Die Zerstörung unsere kulturellen Werte wird durch das Langzeitprogramm Harry Pottereingeflößt – Beobachtungen aus Universität und deutschsprachigen Gymnasium

Die Zerstörung unsere kulturellen Werte wird durch das Langzeitprogramm Harry Potter
eingeflößt – Beobachtungen aus Universität und deutschsprachigen Gymnasium

Tafelanschriebe: „Harry Potter Gut oder böse?“ Nach dem gleichnamigen Buch von Gabriele Kuby
Eine Analyse, sowohl im deutschsprachigen Gymnasium aber auch im germanistischen Seminar der
Universität dargeboten, benennt es deutlich: „Die Welt wird von drei Rassen bewohnt – Schlamm-,
Halb- und Reinblütlern. (Schlammblütler: Vorfahren sind nur Muggels = Menschen, Habblütler:
Vorfahren sind halb Zauberer, halb Muggel, Reinblülter: Vorfahren sind nur Zauberer) Ein Gehirn
fliegt durch die Luft, ein Zauberstab bohrt sich ins Auge, ein glibbriges Monsterwesen dröhnt:
‚Verneige dich vor dem Tod!‘ Abgehackte Körperteile und Blut als Opfer, um dem wahrhaft bösen
Helden Voldemort wieder einen Körper zurückzugeben, vor dem sich der Held Harry schliesslich
verneigt. Diese Mischung aus Rassismus, Gewalt und Okkultismus entstammt nicht etwa einem
blutigen Horrorschinken, sondern ist Inhalt eines heute sehr erfolgreichen Kinderbuches, des
fünften Bandes von Joanne K. Rowling, ‚Harry Potter und der Orden des Phönix.‘“ (Aus: Harry
Potter – ein globales Langzeitprojekt? Denkanstoss von Gabriele Kuby zum Phänomen der Potter-
Manie, Hemma Poledna, Zeit-Fragen, Zürich Nr. 34 vom 6.9.2004). Sowohl Schüler als auch
Studenten offenbarten jedoch das Fehlen einer eindeutigen Ablehnung der
menschenrechtsverletzenden Gewaltausübung seitens des Lehrpersonals in Hogwarts. Interessant
war auch, daß sowohl Schüler der 10. und 11. Klasse eines deutschsprachigen Gymnasiums, aber
auch junge Studentinnen in der Mehrzahlt lediglich die Filme gesehen hatten. Es bereitete ihnen
keine Probleme, die Drohungen etwa des Schulleiters Dumbledore anläßlich der Begrüßung der
Erstklässler zu akzeptieren: Man stelle sich einen Schulleiter vor, der zu Beginn des neuen
Schuljahres darauf hinweist, daß „in diesem Jahr das Betreten des Korridors im dritten Stock, der in
den rechten Flügel führt, allen verboten ist, die nicht einen sehr schmerzhaften Tod sterben wollen”
(Bd 1, Seite 140). Sodann läßt er die Schulhymne absingen („Jeder nach seiner Lieblingsmelodie”):
„Hogwarts, Hogwarts, warzenschweiniges Hogwarts, bring uns was Schönes bei, Ob alt und kahl
oder jung und albern, wir sehnen uns Wissen herbei. Denn noch sind unsre Köpfe leer, voll Luft
und voll toter Fliegen, wir wollen nun alles erlernen, was du uns bisher hast verschwiegen. Gib dein
Bestes – wir können’s gebrauchen, unsere Köpfe, sie sollen rauchen!“
Es tönt wie die Ode an einen Guru, der seine Herde geistig völlig neu orientieren soll, einem Führer
gleich, der seiner Gefolgschaft Sinn stiften soll – was in der „alten“ Welt war, soll keinen Bestand
mehr haben, gilt als Ballast, also unsere gesamte christlich-abendländische Tradition mit ihrer
Kultur und dem Gedankengut der Aufklärung vom mündigen Bürger in einem Rechtsstaat. Was ist
daran unterhaltsam oder erstrebenswert, wenn Schüler in einem streng hierarchisch gegliederten
und von der Außenwelt abgeschirmten Umfeld unter anderem lernen, sich hinterhältiger Mitschüler
und Lehrerwillkür zu erwehren oder sich davor zu ducken, schlußendlich sogar auf Leben und Tod
in völliger Opferbereitschaft gegen finstere Mächte antreten müssen?
Das Ausgeliefertsein destruktiven Mächten gegenüber erzwingt bei den Schülern in Hogwarts die
Zerstörung der Hemmschwelle gegenüber Magie. Damit dringen die Kräfte in die Gesellschaft ein,
die das Christentum einst überwunden hat. Die Schule für Zauberei und Hexerei, ist eine
geschlossene Welt der Gewalt und des Grauens, der Verfluchung und der Verhexung, der
Rassenideologie und des Blutopfers, des Ekels und der Besessenheit. Es herrscht eine Atmosphäre
ständiger Bedrohung, die sich auf den (jungen) Leser überträgt.Harry Potter handelt nicht vom
Kampf des Guten gegen den Bösen. Von Band zu Band wird Harrys Verwandtschaft mit
Voldemort, dem ganz und gar Bösen, deutlicher. Im V. Band wird er selbst von Voldemort
besessen, was zur Zerstörung seiner Persönlichkeit führt. Die Menschenwelt wird erniedrigt, die
Welt der Hexen und Zauberer glorifiziert.
Sprengsätze jeglicher Kooperationsbemühungen: Niedertracht und Intrige als neue Werte
Wieviel Vereinsamung und Verrohung geht auf die kindlichen Fans über? Die Identifikation mit
dem Lesestoff scheint weit zu gehen, wenn die Betreiber einer Harry-Potter-Homepage anmerken,
daß „viele Fans sich für Harry oder Hermine (halten)“. Wie im Spukschloß Hogwarts lernen nicht
nur die Fan-Club-Mitglieder, wie man die normale Schulwelt zu sehen hat, denn es gibt „süße
Rache im Computerspiel: Der fiese Lehrer Snape explodiert“. Dies ist übrigens im Band 2 Harry
Potter und die Kammer des Schreckens schon angelegt: „Fred und George forderten Harry und Ron
zu ein paar Spielen ‚Snape explodiert‘ heraus …“ (S. 280). Man meint, hier sollen künftige
Politfunktionäre abgerichtet werden, wenn „Heuler“ angepriesen werden, „lärmende Grüße, die
gern per E-mail an ungeliebte Lehrer verschickt werden“. Mehr noch: „Hagrid mußte Harry beinahe
wegziehen von Werken wie Flüche und Gegenflüche (Verzaubern Sie Ihre Freunde und verhexen
Sie Ihre Feinde mit den neuesten Racheakten: Haarausfall, Gummibeine, Vertrocknete Zunge und
vieles, vieles mehr) von Professor Vindictus Viridian“ (Bd. 1, S. 90).
Sehen wir weiter, wie Rowling den antisozialen Charakter der Kinder in Hogwart formen hilft. Was
sind nun Ziele und Mittel des Unterrichts und wie wird das Lehrer-Schüler-Verhältnis dargestellt?
„’Ihr seid hier, um die schwierige Wissenschaft und exakte Kunst der Zaubertrankbrauerei zu
lernen. … Ich kann euch lehren, wie man Ruhm in Flaschen füllt, Ansehen zusammenbraut, sogar
den Tod verkorkt – sofern ihr kein großer Haufen Dummköpfe seid, wie ich sie sonst immer in der
Klasse habe’.“ Neben einer verächtlichen Einstellung den Schülerbemühungen gegenüber steht
diese Anmerkung exemplarisch dafür, daß die Frage der Macht sich durch alle Bände zieht, genauso
wie Strafe und willkürliche Behandlung ohne Rechtssicherheit an der Tagesordnung sind.
Und die Schülbücher? Neben „Lehrbüchern der Zaubersprüche“, „Zaubertränke und Zauberbräue“,
„Tanz mit der Todesfee“, Gammeln mit Ghulen“, „Ferien mit Vetteln“, Wanderungen mit
Werwölfen“, „Abstecher mit Vampiren“ wird auch „Vertrauensschüler und ihr Weg zur Macht –
Eine Studie über Vertrauensschüler in Hogwarts und ihre Karrieren“ genannt.
Der „neue Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste“ beispielsweise lebt in erster Linie von
eitel und selbstgefällig ausgespielter Publicity, mit der er seine Schüler mehr als einmal in
Lebensgefahr bringt, da er das ausgewiesene Fach überhaupt nicht ausfüllen kann. Das stört an
dieser Schule aber offensichtlich niemanden. Die Schüler in Hogwarts erhalten zudem keinerlei
Kenntnisse über die Geschichte und Kultur der „Muggelwelt“ – wozu auch, scheint sie ähnlich wie
in den Büchern von Horrorautor Stephen King doch nur Verachtung und Untergang zu verdienen.
Die neue Elite der Zauberschüler von Hogwarts hingegen wird im Geiste von Überlegenheit und
selbstverständlichem Überfluß erzogen – man denke nur an die Gelage mit ihren ständig sich
nachfüllenden Bratenschalen im Speisesaal. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß das
Schulverständnis von Rowling den in vielen Ländern zu beobachtenden Tendenzen einer Auflösung
des auf Fachkenntnis und bewährten Methoden der Instruktion beruhenden Schulunterrichts zu
entsprechen scheint.
Es geht also mitnichten um „ganz normale Kinder“, wie Rowling und die Jubelmedien glauben
machen möchten, sondern offensichtlich um das Heranzüchten einer Elite von Kämpfern, deren
„Reifungsprozeß“ der Kampf ist. Unter den Schülern tobt eine menschenverachtende Konkurrenz
gegen Schwächere: Ein Schüler, der sich beim ersten Besenreiten übel verletzt hat, wird als
„Riesentrampel“ und „Lahmarsch“ abgewertet und ihm ein Geschenk von seiner Oma kurzerhand
entwendet. Harry will den Mitschüler rächen und tritt – obwohl unter Androhung des
Schulausschlusses verboten – auf dem Besen gegen den „bösen“ Mitschüler zum Zweikampf an.
Statt einer Bestrafung wird Harry wegen seines „Naturtalents“ auf dem Besen der Hausmannschaft
seines „Turms“ zugeteilt (Bd. 1, Seite 167).
Der Hausmeister von Hogwarts befindet, daß „harte Arbeit und Schmerzen … die besten
Lehrmeister (sind)“ und als Strafarbeit für 11jährige (!) „Missetäter“ kann ein Gang in den
„verbotenen Wald“ bei Nacht angeordnet werden, in dem sich Werwölfe und andere
lebensbedrohliche Gestalten herumtreiben – eigentlich ein glatter Fall für ein
Menschenrechtstribunal, denn hier gilt der Lebensschutz offensichtlich nicht. Die Rede ist –
wohlgemerkt – nicht von sozialistischer Gehirnwäsche oder mittelalterlicher Despotenherrschaft,
sondern von Schloß Hogwarts und Harry Potter.
Schulverständnis – Täglicher Überlebenskampf
Das Schulverständnis in den Harry Potter-Romanen geht „von einem konstruktivistischen
Lernbegriff aus, demzufolge der Mensch Wissen konstruiert auf der Basis seines individuellen
Vorwissens sowie seiner Wahrnehmung und der Bedeutung, welche das jeweilige Thema für ihn
persönlich hat.“ (Bayern, LehrplanPLUS, Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule; 2., S.
15). Dies bedeutet, dass jedes Kind sich seine subjektive Sicht der Welt, sein persönliches, für sich
relevantes Wissen konstruieren soll. Der Erwerb von grundlegendem Wissen und soliden
Fertigkeiten darf aber nicht persönlichen Vorlieben überlassen bleiben. Konstruktivismus bedeutet
die Abschaffung der Pädagogik, die Abschaffung dessen, was sich die Menschheit errungen hat.
Nämlich, dass Wissen und Kulturtechniken – und damit Kultur – von einem Wissenden, einem
Lehrer, der hierfür sein Handwerkszeug gelernt hat, an einen Schüler, einen Noch-nicht-Wissenden,
in einem Beziehungsgeschehen vermittelt werden können und müssen. Hierfür wurden die
allgemeinbildenden Schulen gegründet. Es gibt Wirklichkeit und objektives Wissen, was den
Kindern auch so vermittelt werden muss. Das ist eine zentrale Aufgabe von Schu-le und das müssen
Bürger von Schule erwarten dürfen. Über die Lernerfahrungen in der Schülergemeinschaft müssen
grundlegende demokratische Gestaltungsfähigkeiten entwickelt werden. So werden die Kinder
befähigt, später als Er-wachsene Verantwortung in der Familie, im Beruf und als Staatsbürger zu
übernehmen Ansonsten erfolgt ein Rückfall in Willkür und Gewaltherrschaft. (Vgl. „Eltern für eine
gute Bildung – Nein zum LehrplanPLUS“, http://www.eltern-fuer-gutebildung.
de/index.php?Elternbrief).
Absolutismus statt Menschenrechte
Die Lektüre von Harry Potter „ist ein Vergehen an der jungen Generation, sie spielerisch zur Magie
zu verführen und ihre Phantasie mit Bildern einer Welt anzufüllen, in der das Böse regiert, eine
Welt, die nicht nur als ausweglos, sondern als erstrebenswert dargestellt wird“
(http://www.gabriele-kuby.de/harry_potter.html). Statt eines rechtsstaatlichen Verfahrens mit
Gewaltenteilung gibt es ein Zaubereiministerium, wobei der Minister für Zauberei
außergewöhnliche Vollmachten hat. Das allmächtige Zauberministerium entscheidet anscheinenend
über Leben und Tod des Einzelnen. Je nachdem kommt auch ein Scharfrichter als Henker in
Begleitung des Hinrichtungsbeauftragten aus dem Zauberministerium mit seiner Axt zum Einsatz.
Ein Ausschuss zur Beseitigung gefährlicher Geschöpfe kann diese als Schuldige annehmen und zur
Hinrichtung verurteilen. Von diesem Ausschuss werden Klagen gegen wildgewordene magische
Wesen im Rahmen einer Anhörung des Halters und der Klagenden untersucht. Anschliessend fällt
der Ausschuss sein Urteil, ob das beschuldigte Tierwesen getötet werden muss oder nicht. Fällt der
Ausschuss ein Todesurteil, bestimmt er auch, wann es vollstreckt werden soll und verfügt über
einen kompetenten Henker. Zwar findet in jedem Fall noch eine Berufungsverhandlung statt, sie ist
aber eher eine Formsache. Es bleibt offen, ob jeweils eine „tierwesenfreundliche Hinrichtung“
gewährleistet ist ( https://harry-potter.fandom.com/de/wiki/Hippogreif).
Dabei war der Einzelne jeweils in eine soziale Rolle hineingeboren und blieb in dieser, auf einer das
Jenseits orientierten Welt. „So anerkannt ihre Rolle auch war, blieben die Vollstrecker des Gesetzes
selbst aus dem Leben der Gesellschaft ausgeschlossen: Seit dem Mittelalter wurden Scharfrichter
verachtet. … Strafe und Vergeltung waren die Grundpfeiler einer Rechtspraxis, die sowohl im
germanischen Recht als auch in dem Mosaischen Grundsatz ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘
wurzelte. Weit verbreitet war der Aberglaube, dass bei ungesühnten Verbrechen die Gemeinde vom
Zorn Gottes heimgesucht würde, der sich in Form von Pest, Hungersnöten und anderen Unglücken
zeigte. … Eine ‚gelungene Folter‘ verlangte hartes Training. Über Jahre hinweg mussten Lehrlinge
Schwerter schleifen, Martergeräte warten oder Leichname entsorgen, bevor sie selbst Hand anlegen
durften. Denn die Tortur musste so durchgeführt werden, dass das Opfer nicht frühzeitig an seinen
Qualen verstarb. Dabei galt es, die Kräfte des Verurteilten richtig einzuschätzen und planvoll
vorzugehen. Besonders die Hinrichtung mit dem Schwert, die als ehrenhafteste Form der
Todesstrafe galt, erforderte viel Erfahrung“ (https://www.welt.de/geschichte/article139068999/Der-
Henker-trennt-zwischen-Beruf-und-Privatleben.html).
Mittels des Zauberministeriums kann ein Kollegium aus Schulräten nach Aktenlage beispielsweise
einen Verdächtigen persönlich in Gewahrsam nehmen (!), ohne daß jemand sonst weiß, wohin er
verbracht wurde. Mit der Tatsache der Verhaftung wird zugleich die Schuldfrage als geklärt
angesehen. Schuld oder Unschuld sind zudem eng mit Strafe verbunden, die ebenfalls willkürlich
ausgesprochen werden kann. Ein Prinzip, das sich durch alle Aktivitäten Harry Potters und seiner
Freunde zieht.
Das Gute umkreist das im Mittelpunkte setehende Böse
Der Kampf um Leben und Tod, den die Kinder immer wieder bestehen müssen, wird in seiner
Brutalität minutiös geschildert: In einer Gruft müssen sich Harry und seine Freunde über ein
riesiges Schachbrett aus steinernen Figuren spielen, die zu leben schienen und können nur
durchkommen, indem sie zu „Schachmenschen“ werden. Die Figuren zeigten bei der Vernichtung
gegnerischer Spieler „niemals Gnade“. Einer von Harrys Mitstreitern opfert sich, damit sie das
Spiel gewinnen können.
Ob Opfermut oder Vasallentreue –spielt Rowling nicht auf der Klaviatur von Führer und
Gefolgschaft, von Heldenmythos und Nibelungentreue? Denn nur der scheint ein Anrecht auf Hilfe
in der Not zu haben, der seine Treue zum Herrn – hier Schulleiter Dumbledore – bewiesen hat.
Das Harry-Potter-Szenario wirkt insgesamt als Renaissance der Tradition des Absolutismus, in dem
Gnade und Gunst gewährt, Strafen verhängt und Wissen zugeteilt wird; ein Leben, in dem man
immer auf der Hut sein muß. Erinnert nicht die Besessenheit, mit der Bösewicht Lord Valdemort in
vielerlei Verkleidungen den „Erleuchteten“ Harry Potter auslöschen will ein wenig an die
Verfolgung des Jesus-Kindes durch König Herodes und ist es nicht diese Mischung von Mystik und
Gewalt, die die Leser deshalb in den Bann zieht, weil die medial bereits vorbereitete geistige
Verwirrung und emotionale Stumpfheit aller Orten bereits großen Raum einnimmt?
Überhaupt: Rowling scheint grundsätzlich Versatzstücke aus bekannten Horrorfilm- und Fantasy-
Genres zu verwenden. So erinnert die Geburtstagsparty der Schloßgeister etwas an den Film „Die
Nacht der reitenden Leichen“ (Bd. 2, Seite 142f), der Zauber spiegel an „Alice im Wunderland“.
Die unendliche Auseinandersetzung mit Lord Voldemort, dem auf die Seite der Schwarzen Magie
übergetretenenen Bösewicht, könnte bei der Star-Wars-Saga von George Lucas, dem „Krieg der
Sterne“, entlehnt sein.
Die Grenzen von Wahn und Wirklichkeit verschwimmen, im Unterschied zu Stephen King
kommen die Gestalten in der Parallelwelt von Schloß Hogwarts nicht immer zwangsläufig und
endgültig zu Schaden, erscheint doch am Ende immer wieder ein Funken Hoffnung in all dem
Pessimismus der Welt gegenüber; die „Muggelwelt“ spielt hierbei eher die Rolle negativen
Kontrastes. Nachdem Harry Potter mit seinen Pflegeeltern nur Grausames erleben durfte, welche
Hoffnung bleibt ihm noch? „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, sprach dereinst der Führer
der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno, und ettikettierte den Alltag der Normalbürger als
„objektives Grau“.
Erzeugung von machtvollen Paralellwelten
Natürlich sind in das Geschehen um Harry Potter herum auch „positive“, anrührende
Erlebnisqualitäten eingewoben, die den Leser zur Identifikation mit Harry bzw. seiner Situation
anregen können, wie etwa ein um das Leben von Harry Potter „bemühter“ Hauself, eine Art
Hausdiener. Allerdings scheint es auch für Harry Potter kein Problem darzustellen, daß hier die
Leibeigenschaft noch gilt, entscheidend ist offensichtlich bloß, ob die Herrschaft der dunklen Seite
der Macht angehört oder nicht. Es gibt auch immer wieder Inseln zwischenmenschlicher Hoffnung,
wie etwa die Mutter der Zaubererfamilie Weasley, die Harry gerne bekocht. Doch diese
Sicherheiten werden als trügerisch und nur vorläufig dargestellt, denn „der Kampf zwischen gut und
böse scheint auf ewig zu bestehen: Immer wieder regt sich Du–weißt–schon–wer“, immer wieder
muß er zurückgeschlagen werden.
Wird hier nicht eine Parallelwelt zu der als blaß und öde geschilderten „Muggelwelt“ der
Normalmenschen aufgerichtet und findet damit verbunden nicht eine die Entwertung sinnvollen
prosozialen Lernens, unserer kulturellen Tradition statt? Statt dessen werden Denken, Fühlen und
Leben der Kinder in eine Welt geführt, in der es kein friedliches Miteinander gibt, sondern dunkle
Mächte, die jederzeit ins Leben einbrechen können, eine Art Kampf ums Überleben und
permanentes Mißtrauen, denn jeder Freund kann sich als Feind entpuppen. Mit einem Insider-
Kauderwelsch werden die Leser in eine eigene Denkwelt hineingezwungen und beschäftigt, die sich
als Abgrenzung von der Erwachsenenwelt behauptet. Längst gibt es natürlich auch ein ABC der
Begriffe aus den Harry Potter-Büchern zu kaufen.
Wozu brauchen unsere Kinder ein solches Hineingezogenwerden in ein geschlossenes, mystisch–
magisches System ähnlich dem der Pokemons? Befragt man sie, erhält man oft zur Antwort, daß sie
schon gerne einmal den verhaßten Bruder mit einem Fluch belegen würden oder daß die
Erwachsenen diese eigene Kinderwelt eben nicht verstehen, oder aber, daß Harry Potter unsere
Zukunft zeigen würde. Andere Kinder würden gerne nach Hogwarts gehen, weil es dort keine
Schulpflicht gibt – kurzum, sinnvolle Auswege aus den realen Sorgen und Nöten der Kinder werden
bei Harry Potter nicht gezeigt. Statt dessen werden die Kinder mit Knalleffekten auf jeder Seite in
den Büchern bei der Stange gehalten, mit Action abgefüttert und auf einem mittelalterlichem Weltund
Menschenbild eingeschworen. Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit Rowling die Kinder
den Eltern gerne entziehen möchte1, zumal in den Büchern aber im Medienrummel Gleichaltrigen
anscheinend ein größerer Einfluß als den Eltern zugebilligt wird. Es gibt nun bereits auch eine PCVersion
der Abenteuer; man darf gespannt sein, wann die ersten Psychiatriefälle fantasygeschädigter
Kinder auftauchen – einen Unglücksfall soll es ja schon gegeben haben.
Zerschlagung unserer christlichen Tradition
So werden beispielsweise verantwortungsbewußte Christen in den Medien lächerlich gemacht2: In
einem „Dorf auf der Schwäbischen Alb“ habe eine evangelische Gemeinde die „Harry-Potter-
Bücher aus der Bibliothek verbannt“ – wohl gemerkt, tatsächlich sollten sie lediglich nicht in die
Bibliothek der Pfarrei aufgenommen werden! Der aufmerksame Zeitgenosse fragt sich, warum sich
aufgeklärte Christen nicht wie selbstverständlich im Namen der Nächstenliebe gegen eine
Propaganda für „dämonische Handlungen“, Okkultismus“ und „Hexerei“ wehren dürfen!? Ihr
Festhalten an der Frohbotschaft von Jesus Christus wird statt dessen gegen sie gekehrt, indem Harry
Potter zu einer Art modernem Jesus Christus gemacht wird: „Die Kirche fürchtet um ihren Einfluß.
Kein Wunder, erzählen doch die Harry-Potter-Bücher eine ähnliche Geschichte wie die vom Erlöser
… geht Harry Potter nicht den irdischen Leidensweg, ehe er aus der Verborgenheit heraustreten
kann? Ist er nicht ein Auserwählter, ein Gezeichneter? Nimmt nicht er allein den Kampf gegen das
Böse auf, stellvertretend für viele?“3 Infamer kann man die pseudoreligiöse Verklärung des neuen
Jugendführers kaum in die Seelen der Menschen zu pflanzen versuchen.
Wen erinnert es nicht an den Versuch der „Braunen Kirche“, aus Adolf Hitler den „Erlöser“ des
„Deutschen Volkes“ in der Nachfolge von Jesus Christus zu stilisieren und war sie in ihrer
Demagogie nicht genauso skrupellos, wie heute anscheinend der Welterlöser Harry Potter als der
neue „Heiland“ einer Welteinheitsreligion publicity-wirksam in Szene gesetzt wird? Schlimmer
noch: Walter Schmidt, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche, scheint zu dieser
Tendenz beizutragen, befindet er doch, daß in den Harry-Potter-Büchern „christlich-jüdische
Elemente verarbeitet“ seien, „christlich-jüdisches Erzählmaterial“ verwendet und „im Grunde
genommen eine alte Geschichte erzählt“ werde. Problematisch sei es nur, wenn „Menschen
glauben, durch Irrationalismus, Fluchtbewegung, Eskapismus könnten sie ihr Leben und diese
Gesellschaft bewältigen.“ Geben die neuen Inquisitoren der Weltanschauungskontrolle der
Propaganda für Magie und totalitäre Menschenlenkung deswegen ihren Segen, weil sie glauben, es
nütze der eigenen Sache? Damit erweisen sie sich allerdings als Teil eines Systems, das ähnlich wie
zu Kaiser Augustus’ Zeiten die Machtausübung bemänteln half, heute offensichtlich mediengestützt
die demokratischen Errungenschaften Stück für Stück aus den Köpfen der nachwachsenden
Generation verbannen hilft.
© Werner Schramm, 6/2020 Höchstadt
1 „Danke, Harry Potter! Kinder lesen wieder mehr“, 17.02.2007,
https://www.bild.de/news/2007/harry-potter-buecher-1414386.bild.html
2 „Das Harry-Potter-Syndrom“, arte, 25.3.2001
3 „Das Harry-Potter-Syndrom“, arte, 25.3.2001