Auslöser 1/2014 A-Cinema

Auslöser 1/2014 A-Cinema

Die Zukunft des Kinos ist Sache der Politik. Im vergangenen Jahr wurde das Förderprogramm des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) um zwei weitere Jahre verlängert. Hierzu wurde ein Budget von 400.000 Euro zur Verfügung gestellt. Kinos im Freistaat mit einem jährlichen Nettokarten-Umsatz von 40.000 bis 260.000 Euro bzw. Besucherzahlen ab 8.000 Kinogängern pro Jahr haben ein Anrecht auf Förderung. In Sachsen erfüllen diese Voraussetzungen etwa 45 Kinos. Was aber ist mit dem Rest?   Eines dieser Drop-Out Cinemas ist das Kunstbauerkino Großhennersdorf. Das kleine Lichtspielhaus will sich allerdings nicht vom digitalen Wandel ausschließen lassen, wie Mitbetreiber Tobias Gubsch klarstellt. „Um weiterhin aktuelle und wichtige Filme im Programm zu haben und weiterhin ein ansprechendes Arthouse- und Programmkinoangebot bieten zu können, ist die Erweiterung unserer Technik auf die DCP-Wiedergabe unumgänglich. Die Anschaffung eines Abspielsystems, das die vorgegebene DCI-Norm erfüllt, ist aber für uns als gemeinnütziges, ehrenamtlich organisiertes Programmkino im ländlichen Raum wirtschaftlich nicht möglich.“   Text: Lars Tunçay, Fotos: flickr-Tomás Fano, Christoph Ruhrmann, Matthias Weber Die Cinémathèque in Leipzig sieht das Easy DCP Open Source als alternativen Weg zu DCI. So geht es auch der Cinémathèque in Leipzig, wie Stefan Wein bestätigt. „Dabei ist es gar nicht mal nur das Geld, auch der Platz und die Umbaumaßnahmen, die dafür notwendig sind, sind für uns nicht machbar. Die Größe des Projektors und die nötige Abluftanlage lassen sich in unserem kleinen Vorführraum einfach nicht unterbringen.“ Deshalb begann die Cinémathèque früh über eine Alternative nachzudenken. „Im Grunde genommen ist ein DCI-Server nur ein Rechner. Also muss es doch möglich sein, einen Rechner so zu konfigurieren, damit das Bild in der üblichen Qualität dabei rauskommt. Das ist kein Voodoo, was da in den DCI-Maschinen steckt, wie viele vermuten, sondern ganz normale Technik“, betont Stefan Wein. Auf der Suche nach einer geeigneten Software zum Abspielen der Videodaten stieß er auf EasyDCP von der Fraunhofer-Gesellschaft. Denen schrieb er dann einfach eine E-Mail, ob es für sie vorstellbar wäre, diese für das Kino anzupassen. „Die waren freudig überrascht und haben sich gewundert, dass bisher noch keiner nachgefragt hatte.“   Damit war die technische Grundlage für ein neues digitales Kinosystem gelegt: A-Cinema. Als Reaktion auf die Digital Cinema Initiatives (DCI), einem Zusammenschluss amerikanischer Filmstudios zur Schaffung eines einheitlichen Standards, versucht A-Cinema alternative Wege zu gehen. „Die Kinos und Verbände haben wie ein Kaninchen vor der Schlange gestanden mit der Digitalisierung. Die haben genommen, was man ihnen vorgesetzt hat, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken“, kritisiert Stefan Wein das System. Sven Wörner erläutert: „Du bekommst eine Box, die ist verplombt und du weißt nicht, wie lang die Technik oder die Software aktuell ist. Du kannst sie nicht updaten, musst sie beim selben Anbieter neu kaufen. Du hast also keine Freiheit, die Technik zu nutzen, die für deine Zwecke plausibel ist.  Du bist immer an den einzelnen Anbieter gebunden. Das ist praktisch so etwas wie die Einführung des Gen-Mais im Kino.“ 8 THEMA  „Der Subtext: Wir Kinobetreiber würden raubkopieren. In dieser Form sind die Kinos nur noch Anhängsel des Verleihs und kein vollwertiger Partner mehr.“ Ein Problem ist auch die Virtual Print Fee, die die Finanzierung der Digitalisierung der Kinos möglich machen soll. „Wenn ein Kino einen Film von einem Verleiher ausleiht, der in diesem Treuhandvertrag mit der FFA drin ist, muss der Verleiher eine Gebühr an die FFA abtreten. Damit werden die Ausgaben für die Digitalisierung zurückgeholt“, erklärt Angela Seidel, Geschäftsführerin der Cinémathèque. „Wenn der Verleih nicht in diesem Vertrag drin ist, muss das Kino diese Gebühr tragen. Dieser Vertrag galt zunächst nur für Kinos mit DCI-Standard. Eva Matlok (FFA) hat durchgeboxt, dass er auch für Kinos wie uns gilt. Für uns ist allerdings kein Verleih bereit, die Gebühr für ein Kino, dass nicht DCI ist, zu zahlen. Daher bekommen wir keine Erstaufführungen, sondern können uns frühestens 3 Wochen nach Verleihbeginn anstellen.“ Die Angst vor Raubkopien trägt dabei absurde Blüten: „Wenn der Verleih nicht bereit ist, die DCP herauszurücken, erstellt er eine zusätzliche Kopie auf Blu-Ray und stellt sie uns in Rechnung. Dabei wäre es für uns ebenso möglich, die Blu-Ray zu rippen“, stellt Stefan Wein fest.   Ein wichtiges Argument für A-Cinema ist die Kalkulierbarkeit der Folgekosten. „Es sind eben viele am aufoktroyierten Standard DCI beteiligt, die Teil dieses DCI-Konsortiums sind und dadurch mit Aufträgen versorgt werden, also direkt davon profitieren“, moniert Angela Seidel. „Allein wenn man sieht, was die für die Installation der Technik verlangen. Dafür gibt es Förderung, aber wir machen alles ehrenamtlich hier“, beklagt Stefan Wein. „Unser Ziel ist es, nicht auf die technische Entwicklung des DCI-Konsortiums angewiesen zu sein. Wenn ich eine geschlossene, zertifizierte Box habe, weiß ja keiner, was da irgendwann erneuert werden muss. Wenn ich nur eine neue Grafikkarte brauche, warum muss ich dann einen Servicevertrag abschließen, wenn ich das selber  plausibel ist. Du bist immer an den einzelnen Anbieter gebunden. Das ist praktisch so etwas wie die Einführung des Gen-Mais im Kino.“ Was aber, wenn die Daten auf der Festplatte fehlerhaft sind? „Bei DCI hast du keine Möglichkeit bei einem Erstellungsfehler der Filmdaten, etwa bei einer falschen Framerate, einzugreifen. Das ist bei einer geschlossenen Box einfach nicht möglich. Die kleinen Kinos müssen ja auch mit verschiedenen Filmformaten umgehen können. Deshalb steht A-Cinema auch für Alles. Es geht darum, eine möglichst große Datenvielfalt bearbeiten und projizieren zu können“, betont Stefan Wein. Das Problem, welches sich mit einer so offenen Struktur ergibt, ist, dass Filmdaten theoretisch auch kopiert werden können. Dies zu unterbinden war eine der wichtigsten Motivationen für die Gründung der DCI. „Wir können auf unseren Rechner zugreifen und theoretisch den Film kopieren. Damit würden wir uns aber ja nur selbst schaden“, betont Sven Wörner. „Das Argument der DCI ist: Raubkopien werden damit unterbunden. Der Subtext: Wir Kinobetreiber würden raubkopieren. In dieser Form sind die Kinos nur noch Anhängsel des Verleihs und kein vollwertiger Partner mehr.“   Hier gilt es Vertrauen zu schaffen bei den Verleihern. „Du kannst nur immer wieder mit ihnen reden. Einige der kleinen Verleiher geben uns weiterhin gerne ihre Kopien. Die Majors lehnen dies aber grundsätzlich ab“, beklagt Sven Wörner die Situation und auch Tobias Gubsch vom Kunstbauerkino stellt fest: „Vordergründig werden hier immer Sicherheits- und Qualitätsargumente ins Feld geführt, welche im Hinblick auf unser alternatives Abspielsystem weder belegt noch nachzuvollziehen sind. Dies schränkt uns in der Filmauswahl natürlich etwas ein und während man größere Produktionen der Majors 2013 z.B. „The Butler“ bei Fox oder „Blue Jasmin“ bei Warner auf 35mm etwa 6 bis 8 Wochen nach Start doch noch bekam, heißt es heute leider ‚Geht gar nicht’ oder ‚Warten Sie auf den Blu-Ray Start’.“ Den meisten Verleihern geht es da wahrscheinlich so wie Tobis: „Wir haben leider noch zu wenig Erfahrung mit A-Cinema, um das Thema einschätzen und bewerten zu können“, erklärt Charlotte Makris, gibt aber Anlass zur Hoffnung: „Grundsätzlich, falls die jeweilige Filmlizenz bzw. der Lizenzgeber es zulassen, beliefern wir alle Kinos, die noch Systeme außerhalb von DCI bedienen.“  „Unser Ziel ist es, nicht auf die technische Entwicklung des DCI-Konsortiums angewiesen zu sein. Wenn ich eine geschlossene, zertifizierte Box habe, weiß ja keiner, was da irgendwann erneuert werden muss. Wenn ich nur eine neue Grafikkarte brauche, warum muss ich dann einen Servicevertrag abschließen, wenn ich das selber „Der Subtext: Wir Kinobetreiber würden raubkopieren. In dieser Form sind die Kinos nur noch Anhängsel des Verleihs und kein vollwertiger Partner mehr.“ Weitere Informationen unter a-cinema.cinematheque-leipzig.de machen kann? Warum bin ich gezwungen, diese Grafikkarte zu nehmen, die da drin ist, und nicht eine andere, die mehr Funktionen hat? Wir möchten ganz einfach die technischen Möglichkeiten nutzen, um einen Film bestmöglich abzuspielen.“ Sven Wörner, Cinémathèque Leipzig, denkt das derzeitige System weiter. „Wenn du so eine DCI-Anlage hast, sitzt du auf Kosten, die du einspielen musst. Also die betriebswirtschaftliche Überlegung wird notwendigerweise in die Richtung gelenkt, auch bevorzugt Filme einzusetzen, von denen du denkst, dass sie die Kosten einspielen. Das heißt, du beschneidest dich als Veranstalter in deiner inhaltlichen Freiheit. Das hat aus einer kulturellen Perspektive betrachtet Auswirkungen, vor denen ich ein wenig Angst habe.“   Deshalb muss auch auf politischer Ebene Lobbyarbeit für das Projekt A-Cinema gemacht werden. Das Team der Cinémathèque sieht sich allerdings an den Grenzen seiner Kapazitäten. Auch deshalb ist EasyDCP Open Source, so dass jeder, der eine zündende Idee hat, daran weiterarbeiten kann. Außerdem braucht es eine externe Kontrollinstanz über die Serverschlüssel, damit Verleiher Vertrauen bilden können. Derzeit liegt diese beim Frauenhofer Institut. Eine gute Lösung, wie Stefan Wein findet, aber es ist fraglich, ob das Frauenhofer da als Forschungseinrichtung weiterhin zur Verfügung steht. „An dieser Stelle sollte die FFA einspringen, damit das Vertrauen der Verleiher da ist“, fordert Sven Wörner. Doch die FFA fördert derzeit lediglich die Umrüstung, jedoch nicht in der Entwicklung. Für sie ist das System marktwirtschaftlich nicht relevant. 􀁑 Kunstbauerkino in Großhennersdorf, (Teil des Team, v.l.) Antje Schadow, Lutz Sievert, Henry Peinzger, Peter Matthes