Werden US-amerikanische Filmproduzenten/-verleiher die europäische Filmkultur übernehmenund künftig verstärkt nach Hollywoodstandard umformen?

Werden US-amerikanische Filmproduzenten/-verleiher die europäische Filmkultur übernehmen
und künftig verstärkt nach Hollywoodstandard umformen?

Verein Förderung der Filmkultur e.V.
c/o Ulrike und Werner Schramm
Beethovenstr. 8
91315 Höchstadt/Aisch
T 01603402083
Email: info@aischtaler-filmtheater.net
OFFENER BRIEF
zu Händen deutscher Filmproduzenten, -verleiher (gewerblich und nicht-gewerblich), all jenen,
die in Bildungseinrichtungen arbeiten und am Erhalt unserer europäischen Filmkultur
interessierten Mitbürgern.

US-amerikanische Filmverleiher wie Warner Bros., Universal, 20th Century Fox etc. verweigern seit
der Umstellung von 35mm-Film auf digitales Kino offensichtlich unter einem Vorwand die Belieferung
von Kinos mit lediglich sog. DCI-kompatiblen Servern. Wie jedoch zu zeigen ist, scheint es um die
Übernahme des gesamteuropäischen Marktes (ohne Rußland) und Steuerung von Inhalten und
Verleihgeschäft seitens der sog. Majors aus den USA zu gehen. Dem gilt es entgegenzuwirken.
Die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters schreibt: „Kunst und Kultur brauchen
größtmögliche Freiheit, um sich entfalten zu können.“ Wie läßt sich das mit der Ausgrenzung von Kinos
mit lediglich DCI-kompatiblen Anlagen auch aus der staatlichen Förderung vereinbaren? Das
Ministerium schweigt sich dazu – auch auf Nachfrage – bis heute aus.
Wir möchten auf diesem Wege in einem ersten Schritt erreichen, daß Filme deutscher Verleiher
über deutsche Disponenten gebucht werden, aber auch, daß vor allem mit öffentlichen Geldern
(mit)finanzierte Filme ebenfalls endlich „technikfrei“ verfügbar sind.
Eine Reihe Kinos wurden und werden auch mit öffentlichen Geldern für das rein im
privatwirtschaftlichen Interesse durchgesetzte US-amerikanische Geschäftsmodell DCI-Konformität
mitfinanziert. Wir erwarten generell, mit allen Verleihern (auch mit den US-Majors in Deutschland) auf
Augenhöhe verhandeln zu können und von diesen beliefert zu werden. Sicherheits- und andere
Vorwände sind übrigens längst fachlich widerlegt, eine Reihe Filme werden mittlerweile sogar ohne
Verschlüsselung ausgeliefert. Die Ausgrenzung und Diskrimierung DCI-kompatibler Systeme
speziell durch die sog. US-Majors muß beendet werden! Das gilt auch für die Gestaltung der
Leihmieten, vor allem dann, wenn Filme bereits seit längerem „durch die Kinos“ sind. Wir hoffen
insgesamt bei all diesen Fragen auf Ihre Mithilfe.
Die großen, aber auch speziell die kleineren Filmverleihe müßten die Digitalisierung eigentlich zwiespältig
betrachten: Durch den Verzicht auf Filmkopien können sie zwar über eine Milliarde Dollar pro Jahr
einsparen. Außerdem erhalten sie durch DRM1
eine bessere Kontrolle über ihre Inhalte. Andererseits müssen
die Verleihe befürchten, ihr Oligopol zu verlieren, da Filmproduzenten oder andere Vermarktungsagenturen
nun auch ohne einen Verleih ihre Filme in die Kinos bringen können. „Die Erleichterungen für die
Verleihfirmen gehen so weit, daß sich die Frage nach deren Existenzberechtigung als Mittler zwischen
Rechteinhabern und Kinobetreibern stellt.“2 Denkbar wäre künftig verstärkt auch an Video on Demand
(VoD) zu denken bzw. an konzerneigene Vermarktungsketten. Freie Kinobetreiber könnten dabei die
freie Marktentfaltung à la TTIP/TiSA nur stören?!
Die Digitalisierung hat für viele kleinere Kinos – zumal wenn sie so wie unseres ehrenamtlich und in der
Fläche geführt werden – eine große (vor allem finanzielle) Umstellung erfordert. Im 35mm-Betrieb war
es möglich, Kopien als Nachspieler von mit uns kooperierenden Programmkinos zu übernehmen. Damit
fielen Transport- und andere Kosten sowohl für den Verleih als auch für uns weg und wir sorgten dann
lediglich für den Rücktransport. Die prozentual anfallenden Leihmieten konnten selbst bei 0 Euro
Mindestgarantie (MG) höher ausfallen, was unproblematisch war (und ist).

1
Digital-Rights-Management Technik ermöglicht es den Rechteinhabern, die Kontrolle über ihre Filme auch nach der
(digitalen) Auslieferung an die Kinos zu behalten. Microsoft beispielsweise hatte seinerzeit mit Windows Media 9
(WM9) einen HD-fähigen Codec im Portfolio, dessen Algorithmus jedoch proprietär und nicht offengelegt ist. Des
Weiteren ist der Codec nur unter Microsoft Windows verfügbar. WM9 integriert DRM-Technologie zur
Rechtekontrolle.
2
Digitalisierung und Internet: Konsequenzen für die Filmbranche, Stefan Schäfer,
http://www.dfjv.de/dfjv/artikelpool/pdf/43–schaeferstefan_internetfilmbranche.pdf
Mit uns kooperierende deutsche Verleiher sind übrigens gerade bei kleinen oder schlecht laufenden
Filmen froh, wenn die Filme dennoch gezeigt werden (es also um den Film geht) und sie eine, wenn
auch möglicherweise kleine Einnahme erzielen.
Anders die Erfahrung bei einer Disposition von Filmen deutscher Verleiher über US-amerikanische
Disponenten: Wir kennen die Verträge nicht und wissen von daher nicht, wieviel Einfluß der deutsche
Verleih noch auf die Konditionen hat (unserer Erfahrung nach äußerst gering), die die deutschen
Dependancen der US-amerikanischen Majors vorgeben. Erfahrungsgemäß wird dort – nicht nur – über
die Mindestgarantie maximal abgeschöpft. So kann selbst bei Übernahme (SÜ) eines in Programmkinos
bereits ausgewerteten DCPs, also auch wenn der Film längst durch die Kinos bzw. zudem ggfs. noch
schlecht gelaufen ist, u.U. noch 105 Euro Mindestgarantie verlangt werden (eine neue DCP braucht
jedoch nicht erstellt werden, der Verleih erspart sich etwa 70 Euro plus Versand).
Neben der Unterwerfung von Produzenten/Verleihern und Filmtheatern unter den aus Übersee diktierten
sog. technischen „Standard“ DCI-konform erfolgt damit auch generell die Überstülpung einer
Marktideologie, die nicht von Kooperation, sondern von erzwingender Dominanz der
Profitmaximierung geprägt ist. Indem deutsche Verleiher – und ggfs. auch Produzenten – (selbst bei mit
öffentlichen Geldern geförderten Filmen) jedoch sich durch Abgabe der Vermarktung oder gar Verkauf
ihrer Ware an US-Disponenten dieser Ideologie unterwerfen, könnten sie sich längerfristig
gewissermaßen den eigenen Ast absägen.
„In den USA zählt Film nicht als kulturelles, sondern als wirtschaftliches Gut. Insofern gibt es
keine staatliche Förderung für D-Cinema. In Europa hingegen werden Film und Kino als
kulturelles Gut betrachtet. Zahlreiche staatliche und europäische Filmförderungen
unterstützen Filmemacher und Kinos finanziell.“3

Warum wir auch in Hinblich auf die langen Schatten der Freihandelsabkommen TTIP/TiSA darauf
hinarbeiten müssen, diesem destruktiven und unsere Filmkultur erstickenden Treiben entgegenzutreten,
ist offensichtlich geworden: Die multinationalen Konzerne wollen mit TTIP erneut die nationale
Demokratie aushebeln. Mit Recht haben deshalb schon seit längerer Zeit Kunst und Kultur gegen
das TTIP protestiert. Würde es doch die nationale öffentliche Kulturförderung als „unerlaubte
Wettbewerbsverzerrung“ angreifbar machen. Was würde hier geschehen, wenn die Orchester,
Theater, Museen, Filmkunst oder sonstigen Kultureinrichtungen nicht mehr öffentlich gefördert werden
dürften?
Wir hier in Deutschland haben allein aufgrund solcher Situationen wie dieser mit Warner Bros. und Co.,
in der sich eine Seite nicht als Partner benimmt, weder den Wunsch nach noch Akzeptanz für das sog.
Freihandelsabkommen (TTIP). Die bisherigen Vereinbarungen bzw. Gepflogenheiten kooperativer
Geschäftsbeziehungen wie etwa zu 35mm-Zeiten reichen vollkommen aus.
Skandalös:
Auch mit öffentlichen Geldern geförderte Filme nicht für alle Kinos verfügbar
US-Verleiher gebärden sich nach wie vor wie Kolonialherren?
Wir können nicht nachvollziehen, daß gerade amerikanische Verleiher auf DCI-Konformität bestehen
und noch nicht einmal Blu-ray-Lizenzen vergeben bzw. vorhandene 35mm-Kopien freigeben (Beispiel
Universal „Der Medicus“, ARD Degeto-Kinokoproduktion) ). Ende 2013 verkündete die deutsche FFA
(Filmförderanstalt) in einer Pressemitteilung: „Weihnachten mit BUDDY und DER MEDICUS / FFA
vergibt rund 5 Mio. Euro Verleihförderungen und Medialeistungen“4
. So wurden allein für den
„Medicus“ 400.000 Euro an Verleihförderung und noch einmal 400.000 Euro Medialeistung
ausgeschüttet. Obwohl mit öffentlichen Geldern gefördert, verweigert beispielsweise Universal bis
heute die Belieferung unseres A-Cinemas mit dem Film „Der Medicus“ unter dem Hinweis: „(…)
können wir digitale Filme nur liefern, wenn die Voraussetzungen für ein Abspiel nach DCI-Standard
vorliegen.“ Selbst eine DVD-Lizenz wurde genauso verweigert wie die Möglichkeit den Film auf 35mm
zu spielen. Die 35mm Kopien seien rein für den Open Air-Betrieb vorgesehen; auch ihr Einsatz zu
einem späteren Zeitpunkt wurde verweigert .
Der Film „Traumfrauen“ wurde von der Hellinger / Doll Filmproduktion GmbH mit Koproduzent und
Verleih Warner Bros. umgesetzt. Das Medienboard Berlin-Brandenburg, die gemeinsame
Filmförderung der Länder Berlin und Brandenburg, hat das Projekt mit 500 000 Euro gefördert. Die
Geschäftsführerin des Medienboards, Kirsten Niehuus, war u.a. stellvertretender Vorstand der
Filmförderungsanstalt (FFA) und deutsche Repräsentantin des europäischen Filmförderfonds

3
Digitales Kino, Wikipedia
4
http://www.ffa.de/index.php?page=presse_detail&news=1123
Eurimages5
(Filmförderungsfonds des Europarates). „Tätig wird diese gemeinnützige Organisation
außerdem manchmal beim subventionierten Verleih von europäischen Kinofilmen ins Ausland, soweit
nicht das MEDIA-Programm6
der Europäischen Union Vorrang hat.“ Kirsten Niehuus „ist Mitglied in
verschiedenen Gremien u.a. dem ZDF-Fernsehrat, dem Beirat des Deutschen Filmförderfonds (DFFF),
der Gesellschafterversammlung von German Films und dem Kuratorium der Berliner Filmhochschule
dffb.“
Insofern ist es nicht erstaunlich, wenn öffentliche Gelder in privatwirtschaftliche Bereiche geleitet
werden. Allerdings muß auch hier erwähnt werden, daß Kinos – sofern sie nicht bereit sind, die u.U.
finanziell ruinöse Investion in DCI-konforme Systeme zu riskieren – nach wie vor selbst bei aus
öffentlichen Geldern subventionierten Filmen von der Belieferung ausgeschlossen werden. Dies steht im
Widerspruch zu den Ausführungen von EU-Kommissar Günther Oettinger anläßlich der Berlinale: „Zu
einer europäischen digitalen Gesellschaft gehören außerdem europäische Inhalte, Filme, Musik,
Videospiele d.h. europäische Geschichten und kulturelle Werte, die auf digitalen Vertriebswegen
Grenzen noch einfacher überwinden können. […] Wir müssen daher dafür Sorge tragen, dass die Inhalte
d.h. Filme, Fernsehprogramme […] auch tatsächlich beim europäischen Publikum ankommen und in
ganz Europa besser zugänglich sind.“7
Unterstützen Sie von dem Gesagten her unsere Bemühungen.Nebenbei bemerkt: Die Förderung einer
Umstellung auf Digitales Kino durch das Kulturstaatsministerium (derzeit zu 30% aus Steuergeldern!)
erfolgt nur für Anlagen nach US-(Hollywood)Standard. Eine Förderung des sog. A-cinemas als vor
allem kostengünstige Alternative zu teuren US-konformen Anlagen hat Monika Grütters bislang
abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schramm, Aischtaler Filmtheater Höchstadt/Aisch 13.01.2016


Unterstützen Sie von dem Gesagten her die Bemühungen um den Erhalt unserer europäischen
Filmkultur auch in Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und schreiben Sie Protestmails auch
an:
• Raphaëlle Gondry von Europa Cinemas, r.gondry@europa-cinemas.org
• den CEO von Warner bros. USA, kevin.tsujihara@warnerbros.com
• Willi Geike, Warner Bros. Deutschland, Willi.Geike@warnerbros.com
• Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien,
monika.gruetters@bundestag.de
• Bundeskartellamt Frau Eva Brauer, Kaiser-Friedrich-Str. 16, 53113 Bonn
eva.brauer@bundeskartellamt.bund.de
Unterschriften
• Verein Förderung der Filmkultur e.V. | Höchstadt
• 3001 Kino | Hamburg
• Kunstbauerkino e.V. | Großhennersdorf
• Neisse Filmfestival | Großhennersdorf
• Kulturfabrik Meda | Mittelherwigsdorf
• Malzhaus Soziokulturelles Zentrum e.V. | Plauen
• Wolf Gauer | Filmemacher, Journalist
• Kino in der Schauburg | Zella-Mehlis
• Weltecho Das Ufer e.V | Chemnitz.
• Filmclub von der Rolle ’94 e.V. | Görlitz
Anlagen
• Vom Ruin deutscher Kulturarbeit durch Verschärfunmg des dominanten US-amerikanischen
Marktradikalismus
• DCI ist eine willkürliche Festlegung US-amerikanischer Studios

5
http://de.wikipedia.org/wiki/Eurimages
6
http://www.creative-europe-desk.de/
7
http://ec.europa.eu/commission/2014-2019/oettinger/announcements/rede-auf-der-berlinale-ein-neuesgeschaftsmodell-fur-die-filmindustrie_en