Höchstadts Kulturkino wehrt sich gegen Medienmultis
Werner und Ulrike Schramm beklagen Technikbevormundung durch Filmindustrie
HÖCHSTADT – Das Ziel ist einfach: Werner und Ulrike Schramm, die Betreiber des Höchstadter
Kulturkinos, möchten die Filme zeigen, die sie sich aussuchen. Dabei scheitern sie aber an
Technikvorgaben der großen US-Filmverleiher aus Hollywood. Das Ehepaar wehrt sich.
Für Werner und Ulrike Schramm sind die Bedingungen der großen Filmverleiher ein Schritt auf dem Weg zum umstrittenen TTIPFreihandelsabkommen. Sie haben eine Petition für Technikfreiheit gestellt. © Fotos: Edgar
Pfrogner
In diesem gallischen Dorf gibt es rote Kinositze und bequeme Sofas. Ähnlich wie Asterix im
Comic kämpfen Ulrike und Werner Schramm vom Kulturkino in der Koslinger Straße gegen
eine große Übermacht. Ihre Römer sind die sogenannten „Majors“ aus den USA. 2002 haben sich die DCI (Digital Cinema Initiatives) gegründet, bestehend aus den wichtigsten Hollywood-Filmstudios. Produzenten und Verleiher versuchen seither durch „Technikbevormundung“, wie Werner Schramm es nennt, ihre Monopolstellung zu sichern.
2015 haben auch die letzten deutschen Filmverleihe das Herstellen und Verschicken analoger Kopien
eingestellt. Die Filme Streifen sind jetzt ausschließlich digital erhältlich. Der Server für die digitalen Filme im Kulturkino ist auf dem neuesten Stand und wäre mit der DCI-Technik durchaus
kompatibel.Dabei geht es nicht nur um Star Wars und Co.. Ein kleines Beispiel: Der deutsche Film „Honig im Kopf“ wird über einen amerikanischen Filmverleih verbreitet. Der wiederum liefertaber nur an Kinos aus, deren Server konform sind mit der Technik DCI und ganz bestimmten Standards entsprechen.
Anschaffungspreis laut Schramm: zwischen 80 000 und 100 000 Euro.
Das kann sich das kleine Kulturkino in Höchstadt mit gerade mal um die 30 Sitzplätze natürlich nicht
leisten. Es wird betrieben von einem kleinen Verein mit acht Mitgliedern rund um das Ehepaar
Schramm. An einer Digitalisierung kamen sie natürlich trotzdem nicht vorbei. Vor zwei Jahren hat
Schramm deshalb einen Player angeschafft, den das Fraunhofer-Institut entwickelt hat. Stephan Wein,
Softwareentwickler und Webadministrator der Leipziger Cinémathèque, hat außerdem einen Aufsatz
und eine Software entwickelt, die es dem Server ermöglicht DCI-Technik abzuspielen. Kostenpunkt:
etwa 5000 Euro.
Die Systeme sind also kompatibel. „Honig im Kopf“ würde problemlos laufen. Aber es ist eben nicht
konform wie es die „Mayors“ fordern. Sie begründen ihren Standpunkt mit Sicherheits- und
Qualitätsstandards. Darüber kann Werner Schramm allerdings nur schmunzeln. Online-Streaming
widerlege täglich die Sicherheit der DCI-Technik und die Qualität habe zu Videozeiten auch
niemanden interessiert. Wieso dann also jetzt?
„Hier wirft das Freihandelsabkommen TTIP schon seine Schatten voraus“, meint Schramm. „Es scheint
um die Übernahme des gesamteuropäischen Marktes zu gehen. Freie Kinobetreiber könnten dabei die
freie Marktentfaltung à la TTIP nur stören.“
Anders als in den Vereinigten Staaten ist der Film in Deutschland als Kulturgut geschützt. Und als
solches auch förderungswürdig. Deshalb wurde die Digitalisierung der Kinosäle aus öffentlichen
Töpfen mitbezahlt. Das Ehepaar Schramm kritisiert, dass nur dann Gelder fließen, wenn es sich um
DCI-konforme Systeme handelt. „Das im rein privatwirtschaftlichen Interesse durchgesetze US–
amerikanische Geschäftsmodell wird mitfinanziert.“
Viele kleine Kinos seien deshalb gezwungen gewesen, auf DCI umzurüsten. Wenn aber ein DCIProjektor
kaputtgeht oder die Technik sich weiterentwickelt, sind sie dann weiterhin auf die teuren
Produkte der Hersteller angewiesen, um mithalten zu können. „Da werden bald viele Lichter
ausgehen“, befürchtet Schramm..
Schramms würden gerne auf Augenhöhe mit allen Verleihern verhandeln. Um dieses Ziel zu erreichen
haben sie eine Petition gestellt „Für Technikfreiheit in Europa“. Sie hat 127 Unterstützer aus aller Welt
gefunden. Aber es sollen eben noch mehr werden. Die filmpolitische Sprecherin der Grünen im
Bundestag, Tabea Rösner, hat zwei schriftliche Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Als Antwort
kam das Argument, es würden von den Kinobetreibern fast ausschließlich DCI-Systeme nachgefragt.
Dies liegt laut Schramm aber an den US-amerikanischen Vorgaben.
Und Asterix hat auch direkt nach Rom geschrieben. In einem Protestbrief hat sich Werner Schramm an
die Firma Warner gewandt. Er hat sogar Antwort bekommen. Darin wird klar: Für die Verleihfirma
sind alle auf DCI-konforme Technik umgestellten Häuser Kinos, alle nicht-konformen Häuser laufen
unter „alternative Spielstätten oder Fanclubs“. Helfen tut das nichts. Und deshalb bleibt das Kulturkino
ein gallisches Dorf an der Aisch.
CLAUDIA FREILINGER
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