Brief an Präsident Putin zur Inklusion
Verein Förderung der Filmkultur e.V.
c/o Ulrike und Werner Schramm
Beethovenstr. 8
D-91315 Höchstadt/Aisch
T 015122563883
Email: Werner51@t-online.de
An den
Präsidenten der
Russischen Förderation
Wladimir Putin persönlich
23, Ulitsa IIyinka
103132 Moskau
Russia
Sehr geehrter Herr Präsident,
vor einigen Wochen hatten wir die Gelegenheit, die Stadt Nishni Nowgorod zu besuchen. Dort
waren wir in zwei Schulen zu Gast, und zwar in der Gehörlosenschule mit Internat, in der die
wunderbare Pantomimengruppe Piano ihr Domizil hat (die im Mai vorigen Jahres in unserem
Landkreis gastierte) und im Gymnasium Nr. 1 mit verstärktem Deutschunterricht.
Wir waren beeindruckt von der gemeinschaftlichen Atmosphäre, die in diesen Einrichtungen
herrschte, und vom hohen fachlichen Niveau nicht nur der Schüler, sondern auch der Schulführung.
Ein bleibendes Erlebnis war für uns der Besuch in der Linguistischen Fakultät und der
Gedankenaustausch mit dem Dekan für Germanistik. Wir alle waren uns sehr einig, daß nur der
Dialog zwischen Völkern und Nationen ein friedliches und förderliches Miteinander für unsere
Zukunft bringen kann. Deshalb möchten wir Sie unserer Hochachtung versichern und werden Ihr
Engagement und Ihr Land in allen – gerade außenpolitischen – Fragen unterstützen. Die Hetze, die
bei uns in Deutschland von hochrangigen Parteienvertretern und ihnen ergebenen (US-geführten)
Medien ausgeht, ist uns zuwider und wir wenden uns entschieden dagegen. Die geschürten
Feindseligkeiten geschehen nicht in unserem Namen.
In den Bildungseinrichtungen – ich selbst war lange Jahre Gymnasiallehrer – wurden wir
herzlich aufgenommen und fühlten uns mit den Lehrenden und Lernenden eng verbunden.
Wohltuend war es auch, in ihrem Äußeren gepflegte Kinder und Jugendliche zu erleben und
konnten den Stolz auf ihr Land deutlich nachfühlen. Es wird russisches Liedgut gepflegt und man
unterrichtet noch mit Tafel und Kreide: Jahrzehntelang habe ich so Generationen von Absolventen
hier in Deutschland erfolgreich zum Abschluß geführt.
In Deutschland vollzieht sich gerade ein Ruin von Kultur und Bildung dadurch, daß
ideologisch gefärbte („Reform-“)Strömungen Eingang gefunden haben. Wir möchten nicht, daß
Rußland den gleichen verderblichen Weg geht. Die „Kulturrevolution“ im Bildungswesen ist das
scharfe Schwert, mit dem das Land von innen heraus ausgehöhlt wird und übernommen bzw. in die
Knie gezwungen werden soll. Pussy Riot wird zum Beispiel in Deutschland hofiert und in den USA
von politisch Verantwortlichen als „Freiheitskämpferinnen“ gefeiert! Sie, verehrter Herr Präsident,
haben zum drohenden Untergang des Westens – auch in seiner Gottlosigkeit und des Verlustes der
ethischen Werte – vor allem in Bezug auf die Jugend Wesentliches gesagt, was ich hier nicht
wiederholen möchte.
Es gibt allerdings Entwicklungen, die unsere Besorgnis hervorrufen, weshalb wir uns an Sie
wenden und hoffen, daß Sie unsere Befürchtungen verstehen. Es gibt eine Entwicklung in
Deutschland, die sich Inklusion nennt.
Inklusion – was sie anrichtet
Wenn die Gehörlosenschule in Nischni Nowgorod eine Inklusion nach westlichem Vorbild
durchführen müßte, wäre das das Ende der breiten Entwicklungsmöglichkeiten für diese Kinder.
Wieso muß erst das Lernniveau nachweislich sinken, um dann erkennen zu müssen, daß es ein
Irrweg war? Behinderung ist keine gesellschaftliche Zuschreibung, wie es hier in Deutschland
behauptet wird, sondern jedes Kind hat Anspruch auf bestmögliche Förderung.
Gerade in Deutschland wurden verschiedenste Förderschultypen entwickelt, Schulen mit
Steuermitteln hervorragend sowohl baulich, als auch mit speziell geschulten Fachkräften
ausgestattet. Ein taubstummes Kind bedarf einer anderen Förderung, als ein normales Kind. Statt
dem Rechnung zu tragen, werden in Deutschland neuerdings Lehramtsstudenten, so hört man,
lediglich in einer Art sonderpädagogischem Zusatz„modul“ auf heterogene Schülergruppen
vorbereitet, das heißt, daß behinderte Kinder zusammen mit normal entwickelten Kindern
unterrichtet werden sollen.
Solche Lernguppen bedeuten an sich eine massive Überforderung für alle Beteiligten und
„funktionieren“ nur dadurch, daß die Leistungsanforderungen reduziert werden. Eine Hilfestellung
und damit eine individuelle Forderung und Förderung einzelner Schüler – als Teil einer
pädagogisch geführten Klassengemeinschaft – wird mit dieser diffusen utopischen
Gleichheitsideologie nach Meinung von Experten sogar eher verhindert. Wer es sich leisten kann,
schickt sein Kind auf eine Privatschule. Es erscheint am Ende eine Auslieferung unserer Kinder an
eine gnadenlose Ellbogengesellschaft entwurzelter und vereinsamter Menschen, in der
allgemeingültige Werte der Mitmenschlichkeit keinen Platz mehr haben (sogenanntes
„Humankapital“). Erst werden die bewährten Strukturen zerstört (wozu auch die Laptopklassen
gehören) und später dann die Menschen nach Brauchbarkeit aussortiert (Gesellschaft – auch Schule
– soll wie ein Unternehmen geführt, wie bei Bertelsmann nachgelesen werden kann).
Es gab beispielsweise bei uns eine Schule für Körperbehinderte mit zwei ausgebildeten
Lehrkräften auf sechs Schüler in zwei durch Glas getrennten Räumen in großzügigen Räumen
inmitten einer Parklandschaft – sie wurde aufgelöstt!
Derzeit wird nicht nur in Deutschland mancher mit der Moralkeule als
diskriminierungsverdächtig bearbeitet, der an den über Jahrzehnte mit viel Sachkunde mühsam
aufgebauten und bewährten Förderschulen (in Rußland Korrekturschulen) zu Recht festhält.
Angeblich, so wird behauptet, verlange beispielsweise der Artikel 24b der UNBehindertenrechtskonvention
die „inklusive“ Beschulung Behinderter und Nicht-Behinderter und
damit eine weitgehende Beseitigung des deutschen Sonderschulwesens, denn das verstoße gegen
das Diskriminierungsverbot der Konvention. Allerdings wird im besagten Text mit keinem Wort ein
besonders Schulsystem vorgeschrieben. Es soll vielmehr für Behinderte, die in Teilen der Welt
keine angemessene Beschulung erhalten, diese fehlende Möglichkeit sichergestellt werden. Zudem
wird in Artikel 5.4 der Konvention klargestellt, daß keine Diskriminierung darin zu sehen ist, wenn
es besondere Betreuungsmaßnahmen für Behinderte gibt. Eigentlich sagt schon der gesunde
Menschenverstand, daß jede Behinderung einer besonderen fachkundigen Analyse und Betreuung
bedarf. Gerade in Deutschland wurden differenziert verschiedenste Förderschultypen entwickelt,
Schulen mit Steuermitteln hervorragend sowohl baulich, als auch mit speziell geschulten
Fachkräften ausgestattet..
Eine Pilotstudie der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich beweist, daß die
sogenannten Integrationsklassen bei Leistungstests schlecht abschneiden. Eltern werden leider
oftmals auch durch die Politik verunsichert, tatsächlich aber ist es der von ihr durchgesetzte
neoliberale Umbau unserer Gesellschaft nach US-Vorbild, der in der Tat ausgrenzt. Statt
Einheitsschule haben unsere Kinder einen Anspruch auf Erziehung und Bildung, statt bloßer
Kompetenzen – ein Recht auf eine bestmögliche Beschulung in einer von zwischenmenschlichem
Vertrauen und strukturierender Fachkompetenz getragenen pädagogischen Beziehung zwischen
Lehrer und Schüler als Kern von Lernen und schulischer Entwicklung.
Deshalb nehmen zunehmend Eltern von behinderten Kindern diese aus den Inklusionsschulen
heraus, weil sie dort nicht die Förderung erhalten, die vom Stand der Fachwissenschaft aus möglich
wäre.
Hinzu kommt die Veränderung der Rolle des Lehrers. In Deutschland hat man den Lehrer zum
Coach erklärt, zum Lernbegleiter vereinzelter, isoliert an Computern werkelnder „Schüler“, und ihn
als „Steuermann“ der Klassengemeinschaft entzogen . Kleine, leistungshomogene und
jahrgangsorientierte Lerngruppen jedoch, wie im Gymnasium Nr1 in Nishnij Nowgorod, und
individuelle, klassenbezogene Zusammenarbeit sind wichtige Grundlagen erfolgreichen
Zusammenlebens und -lernens.
Die Bedrängung von Lehrern und Schülern hin zu heterogenen Lerngruppen sollte nicht
angefangen, und wo sie bereits praktiziert wird, schnellstens beendet werden! Bitte setzen Sie sich
dafür ein, daß die diesbezüglichen Diktate aus Regierungskreisen zurückgenommen werden! Eine
leistungs- und lernfreudige Jugend wird es Ihnen danken.
In der Hoffnung, daß unser Schreiben auf einen verantwortungsbewußten Mitarbeiter in Ihrem
Umfeld trifft, der gewillt ist, sich mit allen Fasern seines Herzens der weiteren Einführung der
unseligen Inklusion entgegenzustemmen, verbleiben wir
Mit freundlichen Grüßen