Leserbrief zu „An Halloween denken, daß der Tod besiegt ist“, NN 29.10.2016
Künftig eine Kirche der Beliebigkeit mit Liebesgrüßen aus Gütersloh?
Ulrike und Werner Schramm
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Höchstadt, den 29.10.2016
Nordbayerische Nachrichten
Herzogenaurach
Protestantismus hat auch etwas mit Protest zu tun. Und der ist mit dieser Anbiederung an die
„Spaßgesellschaft“ (Margot Käßmann) allemal vonnöten. Seit Mitte der 50er Jahre laufen
Bestrebungen, unsere tradionellen kulturellen Bindungen zugunsten des US-amerikanischen
Marktradikalismus in den Gemütern der jungen Generationen auszutauschen und als „American
Way of Life“ zu verankern. Die sog. „Horror-Clowns“ sind dabei nur das Symptom einer
gelungenen Auflösung des einstmals in Deutschland breiten, deutlichen Anti-Gewaltkonsenses, zu
dem auch die klare Ablehnung einer aggressiven, Krieg akzeptierenden Außenpolitik gehörte. 1994
wurde eine Kampagne aus der Spielwarenindustrie heraus gestartet. Mit Hilfe von „Halloween“
konnte die weitere Amerikanisierung unsere Gesellschaft vorangetrieben werden.
Die deutliche Drohung an die Erwachsenen „Gib Süßes – sonst gibt es Saures“ verweist auf die
gelungene Umerziehung in unserer Gesellschaft: Gewaltausübung durch Mobbing, Vandalismus
etc. wird nicht nur mittels privater Fernsehprogramme als „Spaß“faktor angeleitet. Die gesteuerte
Umwandlung unserer christlichen Wertegrundlagen hin zur „Marktgängigkeit“ scheint als deren
Relativierung, Beliebigkeit auch in Kirche angekommen zu sein. Das stromlinienförmige Buhlen
um die Gunst der jungen Generation läßt dabei Kirche zunehmend zur schreierischen
Marketingorganisation verkommen, die in „Konkurrenz“ mit den quietschbunten, massenmedialen
Angeboten treten soll. Der Kniefall vor dem „Wettbewerbsstreben“ löst Identifikationen auf, führt
Kirche so in die wachsende Bedeutungslosigkeit hin zu einem multikultuellen Allerlei. Tragende
(Werte)Fundamente unserer christlichen Kultur, wie sie in Festen notwendig erfahrbar waren, sind
längst einer Umerziehung zum Opfer gefallen: St. Martin wird zum Sonne-Mond-und-Sterne-Fest,
ein „Weihnachtsmarkt“ andernorts behördenseits in „Winterfest“ umbenannt. Und hat die EUKommission
nicht seinerzeit drei Millionen Schülerkalender drucken lassen, in denen weder
Weihnachten noch Ostern vermerkt sind?
Eine offensichtlich im Hintergrund wirkende Agenda dieses Wandels stellt die Bertelsmann-
Stiftung mit ihrem „Religionsmonitor“ dar. Alle Weltreligionen werden dort, so Matthias
Burchardt, „an einem einzigen kulturgebundenen(!) Maßstab gemessen und damit deren Vielfalt
und Inkommensurabilitäten (Unvergleichbarkeiten) eingedampft“. Im Kern des Monitors tickt ein
totalitär verordneter funktionalistischer Religionsbegriff: Religion erscheint im Fokus des Monitors
als bloßes „Sozialkapital“, also eine globale Quelle des Zusammenhalts, welche zur
Aufrechterhaltung sozialer und individueller Funktionalität „unternehmerisch“ bewirtschaftet
werden muss. Besteht hier nun die Brücke zu „Halloween“? Dabei ist gerade infolge der von
Bertelsmann mitinspirierten neoliberalen „Reformen“ mit gnadenlosem Wettbewerb der soziale
Zusammenhalt durch grassierende Armut und das Wegbrechen der Mittelschicht auch in
Deutschland labiler geworden.1
Bertelsmann erscheint dabei als sog. „Reformmotor“ in die wesentlichen informellen
internationalen und transatlantischen (Kultur)Machtzirkel eingebunden. „RTL“ und „Stern“ können
dabei als „Flaggschiffe“ der Propaganda hin zum Verlust – auch unserer – kulturellem Identität
bezeichnet werden. Deutlichen Widerstand gegen die Ökonomisierung der Kirchen bzw. von
Umformungsprozessen hin zu einem marktgerechten (Unterhaltungs)Konzern mit angehängtem
Glauben gibt es etwa auch auf Pfarrerverband.de oder auf Kirchenbunt.de..
1 Vgl. Matthias Burchardt, Das Wort Gottes und der Zahlenteufel Zum Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung,
http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/allgemeines/das-wort-gottes-und-der-zahlenteufel.php