt.
Wenn sich der weisse Mann hingegen selbst als Modell sieht und die eingeborene Bevölkerung
ermutigt, ihn zu beobachten, um herauszufinden, wie die Dinge gemacht werden sollten, dann ist
das Ergebnis, dass bei den Eingeborenen schliesslich nativistische Kulte spontan
hervorspringen. Das System bekommt ein Übergewicht, wenn nicht ein kompensatorischer
Mechanismus geschaffen wird, und dann wird die Wiedererweckung der eingeborenen Künste,
Literatur usw. zu einer Waffe, die gegen den weissen Mann eingesetzt werden kann. (Solche
Phänomene, vergleichbar mit Ghandis Spinnrad, können auch in Irland und anderswo
beobachtet werden.) Wenn hingegen das herrschende Volk selbst die Erweckungsbewegung der
Eingeborenenkultur stimuliert, ist das System als Ganzes viel stabiler, und der Nativismus kann
nicht gegen das dominierende Volk eingesetzt werden.“
Auch Anleihen aus der „Tiefenökologie“ könnten bei „Avatar“ Pate gestanden haben: „
Die Gaia-Hypothese wurde von der Mikrobiologin Lynn Margulis und dem Chemiker,
Biophysiker und Mediziner James Lovelock Mitte der 1960er-Jahre entwickelt. Sie besagt, dass
die Erde und ihre gesamte Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden kann; in dem Sinn,
dass die Biosphäre – die Gesamtheit aller Organismen – Bedingungen schafft und erhält, die
nicht nur Leben, sondern auch eine Evolution komplexerer Organismen ermöglichen. Die
Erdoberfläche bildet demnach ein dynamisches System, das die gesamte Biosphäre durch
Rückkopplungsmechanismen stabilisiert. Diese Hypothese setzt eine bestimmte Definition von
Leben voraus, wonach sich Lebewesen insbesondere durch die Fähigkeit zur Selbstorganisation
beziehungsweise Autopoiesis auszeichnen. Die Bezeichnung leitet sich von Gaia, der Erdgöttin
und Großen Mutter der griechischen Mythologie, ab. …
Der Begründer der Gaia-Hypothese, James Lovelock, bemerkt dazu:
62 Vgl. „Gregory Bateson und das OSS: Der Zweite Weltkrieg und Batesons Beurteilung der angewandten Anthropologie“ von David H. Price ( Das Office of Strategic Services (OSS), deutsch: Amt für strategische
Dienste, war ein Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten von 1942 bis 1945.) David H.
Price ist Professor am St. Martin’s College, Lacey, Washington.
„Das OSS wurde von Präsident Roosevelt am 13. Juni 1942 eingerichtet und war der direkte institutionelle
Vorgänger der CIA. Über zwei Dutzend Anthropologen arbeiteten für das OSS während des Krieges, unter ihnen E.
Wyllys Andrews IV, William Bascom, Gregory Bateson, Lloyd Cabot Briggs, Carleton Coon, Cora DuBois, Anne
Fuller, Nelson Glueck, Gordon Hewes, Frederick Hulse, Olov Janse, Felix Keesing, Alexander Lesser, Edwin Loeb,
Leonard Manson, Mark May, Alfred Métraux, George Murdock, David Rodnick, Morris Siegel, Richard Starr,
David Stout, Morris Swadesh und T. Cuyler Young. Es gab eine grosse Vielfalt in der Art der Arbeit, die diese
Einzelpersonen tätigten – sie umfasste Anweisungen als Linguisten, Spione, Finanzplaner, Wirtschaftsweise und
Analysten von Auslandnachrichten.“
Aus: Zeit-Fragen, www.zeit-fragen.ch, Nr.35 vom 30.8.2010
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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‚Wenn ich von einem lebendigen Planeten spreche, soll das keinen animistischen Beiklang
haben; ich denke nicht an eine empfindungsfähige Erde oder an Steine, die sich nach eigenem
Willen und eigener Zielsetzung bewegen. Ich denke mir alles, was die Erde tun mag, etwa die
Klimasteuerung, als automatisch, nicht als Willensakt; vor allem denke ich mir nichts davon als
außerhalb der strengen Grenzen der Naturwissenschaften ablaufend. Ich achte die Haltung
derer, die Trost in der Kirche finden und ihre Gebete sprechen, zugleich aber einräumen, dass
die Logik allein keine überzeugenden Gründe für den Glauben an Gott liefert. In gleicher Weise
achte ich die Haltung jener, die Trost in der Natur finden und ihre Gebete vielleicht zu Gaia
sprechen möchten.’
Im Zuge der Ökologiebewegung hat die Gaia-Hypothese viele Anhänger in der Hippie- und
New-Age-Bewegung gefunden. Hier wird die Erde gelegentlich als ‚beseelter’ Organismus
dargestellt, der – wie eine Erdgöttin – bestraft und belohnt.“63
Wenn sich ökologisch verantwortungsbewußt gebende Menschen in den Na’vi des Films
„Avatar“ eine Zukunftsperspektive für die Menschheit sehen, dann wirft das schon die Frage auf:
Was ist der tiefere politische Sinn, dem Menschen alles abzusprechen, was ihn zum Menschen
macht, und ihn zu einer (Stammes)Spezies im Banne einer Göttin zu degradieren?64
Was sind jedoch unsere wirklichen Probleme?
Erinnert sei an das Treffen der „Weltenlenker“ aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die auf
Einladung von Gorbatschow im September 199565 in Kalifornien für das nächste Jahrhundert
eine 20:80-Gesellschaft geplant haben. Eine weltweite Arbeitslosigkeit von 80 Prozent(!), für
welche die globale Wirtschaft selbstverständlich keinerlei soziale Verantwortung übernehmen
wird, wurde in diesem illustren Kreis für unser Jahrhundert kühl berechnet und prognostiziert.
Für die entwickelten Industrieländer ist eine Zukunft ohne nennenswerten Mittelstand geplant.
Die einzige Sorge der Weltenlenker besteht darin, wie diese Masse der 80% einigermassen ruhig
gehalten werden kann. Zbigniew Brzezinski (der derzeitige Berater von Obama) hat daher in
diesem erlauchten Kreise für die 80% „Tittytainment“ (eine Mischung aus betäubender
Unterhaltung und ausreichender Ernährung) vorgeschlagen. Geplant ist also eine global
organisierte, der nackten Profit- und Raubgier dienende Gesellschaft. Scheint auch zu klappen –
RTL und Sat1 mit DSDS, „Reich und Schön“, Avatar, PC-Spiele World of Warcraft und
grenzenloser Online.Chat etc. schaffen das schon!ii
Immerwährendes Wachstum ist weder in der Natur noch sonst wo möglich. Wachstum ist heute
eine Grösse, die für die Mehrheit der Völker nicht mehr von vorrangiger Bedeutung ist, da nicht
die arbeitende Bevölkerung, sondern nur noch eine kleine Minderheit vom Wachstum profitiert.
Hinzu kommt, dass Wachstum nicht mehr durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern fast
nur noch durch Investitionen am Finanzmarkt stattfindet.
Die zusätzliche Entwicklung betrifft die Netzwerke der Superreichen und deren Strategien. Eine
relativ kleine Elite kontrolliert die weltweiten Finanzströme, die sich in Trillionen bewegen und
behauptet – klarer ausgedrückt: lässt über ihre Netzwerke mit riesigem finanziellen Aufwand
behaupten – dass kein Geld mehr da wäre. Alle müssten effizienter arbeiten, und die sozialen
Errungenschaften seien nicht mehr finanzierbar.
Auf zwei- bis dreitausend wird weltweit die Zahl der Superreichen geschätzt, die jeweils mit
Vermögen von über 200 Milliarden Dollar die heutigen Machtzentren bilden. Ihre Macht üben
sie mit dem Auf- und Ausbau mächtiger Netzwerke aus. Hans-Jürgen Krysmanski, der sich mit
der Erforschung der Machteliten beschäftigt, sagt dazu im Interview auf die Frage:
63 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gaia-Hypothese
64 Vgl. auch http://www.tiefenoekologie.de/index.php?p=1503
http://www.vegan-central.info/showthread.php/16-Tiefen%C3%B6kologie-%C3%9Cber-das-Lebewesen-Gaia
65 Vgl. Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand ist ein Sachbuch von Harald
Schumann und Hans-Peter Martin, das 1996 veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Autoren
Redakteure des Nachrichtenmagazins Der Spiegel.
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Welchen gesellschaftlichen und politischen Einfluß besitzen die Superreichen und welche Kanäle
benutzen sie dabei?
„Die Sache ist aber viel ernster. Die amerikanische Herrschaftsstrukturforschung (Power
Structure Research) hat ziemlich überzeugend die Pfade nachgewiesen, wie in dieser
›mächtigsten Demokratie der Welt‹ heute die zentralen politischen Entscheidungen ablaufen.
Und dieses Herrschaftsmodell ist, wie McDonald’s, ein Exportschlager geworden. Auch in
Berlin versucht man sich ja an einer Kopie. Die Richtlinien der Politik werden in der USA in
Netzwerken festgelegt, die weitaus dauerhafter sind (auch was das Personal angeht) als die
jeweiligen Präsidentschaften. Es ist völliger Unsinn, den jeweiligen amerikanischen Präsidenten
als den ›mächtigsten Mann der Welt‹ zu apostrophieren. Wir sehen ja, wie Clinton oder Bush
und all die anderen und demnächst Obama und vielleicht einmal Sarah Palin im
(wohlgepolsterten) Machtvakuum verschwinden. Nein, in einer Demokratie hat entweder das
Volk die Macht – und möglicherweise wären dann derzeit tatsächlich die Amerikaner (was nicht
besonders erhebend wäre) das mächtigste Volk der Welt – oder die Macht hat sich in ganz
anderen, langlebigen Herrschaftsstrukturen eingenistet. ‚Die Debatte über die Bestimmung
Amerikas’, sagte Al Gore im Präsidentschaftswahlkampf 2000, ‚wogte immer zwischen denen,
die allein aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung das Recht des Regierens beanspruchten, und
denen, die an die Souveränität des Volkes glaubten.’
Das amerikanische Power Structure Research hat für die USA die entscheidenden
Gesetzgebungsverfahren untersucht und gezeigt, wie Superreiche und Konzerne durch
Fördermittel, Forschungsaufträge, Personal, die wichtigsten Universitäten, Stiftungen und
Denkfabriken in der Hand haben. Und von diesen Institutionen her wird »die Wirklichkeit
definiert», werden Handlungsmöglichkeiten eingegrenzt und das politische Weltbild bestimmt.
Über die Elite-Universitäten, die großen Stiftungen und Think Tanks [Denkfabriken] wird ein
großer Teil des ›Einflußgeldes‹ verteilt, von dort kommen die ›Experten‹, die in einem Geflecht
von formellen und informellen Diskussions- und Planungsgruppen Gesetzesvorlagen vorbereiten
usw. Die Expertisen landen dann bei den Parteien, in Ausschüssen. Geld plätschert in die
Wahlkassen der Abgeordneten und Senatoren und in die offenen Hände der Meinungsmacher. So
ist relativ sichergestellt, daß nur Regelungen und Gesetze der ursprünglichen ›Auftraggeber‹
realisiert werden, wie sich leicht am Umgang mit der Finanzkrise, mit der Gesundheitskrise, mit
der Ökokrise und an den zunehmenden Frustrationsanzeichen bei Barack Obama ablesen läßt.“iii
Gleichgültig ob man anonyme Systemprozesse annimmt oder individuell handelnde Akteure
oder gar eine Kombination von beidem: Technologien sind in einer von krassen ökonomischen
Ungleichheiten gekennzeichneten Welt keine neutralen Instrumente. Sie bewirken sowohl eine
quantitative Konzentration als auch eine qualitative Ausweitung der Herrschaft. Die
überkommenen Strukturen der westlichen Gesellschaften sind mit ihren demokratischen
Kontrollen eher auf das „Low tech“ als auf das „High tech“ der Macht ausgelegt. Dies kann man
am Beispiel der Entwicklung der Kriegstechnologien deutlich feststellen.
In Zeiten, als man riesige Heere zum Sieg brauchte, musste man zuerst die patriotischen Gefühle
einer ganzen Gesellschaft stimulieren. Menschenmassen so weit zu bringen, dass sie freiwillig
ihr Leben opferten, war immer ein langwieriges und kostspieliges Unterfangen. Massenheere
und allgemeine Wehrpflicht gehören heute deshalb der Vergangenheit an. An ihre Stelle treten
kleine hochspezialisierte, mit Spitzentechnologie ausgerüstete Einheiten. Das macht das Führen
von Kriegen gefährlich einfach. Eine ganze Nation muss gar nicht mehr überzeugt werden. Wer
heute über Spitzentechnologie verfügt, erwirbt gleichzeitig die Freiheit, sich den Konsequenzen
seines Handelns zu entziehen. Er kann es sich erlauben, Dinge zu ignorieren, die in der
Vergangenheit sehr wichtig waren. Und das ist eine grosse Gefahr für die Demokratie.
Die heutige internationale Wirtschaft ist deshalb so erfolgreich bzw. macht deshalb so riesige
Gewinne, weil die Hindernisse für die Produktivität des Kapitals immer mehr aus dem Weg
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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geräumt werden – weil das Kapital zum Selbstzweck geworden ist und nur noch absolutes
Machtstreben im Vordergrund steht. Auf dieses totale Machtstreben soll am Beispiel
Deutschlands näher eingegangen werden. Die Deutschen mussten sich immer wieder der
Schande stellen, die durch das totale Machtstreben des grossdeutschen Reiches überliefert
wurde. Über Generationen hinweg ist die Erinnerung an das Leid, das anderen Völkern und dem
eigenen Volk zugefügt wurde, wach gehalten worden. Dies ist ein Teil der deutschen Geschichte,
aber haben wir nicht die Verantwortung, uns mit dem zugrundeliegenden Problem – der
Autoritätsgläubigkeit – stärker auseinanderzusetzen? Ist es nicht unsere Aufgabe, uns dafür
einzusetzen, dass blinder Gehorsam nicht mehr vorkommen darf – weder in Deutschland noch in
anderen Ländern? Wäre das nicht wirkliche Wiedergutmachung? Dies scheint bis heute nicht
erstrebenswert zu sein. Man hat den Eindruck, dass man in Deutschland einen Schuldigen
gefunden hat, der immer herhalten muss für sein blindes Gehorchen im Dritten Reich. Dabei
verlangt man heute das Gleiche von allen Völkern.
Das Autoritätsproblem, das Oben und Unten, beherrscht weiter die ganze Welt – bis auf immer
wiederkehrende Ausnahmen: Frankreich und Holland haben diesmal die Autoritätsgläubigkeit
durchbrochen und gezeigt, dass Widerspruch möglich ist – eine geschichtliche Leistung, die
Folgen haben wird, wenn andere Menschen und Völker ebenfalls diese Reife zeigen.
Von den Mächtigen können wir keine Einsicht erwarten. In ihrer Verantwortungslosigkeit sind
sie auf dem besten Weg, die Erde immer unbewohnbarer zu machen. Man denke nur an das
Wirtschaftspotential Chinas, wobei wir davon ausgehen, dass das chinesische Volk den gleichen
Anspruch auf Wohlstand hat, den wir in den westlichen Ländern haben. Der notwendige
Ressourcenbedarf für das 1,3-Milliarden-Volk ist dermassen gross, dass doch für jeden einsichtig
sein muss, dass der neoliberale Weg der totalen Konkurrenz und des Konsums einer Korrektur
bedarf. Ein Umdenken im Interesse aller Menschen ist erforderlich. Dennoch werden die
Mächtigen ihre Macht nicht aufgeben; sie sind viel zu stark in den Komplex der Macht
eingebunden und können in der Regel nicht ausbrechen. Das Ausbrechen aus der Gefangenschaft
der Lügen und Verdrehungen und des eigenen Strebens nach Oben dagegen ist möglich. Durch
das Bewusstmachen der Strukturen des heutigen Systems können wir das System zwar nicht
verlassen, aber wir stabilisieren es auch nicht mehr durch blindes Mitmachen, sondern sind in
der Lage, Lücken zu erkennen, die aus der Autoritätsgläubigkeit herausführen.
Die totalitäre Gefahr wird auch von dem bereits erwähnten amerikanischen Soziologen Richard
Sennett gesehen. Die Entwicklung der Gesellschaften hin zu undemokratischen Strukturen
bezeichnet er als „soft fascism“.66
Wirkungen
Selbstmord wegen “Avatar”
Einige Hardcore-Fans von “Avatar” halten Pandora bereits für so real, dass sie lieber auf dem
fiktiven Mond leben wollen als auf der in ihren Augen vergleichsweise tristen Erde.67 Und dafür
würden sie auch vor extremen Mitteln nicht zurückschrecken. So heißt es in einem Internetforum
für Fans beispielsweise:
“Nachdem ich ‘Avatar’ das erste Mal gesehen hatte, wurde mir richtig schlecht, als ich hinterher
erkennen musste, dass Pandora gar nicht existiert. Ich würde alles tun um unserer Wirklichkeit
zu entkommen und stattdessen auf Pandora zu sein. Am liebsten würde ich mich selbst ins Koma
versetzen um in meinen Träumen dort zu leben!“
Freitod für Wiedergeburt auf Pandora
66 Vgl. Gisbert Otto; Desinformation als Strategie der Macht, Zeit-Fragen Nr.29 vom 18.7.2005
67 http://www.kino.de/news/selbstmord-wegen-avatar/284252.html
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Solche Gefühle können überhaupt nur entstehen, weil James Camerons mit großer Liebe zum
Detail auf die Leinwand gezauberte Computerwelt so real wirkt, wie keine CGI-Schöpfung
zuvor. Ein anderer Fan geht sogar noch einen Schritt weiter:
“Ich denke Tag und Nacht an die Ereignisse im Film und die Tränen, die ich deswegen
vergossen habe. Wenn ich Selbstmord begehen würde, vielleicht würde ich dann in einer
ähnlichen Welt wie Pandora wiedergeboren werden und alles wäre so wie in ‘Avatar’!”
Meist sind solche Aussagen bloß schwärmerische Fantasien versponnener Jugendlicher – und
nicht nur die Macher von “Avatar” hoffen, dass das auch so bleibt. Außerdem: Wer den Geist
von “Avatar” ein bisschen auf der Erde spüren will, für den gibt’s schließlich deutlich sinnvollere
Wege als Koma oder Selbstmord: einfach auch hier wie die Na’vi leben, mit großem Respekt vor
und in Einklang mit dem Heimatplaneten …
3D – eine gesundheitlich nicht unbedenkliche „Neuerung“
Technisch gesehen steht Avatar derzeit an der technischen Spitze des digitalen Kinos.
Gemeinsam mit James Cameron hat Jon Landau die Firma Lightstorm Entertainment, Inc., die
digitale Produktionsinstrumente entwickelt, um 3D-Filme und ihren digitalen Vertrieb für einen
großen Markt realisieren zu können, gegründet. In einem Interview mit Filmstarts wird er
gefragt: Hochentwickelte CGI-Technik kombiniert mit 3D-Effekten – ist das die Zukunft des
Kinos?
Jon Landau: Ich denke, dass wir mit unserer Technik eine Tür auch für andere Filmemacher
geöffnet haben, Geschichten zu erzählen, die anders nicht erzählt werden können. Peter Jackson
und Steven Spielberg haben uns am Set besucht. Wir haben sie unser System austesten lassen
und nun benutzen sie es bei „Tim und Struppi“. Außerdem glaube ich allgemein, dass 3D die
Zukunft ist – alle werden sich in diese Richtung hinbewegen. Und zwar nicht nur im Bereich
Film. Heutzutage verbringen wir die meiste Zeit am Tag damit, auf Bildschirme zu starren. Im
Büro, auf dem Mobiltelefon, auf dem Fernseher oder halt im Kino – ich denke, dass all diese
Bildschirme definitiv in Richtung 3D gehen werden.
„Der Sciene-Fiction „Avatar“ schreibt Kinogeschichte.68 Der teuerste Film aller Zeiten sprengt
alle Besucherrekorde. Doch Augenexperten warnen – insbesondere auch Kontaktlinsenträger –
vor 3D-Filmen: Sie können schwere Kopfschmerzen auslösen.
Die schöne neue Technik nützt wenig ohne perfektes Sehen, so der Berufsverband der
Augenärzte Deutschlands. Um das dreidimensionale Vergnügen zu genießen, müssen auch die
Augen der Zuschauer richtig aufeinander abgestimmt sein. Doch allein in Deutschland haben
rund vier Millionen Menschen Probleme mit dem dreidimensionales Sehen. ‚Wir sehen aus
unterschiedlichen Blickwinkeln wahrgenommene Bilder mit dem rechten und dem linken Auge’,
erklärt Prof. Dr. Joachim Esser von der Universitäts-Augenklinik Essen. Viele Menschen haben
ein Ungleichgewicht zwischen den Augenmuskeln, das im Alltag vom Gehirn gut ausgeglichen
werden kann.
Doch bei 3D-Filmen kann das Hirn die gewünschte Leistung nicht bringen, die Augen versuchen
sich anzupassen um die optische Illusion der Dreidimensionalität zu erzeugen. Die extreme
Anstrengung für das Gehirn kann bei den Betroffenen schwere Kopfschmerzen auslösen.
Anstrengend ist auch die Länge des Filmes, der immerhin knapp drei Stunden dauert. Augenarzt
und Kopfschmerzexperte Peter Höh rät Kinozuschauern daher, darauf zu achten, dass sie
genügend Flüssigkeit zu sich nehmen. Da so eine 3D- Brille deutlich angenehmer mit
Kontaktlinsen zu tragen ist, als über eine Brille, sollten gerade Leute, die ihre Linsen selten
tragen besonders aufpassen. Linsenungeübte oder empfindliche Augen neigen bei
Flüssigkeitsmangel stark zur Trockenheit. Nicht nur eine Flasche Wasser – auch
68 http://www.seeside.de/blog/3-d-filme-und-kontaktlinsen.php
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Nachbenetzungstropfen sollten daher eingesteckt werden. So ein Kinobesuch ist laut Peter Höh:
‚Höchstleistung für Augen und Gehirn’.“
„Der Chefarzt der Augenklinik von Merheim, Norbert Schrage, sagt: Es kann zu epileptischen
Anfällen kommen und ‚Kopfschmerzen bei 3D-Filmen sind bekannt’. Denn die Augen
bekommen eine ungewohnte Wahrnehmung aufgezwungen.“69
Wir brauchen eine Schulung für den Frieden70
„Die Menschenwürde ist die Quelle der Menschenrechte. Aber die Quelle der Menschenwürde
befindet sich anderswo, nämlich in der Metaphysik des Menschen, in der Religion, in der
Spiritualität, in der Ethik. Die Normen des Völkerrechts sind nur die Gebrauchsanweisung für
die Umsetzung der Menschenrechte. Also liefert uns der normative Positivismus nicht alle
Lösungen. Es sind vor allem die Erziehung zur Würde und zum Respekt des anderen und die
Erziehung zum Frieden und zur Solidarität, die die Menschheit vor der Barbarei retten können.
Dies beinhaltet eine wahre Umerziehung, um uns von der uns umgebenden Kriegskultur zu
entfernen, der Gewaltkultur, der Kultur der Videospiele, die voller Gewalt und Aggression sind,
Spiele, die die heutige Jugend vergiften.
Die normative Entwicklung beim Schutz der Frauen und Kinder in bewaffneten Konflikten ist
weitreichend und komplex. Schon das Haager Abkommen von 1907 (4. Haager Konvention) ist
in den Artikeln 46–52 auf den Schutz der Zivilbevölkerung ausgerichtet, wie auch die Martens-
Klausel in der Präambel. Die Vierte Genfer Konvention von 1949 und die Protokolle von 1977
haben den Schutz stark verbessert. Aber die normative Entwicklung ist nicht auf das Humanitäre
Völkerrecht beschränkt, da die Menschenrechte in Friedenszeiten wie in Kriegszeiten gültig sind.
Somit kann der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte während eines
bewaffneten Konfliktes angerufen werden (zum Beispiel Artikel 3, 6, 17, 24) sowie die
Übereinkommen gegen Folter, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassischer
Diskriminierung. Diese Konventionen haben Expertenorgane eingerichtet, die die periodischen
Berichte der Mitgliedstaaten überprüfen und die individuellen Gesuche beurteilen. Seit über 30
Jahren wurde eine gültige Rechtsprechung ins Leben gerufen. Es gibt auch einen
Folgemechanismus.
Ich bin persönlich mit dem Sonderberichterstatter für die Umsetzung der Rechte, Andreas
Mavrommatis, nach Jamaika gereist, und wir hatten eine gute Zusammenarbeit mit der
Regierung. Leider sind die Feststellungen des Menschenrechtskomitees jedoch nicht strictu
sensu zwingend. Die meisten Mitgliedstaaten dieses fakultativen Protokolls akzeptieren jedoch
die Beschlüsse des Komitees. Das Problem liegt woanders – oft haben sie für die praktische
Umsetzung keinen nationalen Mechanismus zur Verfügung. Dafür müssten spezifische Gesetze
angenommen werden, wie das Gesetz 288 von 1996 in Kolumbien.
Die Vergewaltigung von Frauen ist in allen Rechtsprechungen ein Verbrechen. Leider passiert
dies trotzdem immer wieder im Rahmen bewaffneter Konflikte. Das internationale Strafrecht
anerkennt, dass es sich dabei nicht nur um ein Kriegsverbrechen, sondern auch um ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. So lautet die Rechtsprechung des Internationalen
Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofs für
Ruanda.
Man darf nicht ausser acht lassen, dass man auch auf sehr viel «soft law» und Recht «de lege
ferenda» (eine Rechtssituation, die unter einem erst noch in Kraft zu setzenden Gesetz gelten
wird) trifft. Unter anderem die Erklärung von Luarca über das Menschenrecht auf Frieden von
69 http://www.nn-peg.de/artikel.asp?art=1164075&kat=14
70 Alfred de Zayas, www.alfreddezayas.com, Nr.19 vom 10.5.2010 © 2006 Genossenschaft Zeit-Fragen, Professor
Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas ist US-Amerikaner, ehemaliger Sekretär des Uno-Menschenrechtsausschusses,
ehemaliger Chef der Beschwerdeabteilung im Büro des Uno-Hochkommissars für Menschenrechte.
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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2006 und die Erklärung von Bilbao von 2010, die Frauen und Kinder als besonders verletzliche
Gruppen anerkennen. Diese Erklärungen richten sich gegen die strukturelle Gewalt und den
Krieg als die grossen Geisseln der Menschheit. Aber si vis pacem, cole justitiam. Wenn man den
Frieden will, muss man die Gerechtigkeit pflegen. Auch die Universität von Berkeley hat ihr
Projekt 2048 lanciert, das die Menschenrechte ganzheitlich angeht, das Menschenrecht auf
Frieden inbegriffen, und die Schaffung eines internationalen Gerichtshofes für Menschenrechte
anstrebt. Die Millenniumsziele fordern in den Artikeln 3, 4 und 5 den Schutz der Frau und die
Reduktion der Kindersterblichkeit.
Wir stellen fest, dass die Normen und Mechanismen bereits vorhanden sind. Natürlich muss man
sie besser kennen, sie in den Schulen lehren, sie in der Praxis stärken. Was uns noch fehlt, ist
eine Garantie für deren Umsetzung. Dafür braucht es eine grössere Mobilisierung der
Zivilgesellschaft. Die Opfer müssen ihre Rechte einfordern. Es ist in der Tat eine Bürgerpflicht,
gegen Menschenrechtsverstösse zu protestieren. Wenn man Verstösse toleriert, ermutigt man die
Folterer. Wir brauchen vor allem einen Paradigmenwechsel, der die Kultur des Krieges
zurückweist und an ihrer Stelle eine Kultur des Friedens fördert. Wir brau^^chen folglich eine
Schulung für den Frieden.“
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Anhang
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/0,2828,469238-3,00.html
5.03.2007
Second-Life-Millionärin
Interview mit einem Avatar
Von Anja Tiedge
Ailin Gräf hat es geschafft. Im Onlinespiel Second Life verdiente sie so viel, dass sie
inzwischen in China 50 Mitarbeiter davon beschäftigt. manager-magazin.de traf sich mit
ihrem Avatar Anshe Chung und sprach mit ihr über echten Umsatz und falsche
Hoffnungen.
mm.de: Wie lange leben Sie schon in Second Life?
Chung: Ich bin seit fast drei Jahren hier. Vorher war ich in anderen virtuellen Welten: Zuerst in
Asheron’s Call, danach in Shadowbane und Star Wars Galaxies. In diesen Online-Fantasiespielen
haben wir Avatare oft sehr brutale Kriege geführt – trotzdem waren die Spieler zumeist viel
netter zueinander als hier.
mm.de: Das heißt, in Second Life herrscht Psychokrieg?
Chung: In Second Life gibt es zwar keine Kriege mit Waffen. Dafür gibt es hier viele Intrigen
und Dinge, die auch im echten Leben passieren – nur manchmal noch hemmungsloser. Status,
Macht und Ansehen sind hier sehr wichtig. Daneben auch Eitelkeit, Neid und Selbstdarstellung.
Im Spiel Shadowbane werden solche Sachen mit einem Krieg gelöst und danach zusammen mit
den Mitspielern gelacht. In Second Life fehlt leider so ein spielerisches Ventil.
mm.de: Das klingt nicht so, als ob Ihnen das Leben hier noch Spaß machen würde. Warum sind
Sie noch in Second Life?
Chung: Das Glas ist doch halb voll, nicht wahr? Irgendwann entwickelt man ein dickes Fell und
ignoriert diese Aspekte mehr oder weniger. Ich finde diesen Vergleich aber interessant, weil man
den Konflikt normalerweise in einer “brutalen Kriegsspielwelt” erwartet und nicht in einer
“friedlichen sozialen Welt”.
mm.de: War Neid auch ein Grund für die virtuelle Phallusattacke während einer
Pressekonferenz?
Chung: Ja, dieser Angriff diente dazu, Aufmerksamkeit zu erheischen. Diese Leute sind für alle
möglichen idiotischen Sachen bekannt, auch für sexuelle Angriffe in Second Life. Eigentlich
hätte ich das gerne ignoriert, aber der Vorfall wurde in den Medien und im Internet verbreitet.
Jemand hat ausgerechnet, dass Google über das Tochterunternehmen YouTube ein halbe Million
Dollar mit den Werbeeinnahmen dieser Videos verdient hat.
mm.de: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Second Life mit Land- und Immobilienhandel
Geld zu verdienen?
Chung: Anfangs war es nicht mein Ziel, Geld zu verdienen. In den ersten drei Monaten hatte ich
einfach nur Spaß: Ich machte Mode und verdiente Linden-Dollar für wohltätige Zwecke. Ich
denke es ist sehr wichtig, eine Zeit lang in Second Life zu leben, bevor man ein Geschäft
aufbaut. Irgendwann kaufte ich geschäftlich Land und verkaufte es mit Profit. Zusammen mit
meinem Mann habe ich mir das Konzept genau angeschaut, analysiert und mehr und mehr mit
Land gehandelt.
- Teil: Hostessen und Party-DJs inklusive
mm.de: Sie haben nach eigenen Angaben bereits mehr als eine Million Dollar in Second Life
verdient. Liegt das Geld noch auf Ihrem virtuellen Konto, oder haben Sie es schon umgetauscht?
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Prominenter Avatar Chung: “Anfangs wollte ich kein Geld
verdienen”
Chung: Ein Teil ist bereits in echte Dollar transferiert. Das Geld
existiert zunächst nur theoretisch – aber der Firmenwert von
Computerfirmen wie SAP oder Microsoft ist schließlich auch
abstrakt. Immerhin weiß ich, was man heute für virtuelles Land
bezahlt.
mm.de: Könnten Sie Ihr gesamtes Second-Life-Vermögen auf einen Schlag in US-Dollar
umtauschen, oder würde das die “Volkswirtschaft” des Landes nicht vertragen?
Chung: Für Second Life wäre das überhaupt kein Problem. Mein gesamter Landbesitz ist
weniger wert als das Umsatzwachstum, das Second Life innerhalb von drei bis vier Wochen
generiert. Im absolut schlimmsten Fall würde Linden Lab ein paar Wochen lang weniger
Simulatoren, also virtuelles Land, anfügen. Aber abgesehen davon, dass ich in weniger als 14
Tagen alles verkaufen könnte, werde ich das natürlich nicht tun.
mm.de: Von dem umgetauschten Geld haben Sie in China Ihr eigenes Unternehmen aufgebaut,
die Anshe Chung Studios (ACS). Können Sie das Geschäftskonzept erklären?
Chung: Wenn beispielsweise ein Unternehmen ein Second-Life-Grundstück mit eigenen
Gebäuden bestücken möchte, kann es sich ein Konzept für die Insel, das Grundstück oder die
Immobilie erstellen lassen – entweder von uns, einer Unternehmensberatung oder einer
Marketingagentur. Dann entwickeln wir ein Gebiet: Landschaft, Gebäude und alle möglichen
Dinge, die sich der Kunde wünscht.
Außerdem bieten wir den Support und das Personal an, wie Hostessen, Verkäufer, Party-DJs und
so weiter. Momentan bieten wir diesen Service für Second Life und IMVU an. Das ist ein 3DInstant-
Messenger mit Avataren, der leichter zu benutzen ist als Second Life. Aber dort bin ich
noch nicht Millionärin, deshalb haben die Medien noch nicht darüber geschrieben (zwinkert
virtuell).
mm.de: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie?
Chung: Im Moment haben wir rund 50 Mitarbeiter. Innerhalb des letzten Jahres ist ACS
entstanden und enorm gewachsen. Vor zwölf Monaten waren wir nur zu zweit und es gab die
Spieler in Second Life als freie Mitarbeiter. Damals gab es noch kein wirkliches
Entwicklungsteam, das so etwas wie den Tower hätte bauen können, in dem wir gerade sitzen. - Teil: “Second Life wird überall sein”
mm.de: Ihr Mann ist in Deutschland geboren, Sie haben lange Zeit hier gelebt. Warum haben
Sie das Unternehmen in China errichtet und nicht in Deutschland?
Interview mit Chung in Second Life: “Ein Ort, der nicht ständig
weiterentwickelt wird, wird nicht mehr besucht”
Chung: Dafür gibt es mehr als einen Grund. Die Firma muss auf
dem internationalen Markt konkurrenzfähig sein. In Deutschland
gibt es leider viele Vorschriften und langsame
Genehmigungsverfahren. Alles ist sehr teuer – ob Büro,
Rechtsanwalt oder Mitarbeiter. Mein Mann und ich haben viele
Leute gefragt und die Standorte verglichen. Für unsere Firma war es einfach viel besser, in China
anzufangen.
mm.de: Was kostet es ein Unternehmen, seinen Auftritt von ACS gestalten zu lassen?
Chung: Normalerweise kostet ein Auftritt 5000 bis 10.000 US-Dollar. Mit diesem Preis sind wir
unschlagbar und auch sehr gut ausgebucht. Zurzeit suchen wir 30 neue Mitarbeiter in Wuhan.
mm.de: Wie hoch sind Umsatz und Gewinn?
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Chung: Das möchte ich nicht sagen. Ich kann aber verraten, dass wir profitabel sind und ein
Wachstum von mehr als 10 Prozent pro Monat haben.
mm.de: Können Sie Unternehmen aus dem “ersten” Leben dazu raten, Second Life als
Marketingplattform zu nutzen?
Chung: Natürlich ist der Hype um das Spiel momentan besonders groß. Es gibt aber viele Fälle,
in denen es Sinn macht, Second Life als Plattform zu nutzen. Ein Unternehmen sollte versuchen,
in Interaktion mit den Bewohnern zu treten. Das erreichen die meisten allerdings nicht. Ich
warne besonders vor sogenannten One-off-Kampagnen, bei denen ein Auftritt in Second Life
entwickelt und dann nichts mehr daran geändert wird. So funktioniert das aber nicht, denn in
Second Life wird ein Ort, der nicht ständig verändert wird, nicht mehr besucht. Daher ist es
wichtig, dass der Auftritt weiterentwickelt und jeden Monat etwas Neues geboten wird – ein
Produkt, ein Spiel oder eine Attraktion.
mm.de: Wie sieht in Ihren Augen die Zukunft von Second Life aus – und welche Rolle wird
Anshe dabei spielen?
Chung: Second Life – oder etwas Besseres als Second Life – wird irgendwann so realistisch,
dass die menschliche Wahrnehmung es nicht mehr von der Realität unterscheiden kann. Es wird
überall sein und stärker präsent im normalen Alltag als heute das Internet.
Für meine Zukunft hoffe ich, dass ich vielen Menschen dabei helfen kann, in der virtuellen Welt
kreativ zu sein und gemeinsam mit den anderen Bewohnern Spaß zu haben oder ein gutes
Geschäft aufzubauen. Auf jeden Fall wird meine Zukunft nicht nur in der virtuellen Welt liegen.
Jugendliche suchen Tod
VON HELMUT HETZEL
Gent – “Sie reden über Selbstmord als wollten sie nur das Hemd wechseln.71 Sie schaukeln sich
über ihre Chat-Sessions auf dem Internet dermaßen hoch, dass sie sich dann tatsächlich
umbringen wollen.” Das berichtet eine 45jährige Flämin, die allerdings anonym bleiben will. Die
Frau, die selbst Ärztin ist, und mit ihrer Familie im flämischen Gent wohnt, erzählt, dass sie in
den letzten Monaten “durch die Hölle” gegangen ist. Denn ihr 17-jähriger Sohn unternahm vier
Selbstmordversuche. Er konnte viermal gerettet werden. “Ich war am Ende. Es kam so weit, dass
ich zu ihm sagte: Entweder du bringst dich jetzt wirklich um oder du lässt dir helfen.”
Ihr Sohn hat sich für das Leben entschieden. Er ist jetzt in einer psychiatrischen Abteilung eines
Krankenhauses, wo er sich behandeln lässt und wo er langsam aber sicher von seinem Suizid-
Syndrom geheilt wird. Das wichtigste aber ist, dass er von seinem Selbstmord-Club, der Chatbox
im Internet und der so genannten Emo-Bewegung völlig abgenabelt wurde.
Emo-Subkultur im Netz
Die Abkürzung Emo steht für das englische “Emotion” (Gefühl). Unter dem Kürzel chatten
immer mehr Jugendliche im Internet. Nach Angaben der Genter Ärztin gibt es im Internet eine
Emo-Subkultur in der Jugendliche fast ausschließlich nur über Selbstmord debattieren und
Selbstmorde systematisch planen. “Mein Sohn gehörte dieser Emo-Bewegung, die über das
Internet verbunden ist, an.” Er ist nicht der Einzige. Denn in Flandern haben vier weitere
Jugendliche, die in der gleichen Emo-Chatbox miteinander kommuniziert haben wie der Sohn
der Ärztin, auch Selbstmordversuche unternommen. Auch sie konnten gerettet werden.
Die Vorgänge in Gent erinnern in fataler Weise an das, was in Wales geschehen ist. Dort
ereignete sich eine regelrechte Selbstmordserie unter Jugendlichen, die offenbar der gleichen
Emo-Bewegung angehörten wie die Jugendlichen in Belgien. “Glücklicherweise ist mein Sohn
jetzt in der Klinik. Aber als ich kürzlich hörte, was in Wales geschehen ist, bekam ich
71 http://www.selbstmordforum.de/wbboard/thread.php?threadid=19263&sid=a58a113395a575f18c05488d2392f9de
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Schüttelfrostanfälle”, sagt die Ärztin und hofft, dass ihre Kollegen in der Psychiatrie ihrem Sohn
den Lebensmut zurückgeben können.
ZDFinfokanal: Weshalb sind Emos die am wenigsten gemochte Jugendkultur?72
Martin Büsser: Emos werden nicht nur vom Mainstream kritisch beäugt, das ist bei anderen
Jugendkulturen ja auch der Fall. Bei Emos kommt hinzu, dass die Abneigung vor allem von
anderen Jugendkulturen kommt.
ZDFinfokanal: Lassen sich Emos klar definieren? Schließlich gibt es auch innerhalb der Szene
heftige Diskussionen.
Martin Büsser: Nein. Auch das macht für viele den Hass aus. Musik steht nicht mehr im
Zentrum, Emos können sich nicht in eine bestimmte politische Richtung artikulieren. Zudem ist
die Emo-Bewegung die erste Jugendkultur, die unter den neuen Bedingungen entstanden ist,
quasi im Internet. Dort wurde die Community aufgebaut. Dieser Schritt rauszugehen, als Person
am Szeneleben teilzunehmen, fällt weg. Hier gehört man schon dazu, wenn man virtuell am
Szeneleben teilnimmt. Genau dieses Ungreifbare ist meiner Meinung nach der Grund für die
Ablehnung.
ZDFinfokanal: Haben Emos ein neues Männerbild entworfen?
Martin Büsser: Nein, neu ist das nicht. Das Spiel mit der Androgynität kennt man von New
Romantic, Gothic oder auch aus der Glam Rock-Bewegung. David Bowie zum Beispiel. Was bei
Emos neu ist, ist das junge Alter. Früher waren es Popstars, heute sind es Kids.
Das Interview wurde geführt von Monja Eigenschenk
http://www.ksta.de/html/artikel/1187344803058.shtml
Marke „Emo“
Von MARCEL WEYRICH, 24.08.07, 11:54h
„Emo“ ist Modetrend, Musikstil, Lebenseinstellung und überall präsent – ob bei Mädchen
oder Jungs. Die wenigsten befassen sich jedoch damit, was Emo eigentlich ist. Kann man
einfach so Emo werden?
Sie tragen alles, was irgendwie schwarz ist: Totenköpfe, in das Gesicht gekämmte schwarze
Haare und schwarz umrandete Augen. „Emo“ in jeglicher Form ist schon längst eine
Modeerscheinung. Letztens kam ein Bekannter auf mich zu und meinte, er wolle jetzt auch ein
Emo werden.
Das Äußere kann ja schon mal gar nicht so schwer sein, also begebe ich mich auf die Suche nach
dem ultimativen Emo-Style. Ein Mitarbeiter von „MadeIn“ am Rudolfplatz berät mich. MadeIn
ist eigentlich ein Skaterladen, aber auch viele Emos kommen hierher. „So etwa dreißig am Tag,
und immer in Gruppen“, sagt der Verkäufer. Er drückt mir eine Standard-Emoausrüstung in die
Hand: schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt mit Aufschrift, eine schwarze Weste mit aufgestickten
pinken Blumen, ein schwarz-weiß kariertes Käppi und natürlich Slipper von „Vans“ – der Emo-
Schuhmarke schlechthin.
Die Schuhe und die Klamotten erfolgreich angezogen, stecke ich mir noch ein Piercing an die
Lippe und setze zu guter Letzt das Käppi auf. Jetzt sehe ich aus wie ein Emo. Aber bin ich es
jetzt auch?
Emo ist auch eine Lebenseinstellung und so mache ich einen Test im Internet, der durch 16
Fragen herausfinden soll, ob ich Emo bin oder nicht. Das Ergebnis: „Du bist nicht Emo, aber du
hast Emo-Ansätze. Wenn du wirklich einer werden willst, dann schaffst du das!“ Weiter geht die
Suche.
72 http://infokanal.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,7911182,00.html
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Den Klischees nach scheint es ganz einfach zu sein: Emos sind depressiv, heulen ohne Ende und
ritzen sich den ganzen Tag in die Unterarme. „Ich kenne wenige, die sich wirklich ritzen“,
erklärt mir Patrick Schmitz (16), der durch Freunde zum Emo wurde. Einst zählte er sich zu den
Hip-Hoppern, aber mit der Zeit merkte er, dass er sich unter Emos viel wohler fühlt. „Die Leute
sind netter“, sagt er, die Hip-Hopper hätten sich ständig gegenseitig gedisst.
An seinem ersten Tag als Emo hat Patrick in der Schule verschiedene Erfahrungen gemacht.
„Meine Lehrerin dachte, ich sei Anarchist“, so Patrick. Er machte aber auch positive
Entdeckungen, denn „man fällt einfach mehr auf.“ Tatsächlich schrieb ihn in einer Internet-
Community vor kurzem jemand zum ersten Mal an, der eigentlich schon seit sechs Jahren auf die
gleiche Schule geht.
Aufzufallen bedeutet aber manchmal auch, auf der Straße dumm angemacht zu werden. „Dabei
wissen viele Emo-Hasser nicht mal, warum sie schimpfen.“
Trotz regelrechtem Dresscode gibt Patrick sich nicht komplett dem Emo-Trend hin, denn seine
Haare sind immer noch nussbraun. „Ich darf sie mir nicht färben, aber selbst wenn, wollte ich es
auch nicht“, meint Patrick. Er hat noch einen Zwillingsbruder, David, der ebenfalls Emo ist.
Beide sagen, dass es zwei Arten von Emos gibt. Zum einen die, die übermäßig über das Leben
nachdenken. Die anderen sind einfach Emo, weil es „in“ ist. David weiß, dass „die meisten Leute
da einfach drauf stehen“. So viel zu Emo als Trend. Nur wo bleibt da Emo als
Lebenseinstellung?
„Man kann nicht entscheiden: »Ab heute bin ich Emo«, man muss einen Grund haben“, sagt Jan
Schroers (20). Er erzählt mir von vielen Leuten, die sagen, sie hätten schon mal an Selbstmord
gedacht oder die sich ritzen, nur um dazuzugehören. Für ihn „gibt es einfach nicht genug Leute,
die diese Themen ernst nehmen“. Für Jan bedeutet Emo sein, über die negativen Erlebnisse und
die Fehler im Leben tiefgründig nachzudenken, mehr als es vielleicht andere Menschen tun
würden. Der Emo reflektiert und sagt sich: „Hey, o. k., das ist jetzt ein negatives Erlebnis in
deinem Leben, und es ist ein Teil von dir. Du musst damit weiterleben.“
Dieses Denken ist es, das auch Jan als Emo auszeichnet. Musik gehört für ihn absolut dazu.
„Man soll nicht nur die Emo-Musik hören, sondern Text und Melodie sollen ans Herz gehen“,
betont er. Nicht ohne Grund steht „Emo“ für emotional. Die Texte sollen zum Nachdenken
anregen und gehen auf Themen wie Liebe, Trauer, Verzweiflung und Alltagsprobleme ein. Die
Musik ist ein wichtiger Bestandteil in seinem Leben. Umso mehr setzt ihm die fortgeschrittene
Kommerzialisierung von Emo zu. „Emo hat sich in ein Klischee verwandelt“, bedauert er. Er
war in der Szene drin, nahm aus diesem Grund allerdings später wieder Abstand. „Emo existiert,
aber zu viele wollen es sein.“
Es geht also um mehr als nur darum, ein paar schwarze Klamotten anzuziehen und traurig zu
gucken – so einfach ist Emo werden dann doch wieder nicht.
Selbst frisch im neuen Stil eingekleidet, sehe ich persönlich für den Emo-Modetrend keine große
Zukunft. Mode geht meistens so schnell wieder, wie sie gekommen ist. Lediglich die Farbe
Schwarz wird als Klassiker überdauern – wohl nur ohne Totenköpfe. Was Emo als
Lebenseinstellung angeht, sieht die Lage schon anders aus. Immer schon haben Menschen über
das Leben philosophiert und intensiv darüber nachgedacht. Shakespeares emotionale Sonette
sind auch heute noch aktuell.
Die Themen, um die es in den Sonetten sowie in der heutigen Musik geht, also Liebe und
Verzweiflung, werden auch zukünftig nicht aussterben. Ob diese Musik dann immer noch Emo
heißen wird, ist eine andere Frage. Vielleicht werde ich über so viele Gedanken rund um diesen
Trend ja eines Tages doch noch Emo – ganz so, wie der Test es mir prophezeit hat.
Emotional Hardcore
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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„Emo“ steht für „emotional Hardcore“ und stammt eigentlich aus der Musik-Szene. Bereits
Anfang der 80er Jahre begannen Bands aus der Hardcore / Punk-Szene, offen Emotionen und
Gefühle in ihren Songs zum Ausdruck zu bringen. Vorläufer der Emo-Bewegung waren Bands
wie „Rites of Spring“ oder „Minor Threat“, die als erste Hardcore-Gruppen den harten
Punkelementen einen melodiöseren Part beimischten.
Dieser Hardcore-Stil bildete sich heraus, weil viele Jugendliche die damalige Art der Punkszene
mit dem übermäßigen Drogenkonsum und auch die “We have No Future-Einstellung nicht
teilten. Man wollte sich vom Punk der 70er Jahre abspalten. Der „emotional Hardcore“ war
somit geboren. „Emo“ tat sich spätestens mit der Entdeckung von „Sunny Day Real Estate“
Mitte der 90er Jahre als eigener Musikstil hervor. Die Texte handeln von Liebe, Trauer,
Verzweiflung, aber auch oft von Alltagsproblemen. Heutige bekannte Emo-Bands sind unter
anderem „Mozart Season“ und „My Chemical Romance“.
Mittwoch, 10. September 2008
Porno mit acht, Sex mit zwölf Hypersexualisierte Jugend
Jana war 12 Jahre alt, als sie zum ersten Mal einen Jungen in ihr Kinderzimmer einlud – zum
Sex. Jessie führt mit 17 Jahren Buch über ihre Liebhaber, 51 sind es bisher. Und Hendriks
Mutter ist stolz, dass ihr Sohn einen Job als Pornodarsteller in Aussicht hat. Diese
Lebensgeschichten sind nur einige Beispiele aus dem neuen Buch “Deutschlands sexuelle
Tragödie”, das in Berlin vorgestellt wird. Darin warnen die Autoren Bernd Siggelkow und
Wolfgang Büscher vor einer frühreifen, hypersexualisierten Jugend, die nicht mehr zu
Partnerschaften fähig sei. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) will
Einzelfälle nicht bezweifeln. Ein Massenphänomen sei das aber nicht.
Die jüngste repräsentative Umfrage zur Jugendsexualität in Deutschland hatte die Forscher sogar
eher erleichtert. Nur zehn Prozent der Jungen und Mädchen gaben darin an, mit 14 oder früher
erste sexuelle Erfahrungen gesammelt zu haben. Nachdem das Alter beim “ersten Mal” bis in die
90er Jahre immer weiter sank, seien die Werte seit dem Jahr 2000 relativ konstant geblieben,
berichtet Sprecherin Marita Völker-Albert.
30 wahre Geschichten
Bernd Siggelkow, Gründer des Kinderhilfswerks “Arche” im Ostberliner Stadtteil Hellersdorf,
bietet sich ein völlig anderes Bild. Die “Arche”-Kinder kommen oft aus Familien, in denen die
Mütter keine Arbeit haben und die Väter verschwunden sind. In 30 “wahren Geschichten”, in
denen lediglich die Namen geändert sind, erzählt Siggelkow von Achtjährigen, die mit ihren
Müttern Pornos anschauen, oder von 14-Jährigen, die Liebhaber an ihre Mütter weiterreichen.
Viele Mütter vermittelten schon Zehnjährigen die Vorstellung, dass der Körper das wertvollste
Kapital sei, kritisiert Siggelkow. Viel Sex werde so zum Maßstab für Erfolg im Leben. Dazu
kämen die Sexseiten im Internet oder Porno-Filmchen für das Handy. “Die Kinder können die
vielen Sex-Infos gar nicht einordnen”, sagt Siggelkow. “Die Kluft zwischen körperlicher und
geistig-psychischer Sexualreife wird immer größer.” Als Folgen fürchtet er mehr Gewalttaten
und eine beziehungsunfähige Generation.
Beim Bundesverband der Sexualberatungsstelle Pro Familia gibt es zum Thema sexuelle
Verwahrlosung keine bundesweiten Untersuchungen, aber Einzelstudien zum Bereich
Pornografie. Bei einer repräsentativen Umfrage in Rheinland-Pfalz gaben 2006 dort 60 Prozent
der 11- bis 18- Jährigen an, Pornos aus dem Internet zu kennen. Die Reaktionen schwankten
zwischen Ekel und Interesse. Oft seien Jugendliche aber erleichtert, wenn sie erführen, dass
Pornofilme nicht die Realität sexueller Beziehungen abbildeten, berichtet ein Sozialarbeiter.
Seine Aufgabe sieht er darin, Jugendlichen Medienkompetenz zu vermitteln – und den
Unterschied zwischen Realität und virtueller Welt.
© Werner Schramm Höchstadt 7/2010
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Gruppensex spielen statt Verstecken
Bernd Siggelkow würde gern Handys verteilen, mit denen Kinder nur telefonieren können – und
sonst nichts. Er fordert mehr Freizeit- und Jugendeinrichtungen und Grenzen bei der
Computernutzung. Was er in der “Arche” erlebt, schockt ihn manchmal noch immer. Neulich
spielte eine Gruppe Kinder nicht mehr Verstecken, sondern Gruppensex. Acht kleine Jungs
warfen sich nacheinander auf ein Mädchen. Nach den Schilderungen im Buch ist auch
Verhütung bei den “Arche”- Jugendlichen ein Fremdwort. Sie glauben, dass warme Cola oder
ein Sprint um den Block gegen Babys hilft. Siggelkow warnt deshalb auch vor mehr Teenager-
Schwangerschaften. Die Zahlen beim Bundesamt für Statistik belegen das noch nicht. 733
Mädchen, die 15 Jahre waren oder jünger, bekamen bundesweit 2007 ein Kind. Das ist die
niedrigste Zahl seit dem Jahr 2000. Die Abtreibungsquote ist nicht gestiegen.
Gesamtgesellschaftliches Problem
Für völlig aus der Luft gegriffen hält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Siggelkows Beobachtungen dennoch nicht. “Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, vor
allem in schwierigen sozialen Milieus”, sagt Sprecherin Völker-Albert. In verwahrlosten
Familien gebe es Probleme mit Alkohol, Drogen, Medienkonsum, Ernährung – und eben auch
mit Sexualität. “Es gibt aber keine seriöse Studie, die einen Trend zu sexueller Verwahrlosung
bestätigt”, ergänzt sie.
Bernd Siggelkow, früher Pastor bei der Heilsarmee, sieht sein Buch auch nicht als Studie, eher
als aufrüttelnde Momentaufnahme. Viele “Arche”-Kinder wünschten sich für später eine eigene
Familie, mit Vater, Mutter, Haus und Auto, berichtet er. Diese Träume zerstörten oft die eigenen
Mütter. “Dat is wat für die anderen”, sagen sie.
Bernd Siggelkow, Wolfgang Büscher: Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr
lernen, was Liebe ist, GerthMedien, 187 Seiten, 14,95 Euro
Ulrike von Leszczynski, dpa Adresse: http://www.n-tv.de/1021351.html
i http://www.3sat.de/page/?source=/neues/sendungen/magazin/141624/index.html
ii http://www.gala.de/: “Ob Hollywood-Premiere, Cocktailparty in New York oder Fashion-Party in Paris. Sehen Sie
hier, welche Stars sich auf welcher Party amüsieren“
„Star-Style: Cooler Armschmuck! Du stehst total auf Ketten, Bänder oder Reifen an deinen Armen? Die Stars auch!
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iii Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31762/1.html 29. 12. 09 Teil I