American Way of Life – Kriegspropaganda durch Multimedia total?
Die Abfütterung des Publikums mit “Tittytainment” ist eine schon seit lange bekannte Strategie in der Unterhaltungsindustrie, die nie unpolitisch war; allerdings fand der Sündenfall Hollywoods, ein Wertebruch mit tradierten Vorstellungen von Familie und Gewalttabu erst in den späten 60er Jahren statt. So war politisch gesehen beispielsweise Rambo einer der Filme zum amerikanischen Vietnam-Trauma, dessen Bedeutung ein Amerikaner deutlich beschreibt: “Endlich zahlen wir den Kriegsveteranen unsere Schuld zurück. Wir hätten sie damals besser empfangen sollen. Der Film räumt ein für alle Mal mit den Frustrationen unserer Vergangenheit auf.”[1]
Die neue Angriffsstrategie der NATO wird nicht minder deutlich medial unterstützt. Kein geringerer als der Ehemann von Barbara Streisand fungiert als Produzent und Hauptdarsteller der Kriegs-Propagandaserie “Pensacola – Flügel aus Stahl”. Aus der Film-Werbung eines deutschen Privatsenders Kabel 1: “Nach Pensacola, Florida, kommen nur die besten Piloten der freien Welt. Dort werden sie zu einer Elite-Kampf-Einheit ausgebildet. Die Männer und Frauen der Squadron sind der Idee einer freien und gerechten Welt verpflichtet. Im Einsatz gegen Drogenkartelle und international operierende Terroristen ist Mut und Entschlossenheit vonnöten. Mit jeder neuen Mission wachsen Selbstdisziplin und Teamgeist.” Der National Security Strategy Report vom 30. Oktober 1998 verkündet die eigentliche Zielvorgabe amerikanischer Außenpolitik in schonungsloser Offenheit: “Kern der amerikanischen Strategie ist es, unsre Sicherheit zu erhöhen, unseren Wohlstand zu mehren und Demokratie und Frieden überall in der Welt zu fördern. Wesentlich zur Erreichung dieser Ziele ist amerikanisches Engagement und die Vorherrschaft in der Weltpolitik. Und für die Ausübung dieser Vorherrschaft setzen die USA in der nördlichen Hemisphäre auf die NATO, ihre ‘Schlacht- und Schießgesellschaft’.”[2]
Nun wird deutlich, warum gesamt gesehen Multimedia “wichtiger als alles (wird), was wir bisher gemacht haben”, so Bill Gates. Denn noch sind Fernsehen und Computer in der Regel von einander getrennte Geräte, was sich schnell ändern soll. Neben Filmen werden dann über Hochleistungsnetze vor allem Multiplayer-Spiele, aber auch Online-Spiel-Server in der Branche für massives Wachstum sorgen. “Laut einer Analyse von Datamonitor für den Gamechannel (ein Jointventure von Bertelsmann mit Viag Intercom), spielten 1999 weltweit etwa 8,4 Millionen PC-Spieler online; knapp zwei Drittel davon kamen aus den USA. Im Jahre 2004 sollen über 28 Millionen PC-Spieler weltweit am Draht hängen.”[3]. Eines der Hauptprobleme, so die Propagandagarde in den Computerzeitungen, seien die gegenwärtig noch langsamen Verbindungen: “Bei langsamen Verbindungen ruckelt das Spiel und man dient den anderen Mitspielern nur noch als Kanonenfutter.” Überhaupt biete beispielsweise die Multiplayer-Variante des Action-Spieles “Half-Life (…) nur simples Deathmatch”, was heißt, “jeder kämpft gegen jeden. Wird ein Spieler erschossen, rematerialisiert er sich ohne Waffen an einem anderen Punkt im gleichen Level.”[4]
Im wirklichen Leben liest sich der Zusammenhang von Kampftraining und Weltherrschaft dann so: “Die Fortdauer der amerikanischen Vorherrschaft ist sowohl für das Wohlergehen und die Sicherheit der Amerikaner als auch für die Zukunft von Freiheit, Demokratie, freier Marktwirtschaft und internationaler Ordnung in der Welt von zentraler Bedeutung.”[5]
Mehr noch: Statt einen gesellschaftlichen Konsens zur Ächtung des Krieges zu stärken, wird dies auf vielerlei Wegen verhindert, sei es aus Profitsucht, ideologischen Prinzipien, Machtgier oder einer Mischung aus alledem. Man könnte meinen, daß eine ganze Gesellschaft auf die “sauberen ” High-Tech-Kriege und die Schlachtfelder der Zukunft eingestimmt werden soll. Studiert man das Buch des ehemaligen Präsidentenberaters Brzezinski, so stehen Beherrschung des Einzelnen und der Welt durch die USA im Zentrum politischer Zielsetzungen, wenn er ausführt, daß die USA einen massiven, “aber nicht greifbare Einfluß, (…) durch die Beherrschung der weltweiten Kommunikationssysteme, der Unterhaltungsindustrie und der Massenkultur sowie durch die durchaus spürbare Schlagkraft seiner technologischen Überlegenheit und seiner weltweiten Militärpräsenz ausüben (…). Die kulturelle Komponente der Weltmacht USA ist bisweilen unterschätzt worden; doch was immer man von ihren ästhetischen Qualitäten halten mag, Amerikas Massenkultur besitzt, besonders für die Jugendlichen in aller Welt, eine geradezu magische Kraft. (…) Die Sprache des Internets ist Englisch, und ein überwältigender Teil des Computerschnickschnacks stammt ebenfalls aus den USA und bestimmt somit die Inhalte der globalen Kommunikation nicht unwesentlich.”[6]
Spielerische Einführung in multimediale Gewaltdarstellung
Struck deutet den Medienkonsum vieler Jugendlicher und dabei die Verwendung von Raubkopien und indizierten Spielen als durchweg positiv:
“Die Entwicklung dieser Fähigkeit zum vernetzenden Denken beginnt im allgemeinen mit dem Spielen am Gameboy, an der Spielekonsole oder am Computer, und erst später wird sie dann mit dem Arbeiten am Computer ausgebaut. Sei es nun ein Autorennen-Simulator, ein Karate-Match, (…) seien es kopierte oder gekaufte Disketten, pädagogisch wertvolle oder gewaltverherrlichende, frauenfeindliche oder pornographische Spiele, die Kids erproben und entwickeln immer ihre Geschicklichkeit, ihre Koordination von Auge und Hand, ihre Kreativität, ihre Problemlösungskompetenz und ihr multikausales Denken damit, und so entsetzt Eltern und Pädagogen auch ob der oft schrecklichen Inhalte dieser Spiele sein mögen, was die Kinder dennoch dabei an Fertigkeiten gewinnen und an Strategien lernen, kommt ihnen stets zugute, wenn sie später am Lerncomputer oder in der Ausbildung, Studium und Beruf am PC arbeiten.”[7]
Der Medienwirkungsforscher Professor Glogauer spricht aufgrund von Untersuchungen aus dem Jahre 1997 beispielsweise davon, daß ungefähr 44% der Kinder und Jugendlichen in den Medien erlebte Gewalt in die eigene Realität übertragen.
Exemplarisch für skrupelloses Geschäftsverständnis und offensichtliche Demokratiefeindlichkeit sei die Firma PlayMax , ein Tochterunternehmen der M.A.X Computersysteme GmbH, in Berlin erwähnt. Hier wird beispielsweise auch per Internet das indizierte Spiel “Carmageddon” vertrieben, “die letzte Schlacht mit dem Auto”. Eine Mitarbeiterin des Unternehmens äußerte sich in einer Fernsehsendung[8] dazu so: “Alle fragen nach der roten Version und da rufen durchaus mal Eltern an und sagen, mein neunjähriger Sohn, meine elfjährige Tochter möchten das haben, was halten sie davon?” Was sie davon hält, sagt die Mitarbeiterin deutlich: “Was verboten ist, ist in der Regel interessanter, (…) zudem die Sachen z.T. so böse gar nicht sind.”
Der Werbetext zum Spiel spricht jedoch eine deutliche Sprache: “Überwinden Sie alle Hemmungen und fahren Sie einfach drauf los. Nichts für zarte Gemüter.” Dieses Spiel ist auch im Netzwerk spielbar: “So haben Sie die einmalige Gelegenheit, Leute, die Sie kennen, gezielt zu überfahren. Also los, fahren Sie es weg!” Die Bereitschaft zum Freundesmord wird hier spielerisch trainiert, ein eklatanter Verstoß gegen das Menschenrecht auf Leben. Die Mitarbeiterin dazu: “So ist es ja gedacht, das Auto wird zur Waffe. Wobei ich und viele meiner Kollegen, glaube ich, alle der Meinung sind, daß diese aggressiven Spiele, auch die Ballerspiele, auch die indizierten, eine wunderbare Sache sind, um Aggressionen abzureagieren und keineswegs dazu verführen, daß man jetzt auf die Straße rennt und irgendwo guckt, wo kann ich Leute irgendwie abschießen, das ist Quatsch.”
Die neuen Verführer – Kampfspiele mit militärischem Hintergrund sind ein guter Köder für eine kampfbereite Jugend
In letzter Zeit häufen sich Morde in Schulen, die von Jugendlichen begangen wurden. Wie werden ganz normale Kinder zu Killern, fragte sich der ehemalige Mitarbeiter der Militärakademie Westpoint, Dave Grossman. Er hatte als Militärpsychologe Soldaten das Töten gelehrt und dann den psychologischen Umgang damit, nämlich keine Schulgefühle zu haben. Nun geht er der These nach, daß nicht nur Soldaten zum Töten ausgebildet werden, sondern auch Kinder, von den Medien und der Unterhaltungsindustrie. Die brutalen Videospiele wurden zuerst von der Unterhaltungsindustrie entwickelt (DOOM etc.) und die Armee hat diese Technologie dann übernommen und modifiziert, so Grossman in einem Interview. “Die Armee hat schnell gemerkt, daß diese Technologie sehr gut und sehr effektiv ist. Die Industrie hat dann dieselbe Technik den Kindern zum Verkauf angeboten und gleichzeitig für das Militär weiterentwickelt, und dann wieder an die Kinder weitergegeben. So wurden immer neuere und realistische Spiele entwickelt; das ergibt dann einen Kreislauf zwischen Militär und Unterhaltungsindustrie, aus dem heraus dann immer bessere Mordsimulationen kommen. Wenn Sie sich den Jungen genau ansehen, der den Massenmord in Deutschland [Bad Reichenhall 11/1999] begangen hat, dann finden Sie sicher heraus, daß er sich viele brutale Videospiele angesehen und daß er sie auch gespielt hat und daß er sich entsprechendes Material aus dem Internet besorgt hat. Jeder dieser Massenmorde der letzten Zeit hat gezeigt, daß sich die Jugendlichen gegenüber menschlichem Leid desensibilisiert haben. Wenn wir uns die Fälle genauer ansehen, dann merken wir, daß sie nicht nur gelernt haben, wie man tötet, sondern auch daß es ihnen Spaß macht.”[9]
An der Tatsache, daß “Computerspiele (…) einen Teil der elektronischen Medienwelt aus(machen), die unsere Kinder heute entscheidend mitprägt”, ist gegenwärtig sicher nicht vorbeizusehen. Allerdings ist die Bedeutung des Kinder- und Jugendschutzes sicher nicht auf die Veröffentlichung von “Appellen” zu reduzieren, wie die Autoren suggerieren. Unstreitig ist sicher, daß historisch gesehen Schutzgesetze einen notwendigen Schonraum der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ermöglichten, man denke nur an den Jugendarbeitsschutz. All diese Errungenschaften sind nach jahrzehntelangem Ringen eingeführt worden. So müssen Kinder und Jugendliche etwa vor “Veranstaltungen, die ihrer Art nach geeignet sind, auf Kinder und Jugendliche einen verrohenden Einfluß auszuüben[10]“, geschützt werden. Und hier beginnen sich in der Tat die Geister zu scheiden. Wenn von verschiedenen Seiten her einer “neuen Medienkultur” das Wort geredet wird, muß der Leser auch erfahren, was diese schöne Worthülse eigentlich beinhaltet, warum zunehmend die verständliche Sorge von Mitbürgern um die zunehmende Verrohung und Vereinsamung unserer Kinder und Jugendlichen durch Medienkonsum und die Forderung nach Schutz davor aus offensichtlich politischen Motiven als “Bewahrpädagogik” abgewertet wird.
Die Argumentation verläuft, wie gezeigt, stets nach dem gleichen Muster: die Erwachsenen verstehen bzw. kennen die “neuen Medien” in der Regel kaum, die Kinder und Jugendlichen hingegen sind da “Fachleute”, folglich muß die Orientierung an deren “Kompetenz” erfolgen, der Erwachsene wird zum bloßen “Begleiter” degradiert. Dies entspricht übrigens der verstärkt gepredigten antipädagogischen Doktrin, daß das Kind bzw. der Jugendliche selbst am besten weiß, was für es/ihn am besten ist und die eigenen Belange schon selber regeln wird. Das hat schon in den Kinderläden nicht geklappt und Günther Amendt plädierte gar für einen “Kinderkreuzzug”, denn: “Nur die Bedürfnisse der Kastrierten sind dem Profitinteresse dienlich. So verspricht man ihnen die Zukunft und verweigert ihnen die Gegenwart. Das heißt Jugend in dieser Gesellschaft[11]“.
Professor Fritz von der Fachhochschule Köln, vermutetermaßen auch im Sold von Spielproduzenten stehend und neben Johannes Fromme von der Universität Bielefeld Wortführer einer Verharmlosung von Computerspielen, spricht in einem Aufsatz von der “Spiegelfunktion”[12] bestimmter Spiele. “Untersucht man ihre Szenarien und Symbolstrukturen, stößt man auf (sehr wenige) Grundstrukturen und Muster gesellschaftlichen Handels, die in diese Spiele eingewoben sind”[13]. Die Widerspiegelungstheorie von Überbauphänomen als Reflex vorfindlicher gesellschaftlicher Mangelzustände ist dabei nicht sehr originell, aber erscheint an der Oberfläche griffig. Die Kapitalismuskritik verbunden mit der Triebtheorie offensichtlich frei nach Wilhelm Reich ist so simpel wie falsch: “Die Dynamik dieser Spiele schaffe einen Gegenwert zum Alltag der Jugendlichen, der oft durch ‘Machtlosigkeit und Triebverzicht’ gekennzeichnet sei. (…) Fairness, Demokratie, diskursive Konfliktlösung stünden oft in krassem Gegensatz zum Handeln der Erwachsenen. ‘Vom Sport bis zur Wirtschaft folgt das miteinander eher dem Motto Leben als Krieg’.”[14] Merke Bürger: Alle Macht der Jugend, ansonsten geschieht es allen recht, wenn Jugendliche irgendwann mordend und plündernd durch die Lande ziehen. Und das Kampftraining am Computer ist doch nur logisch konsequente Vorbereitung auf den Konkurrenzstreß am Arbeitsplatz oder sein Resultat – so simple Parolen kommen leider an.
Legt man diese Klassenkampftheorie zugrunde, leuchtet unmittelbar ein, warum beispielsweise “Kampf-und-Blut-Spiele” so verharmlost werden: “Die Spiel erstrecken sich von einfachen Abschießspielen bis hin zu komplexen Bewegungsanimationen der kämpfenden Figur. Diese Spiele werden von Jungen bevorzugt und haben einen geringen Realitätsbezug. Es ist umstritten, ob diese Spiele Aggressivität auslösen, hemmen oder keinen Einfluß auf die Aggressivität haben.” Das erscheint vorsätzlich gelogen, denn die Forschungsergebnisse zum Lernen am Modell liegen seit langem vor. Zudem: Worin soll der geistige Nährwert liegen, mit dem Abschlachten von Aliens, Zombies oder anderen Untermenschen sich zu “unterhalten” und am Ende dafür auch noch belohnt zu werden? Wer Ballerspiele als “Übergangsphase pubertierender männlicher Jugendlicher”[15] verharmlost, leugnet vorsätzlich die zunehmende Verrohung unter Kinder und Jugendlichen aufgrund eines desensibilisierenden Gewaltrainings.
Die Abtrennung einer Qualifikation von den Inhalten, mit der sie erreicht wird, suggeriert Seriösität: “Anforderungen: Im Mittelpunkt stehen fortgesetzte kampfbestimmte Handlungsmuster. Die Spieler benötigen rasches Auffassungsvermögen, Reaktionsschnelligkeit, eine gute Auge-Hand-Koordination, räumliches Orientierungsvermögen, Resistenz gegen Streß und Gefahrensituationen”[16].
Professor Fritz[17] preist das Computer-Spiel Streetfighter II beispielsweise im Heft “Pädagogische Beurteilungen von ausgewählten Computer- und Videospielen Bd. 3” – gemeinsam herausgegeben von der Fachhochschule Köln und der Stadt Köln – folgendermaßen an (Hervorhebungen WR):
“Beschreibung des Videospieles
Bei STREET FIGHTER II treffen sieben Kämpfer und eine Kämpferin mit unterschiedlichen Kampftechniken aufeinander. Jede Figur hat ihre eigene Biographie und ganz spezielle Fähigkeiten, die sie von den anderen unterscheidet. Diese Biographien werden kurz dargestellt und sorgten bei den Jugendlichen für einen hohen Grad an Identifikation.
Im One-Player-Modus kämpft man sich von einem Gegner zum nächsten, um schließlich gegen die vier unbekannten Endgegner anzutreten und falls erfolgreich, zum weltbesten Krieger gekürt zu werden. Im Vergleich mit ähnlichen Kampfspielen bietet STREET FIGHTER II eine außergewöhnlich schnelle und detailreiche Animation. Die realistisch gestalteten Hintergrundgrafiken wechseln bei jedem Kampf und unterstützen wirkungsvoll die Spielthematik. Die Hintergrundmusik und die digitalisierten Kampfgeräusche sind den Kampfszenen angepaßt.
Pädagogische Beurteilung
Auf den ersten Blick wirkt STREET FIGHTER II durch Spielinhalt, Handlungsmuster und Spielfiguren auf den Außenstehenden recht aggressiv und bedrohlich. Die körperliche Auseinandersetzung mittels ausgefeilter Kampftechniken wird oft verabscheut, auch wenn sie medial im Videofilm oder Computerspiel dargestellt wird. Aber Jungen suchen oft gerade diese körperliche Auseinandersetzung, weil sie darüber einen Teil ihrer Identität und Männlichkeit definieren. Spiele wie STREET FIGHTER II haben in diesem Prozeß die Funktion, das Aushandeln von Identität auf einer symbolischen Ebene möglich zu machen. Es wird ein spielerischer Rahmen für Auseinandersetzung ermöglicht, den auch die Jungen nutzen können, die realen körperlichen Auseinandersetzungen eher ausweichen. Unter diesem Aspekt bedeutet STREET FIGHTER II für diejenigen, die es spielen, etwas anderes, alsfür außenstehende Betrachter, die es beim Zusehen bewenden lassen.
Unsere Gesellschaft ist von ständigen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. STREET FIGHTER II ist ein symbolisches Abbild unserer Wirklichkeit und bringt wesentliche Antriebskräfte unserer Gesellschaft zum Ausdruck. Es ist kein Abbild realer und konkreter Umgangsweisen zwischen den Menschen.”
Wenn man nun noch das im Schröder-Blair-Papier enthaltene Gesellschaftmodell mit dem von Brzezinski favorisierten übereinanderlegt, wird deutlich, was ein Leben als “tributpflichtiger” “Vasall” Amerikas bedeutet: Es “vertreten immer mehr Europäer die Meinung, man müsse sich das stärker wettbewerbsorientierte und auch rücksichtslose amerikanische Wirtschaftsmodell zum Vorbild nehmen, wenn Europa nicht weiter zurückfallen solle.”[18] Braucht man dazu also eine rücksichtslose, herrisch auftretende Jugend, die, mittels amerikanischer Massenkultur abgefüttert, einen neuen Sozialdarwinismus durchpeitschen hilft? Man denke an TV-Machwerke wie “Rentner, wollt ihr ewig leben?”, aber auch an Gerhard Schröders diffamierenden Ausspruch von den Lehrern als “faulen Säcken”!
[1] Werner Glogauer, Videofilm-Konsum der Kinder und Jugendlichen, Bad Heilbrunn 1989, S. 97
[2] Kosovo-Krieg und Interesse, E. Schmidt-Eenboom. In: Bittermann/Deichmann, Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben. Berlin 1999, S. 99
[3] “Virtuelle Zockerrunden”, In: c’t 2000, Heft 2, S. 101
[4] “Virtuelle Zockerrunden”, In: c’t 2000, Heft 2, S. 103ff
[5] S. Huntington zit. in: Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 54
[6] Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 46
[7] Struck, Peter. Netzwerk Schule. Wie Kinder mit dem Computer das Lernen lernen. München Wien 1998, S. 168
[8] “Todesspiele” ARD 12.8.98
[9] Klassenziel: Töten – Wie Kindergehirne konditioniert werden. In: Kulturzeit, 3sat, 11/99
[10] Erste Verordnung zur Bezeichnung von Veranstaltungen gemäß §8 Abs.1 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 2. April 1959, §1
[11] Amendt, Günther, in Kinderkreuzzug oder Beginnt die Revolution in den Schulen? Reinbeck 1968, S. 16.
[12] W. Fehr/J. Fritz in JAK Bd. 3, S. 25
[13] W. Fehr/J. Fritz in Werkstattbericht, S. 19
[14] Johannes Fromme in: Die digitale Verrohung, Sonntag Aktuell, 21.11.99
[15] Johannes Fromme in: Die digitale Verrohung, Sonntag Aktuell, 21.11.99
[16] Vgl. Fehr, W. & Fritz, J.:Videospiele in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Computerspiele in der Schule? Werkstattbericht 6. Soest: Landesinstitut, 1993, S.73 sowie: Fritz, J. (Hrsg.):Warum Computerspiele faszinieren. Empirische Annäherung an Nutzung und Wirkung von Bildschirmspielen. Weinheim u.a.: Juventa, 1995, S. 25f
[17] Vgl. W. Fehr/J. Fritz in JAK Bd. 3, S. 25 sowie: W. Fehr/J. Fritz in Werkstattbericht 6, S. 19
[18] Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 47f
Die Abfütterung des Publikums mit “Tittytainment” ist eine schon seit lange bekannte Strategie in der Unterhaltungsindustrie, die nie unpolitisch war; allerdings fand der Sündenfall Hollywoods, ein Wertebruch mit tradierten Vorstellungen von Familie und Gewalttabu erst in den späten 60er Jahren statt. So war politisch gesehen beispielsweise Rambo einer der Filme zum amerikanischen Vietnam-Trauma, dessen Bedeutung ein Amerikaner deutlich beschreibt: “Endlich zahlen wir den Kriegsveteranen unsere Schuld zurück. Wir hätten sie damals besser empfangen sollen. Der Film räumt ein für alle Mal mit den Frustrationen unserer Vergangenheit auf.”[1]
Die neue Angriffsstrategie der NATO wird nicht minder deutlich medial unterstützt. Kein geringerer als der Ehemann von Barbara Streisand fungiert als Produzent und Hauptdarsteller der Kriegs-Propagandaserie “Pensacola – Flügel aus Stahl”. Aus der Film-Werbung eines deutschen Privatsenders Kabel 1: “Nach Pensacola, Florida, kommen nur die besten Piloten der freien Welt. Dort werden sie zu einer Elite-Kampf-Einheit ausgebildet. Die Männer und Frauen der Squadron sind der Idee einer freien und gerechten Welt verpflichtet. Im Einsatz gegen Drogenkartelle und international operierende Terroristen ist Mut und Entschlossenheit vonnöten. Mit jeder neuen Mission wachsen Selbstdisziplin und Teamgeist.” Der National Security Strategy Report vom 30. Oktober 1998 verkündet die eigentliche Zielvorgabe amerikanischer Außenpolitik in schonungsloser Offenheit: “Kern der amerikanischen Strategie ist es, unsre Sicherheit zu erhöhen, unseren Wohlstand zu mehren und Demokratie und Frieden überall in der Welt zu fördern. Wesentlich zur Erreichung dieser Ziele ist amerikanisches Engagement und die Vorherrschaft in der Weltpolitik. Und für die Ausübung dieser Vorherrschaft setzen die USA in der nördlichen Hemisphäre auf die NATO, ihre ‘Schlacht- und Schießgesellschaft’.”[2]
Nun wird deutlich, warum gesamt gesehen Multimedia “wichtiger als alles (wird), was wir bisher gemacht haben”, so Bill Gates. Denn noch sind Fernsehen und Computer in der Regel von einander getrennte Geräte, was sich schnell ändern soll. Neben Filmen werden dann über Hochleistungsnetze vor allem Multiplayer-Spiele, aber auch Online-Spiel-Server in der Branche für massives Wachstum sorgen. “Laut einer Analyse von Datamonitor für den Gamechannel (ein Jointventure von Bertelsmann mit Viag Intercom), spielten 1999 weltweit etwa 8,4 Millionen PC-Spieler online; knapp zwei Drittel davon kamen aus den USA. Im Jahre 2004 sollen über 28 Millionen PC-Spieler weltweit am Draht hängen.”[3]. Eines der Hauptprobleme, so die Propagandagarde in den Computerzeitungen, seien die gegenwärtig noch langsamen Verbindungen: “Bei langsamen Verbindungen ruckelt das Spiel und man dient den anderen Mitspielern nur noch als Kanonenfutter.” Überhaupt biete beispielsweise die Multiplayer-Variante des Action-Spieles “Half-Life (…) nur simples Deathmatch”, was heißt, “jeder kämpft gegen jeden. Wird ein Spieler erschossen, rematerialisiert er sich ohne Waffen an einem anderen Punkt im gleichen Level.”[4]
Im wirklichen Leben liest sich der Zusammenhang von Kampftraining und Weltherrschaft dann so: “Die Fortdauer der amerikanischen Vorherrschaft ist sowohl für das Wohlergehen und die Sicherheit der Amerikaner als auch für die Zukunft von Freiheit, Demokratie, freier Marktwirtschaft und internationaler Ordnung in der Welt von zentraler Bedeutung.”[5]
Mehr noch: Statt einen gesellschaftlichen Konsens zur Ächtung des Krieges zu stärken, wird dies auf vielerlei Wegen verhindert, sei es aus Profitsucht, ideologischen Prinzipien, Machtgier oder einer Mischung aus alledem. Man könnte meinen, daß eine ganze Gesellschaft auf die “sauberen ” High-Tech-Kriege und die Schlachtfelder der Zukunft eingestimmt werden soll. Studiert man das Buch des ehemaligen Präsidentenberaters Brzezinski, so stehen Beherrschung des Einzelnen und der Welt durch die USA im Zentrum politischer Zielsetzungen, wenn er ausführt, daß die USA einen massiven, “aber nicht greifbare Einfluß, (…) durch die Beherrschung der weltweiten Kommunikationssysteme, der Unterhaltungsindustrie und der Massenkultur sowie durch die durchaus spürbare Schlagkraft seiner technologischen Überlegenheit und seiner weltweiten Militärpräsenz ausüben (…). Die kulturelle Komponente der Weltmacht USA ist bisweilen unterschätzt worden; doch was immer man von ihren ästhetischen Qualitäten halten mag, Amerikas Massenkultur besitzt, besonders für die Jugendlichen in aller Welt, eine geradezu magische Kraft. (…) Die Sprache des Internets ist Englisch, und ein überwältigender Teil des Computerschnickschnacks stammt ebenfalls aus den USA und bestimmt somit die Inhalte der globalen Kommunikation nicht unwesentlich.”[6]
Spielerische Einführung in multimediale Gewaltdarstellung
Struck deutet den Medienkonsum vieler Jugendlicher und dabei die Verwendung von Raubkopien und indizierten Spielen als durchweg positiv:
“Die Entwicklung dieser Fähigkeit zum vernetzenden Denken beginnt im allgemeinen mit dem Spielen am Gameboy, an der Spielekonsole oder am Computer, und erst später wird sie dann mit dem Arbeiten am Computer ausgebaut. Sei es nun ein Autorennen-Simulator, ein Karate-Match, (…) seien es kopierte oder gekaufte Disketten, pädagogisch wertvolle oder gewaltverherrlichende, frauenfeindliche oder pornographische Spiele, die Kids erproben und entwickeln immer ihre Geschicklichkeit, ihre Koordination von Auge und Hand, ihre Kreativität, ihre Problemlösungskompetenz und ihr multikausales Denken damit, und so entsetzt Eltern und Pädagogen auch ob der oft schrecklichen Inhalte dieser Spiele sein mögen, was die Kinder dennoch dabei an Fertigkeiten gewinnen und an Strategien lernen, kommt ihnen stets zugute, wenn sie später am Lerncomputer oder in der Ausbildung, Studium und Beruf am PC arbeiten.”[7]
Der Medienwirkungsforscher Professor Glogauer spricht aufgrund von Untersuchungen aus dem Jahre 1997 beispielsweise davon, daß ungefähr 44% der Kinder und Jugendlichen in den Medien erlebte Gewalt in die eigene Realität übertragen.
Exemplarisch für skrupelloses Geschäftsverständnis und offensichtliche Demokratiefeindlichkeit sei die Firma PlayMax , ein Tochterunternehmen der M.A.X Computersysteme GmbH, in Berlin erwähnt. Hier wird beispielsweise auch per Internet das indizierte Spiel “Carmageddon” vertrieben, “die letzte Schlacht mit dem Auto”. Eine Mitarbeiterin des Unternehmens äußerte sich in einer Fernsehsendung[8] dazu so: “Alle fragen nach der roten Version und da rufen durchaus mal Eltern an und sagen, mein neunjähriger Sohn, meine elfjährige Tochter möchten das haben, was halten sie davon?” Was sie davon hält, sagt die Mitarbeiterin deutlich: “Was verboten ist, ist in der Regel interessanter, (…) zudem die Sachen z.T. so böse gar nicht sind.”
Der Werbetext zum Spiel spricht jedoch eine deutliche Sprache: “Überwinden Sie alle Hemmungen und fahren Sie einfach drauf los. Nichts für zarte Gemüter.” Dieses Spiel ist auch im Netzwerk spielbar: “So haben Sie die einmalige Gelegenheit, Leute, die Sie kennen, gezielt zu überfahren. Also los, fahren Sie es weg!” Die Bereitschaft zum Freundesmord wird hier spielerisch trainiert, ein eklatanter Verstoß gegen das Menschenrecht auf Leben. Die Mitarbeiterin dazu: “So ist es ja gedacht, das Auto wird zur Waffe. Wobei ich und viele meiner Kollegen, glaube ich, alle der Meinung sind, daß diese aggressiven Spiele, auch die Ballerspiele, auch die indizierten, eine wunderbare Sache sind, um Aggressionen abzureagieren und keineswegs dazu verführen, daß man jetzt auf die Straße rennt und irgendwo guckt, wo kann ich Leute irgendwie abschießen, das ist Quatsch.”
Die neuen Verführer – Kampfspiele mit militärischem Hintergrund sind ein guter Köder für eine kampfbereite Jugend
In letzter Zeit häufen sich Morde in Schulen, die von Jugendlichen begangen wurden. Wie werden ganz normale Kinder zu Killern, fragte sich der ehemalige Mitarbeiter der Militärakademie Westpoint, Dave Grossman. Er hatte als Militärpsychologe Soldaten das Töten gelehrt und dann den psychologischen Umgang damit, nämlich keine Schulgefühle zu haben. Nun geht er der These nach, daß nicht nur Soldaten zum Töten ausgebildet werden, sondern auch Kinder, von den Medien und der Unterhaltungsindustrie. Die brutalen Videospiele wurden zuerst von der Unterhaltungsindustrie entwickelt (DOOM etc.) und die Armee hat diese Technologie dann übernommen und modifiziert, so Grossman in einem Interview. “Die Armee hat schnell gemerkt, daß diese Technologie sehr gut und sehr effektiv ist. Die Industrie hat dann dieselbe Technik den Kindern zum Verkauf angeboten und gleichzeitig für das Militär weiterentwickelt, und dann wieder an die Kinder weitergegeben. So wurden immer neuere und realistische Spiele entwickelt; das ergibt dann einen Kreislauf zwischen Militär und Unterhaltungsindustrie, aus dem heraus dann immer bessere Mordsimulationen kommen. Wenn Sie sich den Jungen genau ansehen, der den Massenmord in Deutschland [Bad Reichenhall 11/1999] begangen hat, dann finden Sie sicher heraus, daß er sich viele brutale Videospiele angesehen und daß er sie auch gespielt hat und daß er sich entsprechendes Material aus dem Internet besorgt hat. Jeder dieser Massenmorde der letzten Zeit hat gezeigt, daß sich die Jugendlichen gegenüber menschlichem Leid desensibilisiert haben. Wenn wir uns die Fälle genauer ansehen, dann merken wir, daß sie nicht nur gelernt haben, wie man tötet, sondern auch daß es ihnen Spaß macht.”[9]
An der Tatsache, daß “Computerspiele (…) einen Teil der elektronischen Medienwelt aus(machen), die unsere Kinder heute entscheidend mitprägt”, ist gegenwärtig sicher nicht vorbeizusehen. Allerdings ist die Bedeutung des Kinder- und Jugendschutzes sicher nicht auf die Veröffentlichung von “Appellen” zu reduzieren, wie die Autoren suggerieren. Unstreitig ist sicher, daß historisch gesehen Schutzgesetze einen notwendigen Schonraum der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ermöglichten, man denke nur an den Jugendarbeitsschutz. All diese Errungenschaften sind nach jahrzehntelangem Ringen eingeführt worden. So müssen Kinder und Jugendliche etwa vor “Veranstaltungen, die ihrer Art nach geeignet sind, auf Kinder und Jugendliche einen verrohenden Einfluß auszuüben[10]“, geschützt werden. Und hier beginnen sich in der Tat die Geister zu scheiden. Wenn von verschiedenen Seiten her einer “neuen Medienkultur” das Wort geredet wird, muß der Leser auch erfahren, was diese schöne Worthülse eigentlich beinhaltet, warum zunehmend die verständliche Sorge von Mitbürgern um die zunehmende Verrohung und Vereinsamung unserer Kinder und Jugendlichen durch Medienkonsum und die Forderung nach Schutz davor aus offensichtlich politischen Motiven als “Bewahrpädagogik” abgewertet wird.
Die Argumentation verläuft, wie gezeigt, stets nach dem gleichen Muster: die Erwachsenen verstehen bzw. kennen die “neuen Medien” in der Regel kaum, die Kinder und Jugendlichen hingegen sind da “Fachleute”, folglich muß die Orientierung an deren “Kompetenz” erfolgen, der Erwachsene wird zum bloßen “Begleiter” degradiert. Dies entspricht übrigens der verstärkt gepredigten antipädagogischen Doktrin, daß das Kind bzw. der Jugendliche selbst am besten weiß, was für es/ihn am besten ist und die eigenen Belange schon selber regeln wird. Das hat schon in den Kinderläden nicht geklappt und Günther Amendt plädierte gar für einen “Kinderkreuzzug”, denn: “Nur die Bedürfnisse der Kastrierten sind dem Profitinteresse dienlich. So verspricht man ihnen die Zukunft und verweigert ihnen die Gegenwart. Das heißt Jugend in dieser Gesellschaft[11]“.
Professor Fritz von der Fachhochschule Köln, vermutetermaßen auch im Sold von Spielproduzenten stehend und neben Johannes Fromme von der Universität Bielefeld Wortführer einer Verharmlosung von Computerspielen, spricht in einem Aufsatz von der “Spiegelfunktion”[12] bestimmter Spiele. “Untersucht man ihre Szenarien und Symbolstrukturen, stößt man auf (sehr wenige) Grundstrukturen und Muster gesellschaftlichen Handels, die in diese Spiele eingewoben sind”[13]. Die Widerspiegelungstheorie von Überbauphänomen als Reflex vorfindlicher gesellschaftlicher Mangelzustände ist dabei nicht sehr originell, aber erscheint an der Oberfläche griffig. Die Kapitalismuskritik verbunden mit der Triebtheorie offensichtlich frei nach Wilhelm Reich ist so simpel wie falsch: “Die Dynamik dieser Spiele schaffe einen Gegenwert zum Alltag der Jugendlichen, der oft durch ‘Machtlosigkeit und Triebverzicht’ gekennzeichnet sei. (…) Fairness, Demokratie, diskursive Konfliktlösung stünden oft in krassem Gegensatz zum Handeln der Erwachsenen. ‘Vom Sport bis zur Wirtschaft folgt das miteinander eher dem Motto Leben als Krieg’.”[14] Merke Bürger: Alle Macht der Jugend, ansonsten geschieht es allen recht, wenn Jugendliche irgendwann mordend und plündernd durch die Lande ziehen. Und das Kampftraining am Computer ist doch nur logisch konsequente Vorbereitung auf den Konkurrenzstreß am Arbeitsplatz oder sein Resultat – so simple Parolen kommen leider an.
Legt man diese Klassenkampftheorie zugrunde, leuchtet unmittelbar ein, warum beispielsweise “Kampf-und-Blut-Spiele” so verharmlost werden: “Die Spiel erstrecken sich von einfachen Abschießspielen bis hin zu komplexen Bewegungsanimationen der kämpfenden Figur. Diese Spiele werden von Jungen bevorzugt und haben einen geringen Realitätsbezug. Es ist umstritten, ob diese Spiele Aggressivität auslösen, hemmen oder keinen Einfluß auf die Aggressivität haben.” Das erscheint vorsätzlich gelogen, denn die Forschungsergebnisse zum Lernen am Modell liegen seit langem vor. Zudem: Worin soll der geistige Nährwert liegen, mit dem Abschlachten von Aliens, Zombies oder anderen Untermenschen sich zu “unterhalten” und am Ende dafür auch noch belohnt zu werden? Wer Ballerspiele als “Übergangsphase pubertierender männlicher Jugendlicher”[15] verharmlost, leugnet vorsätzlich die zunehmende Verrohung unter Kinder und Jugendlichen aufgrund eines desensibilisierenden Gewaltrainings.
Die Abtrennung einer Qualifikation von den Inhalten, mit der sie erreicht wird, suggeriert Seriösität: “Anforderungen: Im Mittelpunkt stehen fortgesetzte kampfbestimmte Handlungsmuster. Die Spieler benötigen rasches Auffassungsvermögen, Reaktionsschnelligkeit, eine gute Auge-Hand-Koordination, räumliches Orientierungsvermögen, Resistenz gegen Streß und Gefahrensituationen”[16].
Professor Fritz[17] preist das Computer-Spiel Streetfighter II beispielsweise im Heft “Pädagogische Beurteilungen von ausgewählten Computer- und Videospielen Bd. 3” – gemeinsam herausgegeben von der Fachhochschule Köln und der Stadt Köln – folgendermaßen an (Hervorhebungen WR):
“Beschreibung des Videospieles
Bei STREET FIGHTER II treffen sieben Kämpfer und eine Kämpferin mit unterschiedlichen Kampftechniken aufeinander. Jede Figur hat ihre eigene Biographie und ganz spezielle Fähigkeiten, die sie von den anderen unterscheidet. Diese Biographien werden kurz dargestellt und sorgten bei den Jugendlichen für einen hohen Grad an Identifikation.
Im One-Player-Modus kämpft man sich von einem Gegner zum nächsten, um schließlich gegen die vier unbekannten Endgegner anzutreten und falls erfolgreich, zum weltbesten Krieger gekürt zu werden. Im Vergleich mit ähnlichen Kampfspielen bietet STREET FIGHTER II eine außergewöhnlich schnelle und detailreiche Animation. Die realistisch gestalteten Hintergrundgrafiken wechseln bei jedem Kampf und unterstützen wirkungsvoll die Spielthematik. Die Hintergrundmusik und die digitalisierten Kampfgeräusche sind den Kampfszenen angepaßt.
Pädagogische Beurteilung
Auf den ersten Blick wirkt STREET FIGHTER II durch Spielinhalt, Handlungsmuster und Spielfiguren auf den Außenstehenden recht aggressiv und bedrohlich. Die körperliche Auseinandersetzung mittels ausgefeilter Kampftechniken wird oft verabscheut, auch wenn sie medial im Videofilm oder Computerspiel dargestellt wird. Aber Jungen suchen oft gerade diese körperliche Auseinandersetzung, weil sie darüber einen Teil ihrer Identität und Männlichkeit definieren. Spiele wie STREET FIGHTER II haben in diesem Prozeß die Funktion, das Aushandeln von Identität auf einer symbolischen Ebene möglich zu machen. Es wird ein spielerischer Rahmen für Auseinandersetzung ermöglicht, den auch die Jungen nutzen können, die realen körperlichen Auseinandersetzungen eher ausweichen. Unter diesem Aspekt bedeutet STREET FIGHTER II für diejenigen, die es spielen, etwas anderes, alsfür außenstehende Betrachter, die es beim Zusehen bewenden lassen.
Unsere Gesellschaft ist von ständigen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. STREET FIGHTER II ist ein symbolisches Abbild unserer Wirklichkeit und bringt wesentliche Antriebskräfte unserer Gesellschaft zum Ausdruck. Es ist kein Abbild realer und konkreter Umgangsweisen zwischen den Menschen.”
Wenn man nun noch das im Schröder-Blair-Papier enthaltene Gesellschaftmodell mit dem von Brzezinski favorisierten übereinanderlegt, wird deutlich, was ein Leben als “tributpflichtiger” “Vasall” Amerikas bedeutet: Es “vertreten immer mehr Europäer die Meinung, man müsse sich das stärker wettbewerbsorientierte und auch rücksichtslose amerikanische Wirtschaftsmodell zum Vorbild nehmen, wenn Europa nicht weiter zurückfallen solle.”[18] Braucht man dazu also eine rücksichtslose, herrisch auftretende Jugend, die, mittels amerikanischer Massenkultur abgefüttert, einen neuen Sozialdarwinismus durchpeitschen hilft? Man denke an TV-Machwerke wie “Rentner, wollt ihr ewig leben?”, aber auch an Gerhard Schröders diffamierenden Ausspruch von den Lehrern als “faulen Säcken”!
[1] Werner Glogauer, Videofilm-Konsum der Kinder und Jugendlichen, Bad Heilbrunn 1989, S. 97
[2] Kosovo-Krieg und Interesse, E. Schmidt-Eenboom. In: Bittermann/Deichmann, Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben. Berlin 1999, S. 99
[3] “Virtuelle Zockerrunden”, In: c’t 2000, Heft 2, S. 101
[4] “Virtuelle Zockerrunden”, In: c’t 2000, Heft 2, S. 103ff
[5] S. Huntington zit. in: Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 54
[6] Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 46
[7] Struck, Peter. Netzwerk Schule. Wie Kinder mit dem Computer das Lernen lernen. München Wien 1998, S. 168
[8] “Todesspiele” ARD 12.8.98
[9] Klassenziel: Töten – Wie Kindergehirne konditioniert werden. In: Kulturzeit, 3sat, 11/99
[10] Erste Verordnung zur Bezeichnung von Veranstaltungen gemäß §8 Abs.1 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 2. April 1959, §1
[11] Amendt, Günther, in Kinderkreuzzug oder Beginnt die Revolution in den Schulen? Reinbeck 1968, S. 16.
[12] W. Fehr/J. Fritz in JAK Bd. 3, S. 25
[13] W. Fehr/J. Fritz in Werkstattbericht, S. 19
[14] Johannes Fromme in: Die digitale Verrohung, Sonntag Aktuell, 21.11.99
[15] Johannes Fromme in: Die digitale Verrohung, Sonntag Aktuell, 21.11.99
[16] Vgl. Fehr, W. & Fritz, J.:Videospiele in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Computerspiele in der Schule? Werkstattbericht 6. Soest: Landesinstitut, 1993, S.73 sowie: Fritz, J. (Hrsg.):Warum Computerspiele faszinieren. Empirische Annäherung an Nutzung und Wirkung von Bildschirmspielen. Weinheim u.a.: Juventa, 1995, S. 25f
[17] Vgl. W. Fehr/J. Fritz in JAK Bd. 3, S. 25 sowie: W. Fehr/J. Fritz in Werkstattbericht 6, S. 19
[18] Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt am Main, 1999, S. 47f