Vom Ruin deutscher Kulturarbeit durch Verschärfunmg des dominanten US-amerikanischenMarktradikalismus

Vom Ruin deutscher Kulturarbeit durch Verschärfunmg des dominanten US-amerikanischen
Marktradikalismus

Die Geheimverhandlungen über die Handelsabkommen stellen eine Bedrohung der
Menschenrechte dar, findet Prof. Dr. iur. et phil. Alfred M. de Zayas, Unabhängiger Experte der Uno
für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung. „Das kommt einer
Entrechtung des Volkes gleich und stellt eine Verletzung der geltenden Menschenrechtsnormen dar,
welche verlangen, dass jeder Bürger das Recht und die Gelegenheit haben soll, an der Führung der
öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken. (Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und
politische Rechte, IPBPR) Es besteht ein allgemeiner Mangel an Bewusstsein darüber, welche negativen
Effekte die bestehenden bi- und multilateralen Freihandelsabkommen schon jetzt auf die ungestörte
Ausübung der Menschenrechte – darunter das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung und das
Recht, in einer sicheren, sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt zu leben – haben.“1
TTIP und der Kulturbegriff
In den USA ist Film ein Industriegut, eine reine Marktware. In Europa statt dessen ist Film ein
Kulturgut. Er wird, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch, staatlich gefördert. Europa leistet sich
Kultur – auch wenn sie im marktwirtschaftlichen Sinne nicht rentabel ist.
„TTIP legt fest, dass jeder auf dem Markt die gleichen Voraussetzungen haben muss. Wenn ich als
privater Unternehmer ein Theater in Augsburg eröffnen möchte, ständen mir dieselben Subventionen zu
wie dem bereits bestehenden. Wenn mir die Stadt die Fördergelder verweigert, könnte ich sie vor einem
privaten Schiedsgericht wegen des Wettbewerbsnachteils auf Schadenersatz verklagen. Städte, Länder
und Bund würden sich daher genau überlegen, wann sie überhaupt noch Fördergelder zahlen – von
denen übrigens auch die Filmbranche lebt.“2
Das Freihandelsabkommen basiert auf einer marktradikalen Wirtschaftsauffassung, der Staat hat dabei
lediglich die Entfaltung der freien Kräfte des Marktes zu garantieren. Rechtsstaatliche
Ordnungsvorstellungen wie der Erhalt von Kultureinrichtungen durch Kulturförderung oder
Begrenzungen der Konzerngewinne durch Umweltauflagen werden als Investitionshindernisse
klassifiziert und sollen mittels Schiedsgerichten folgerichtig ausgeschaltet werden. Besänftigend wird
von der Politik immer wieder darauf verwiesen, daß der kulturelle Bereich speziell die audiovisuellen
Bereich ausgeklammert werden, fokussiert lediglich auf den Ist-Zustand und klammert die Festlegungen
künftiger Entwicklungen aus.
„Die politische Staatskunst und Demokratie, die Menschenrechte, die Sozialmodelle und die
wirtschaftlichen Fähigkeiten und Orientierungen sind aus der Kultur hervorgegangen. Des-halb ist nicht
die Kultur für die Wirtschaft da – als gewinnbringendes Vermarktungsobjekt – sondern die Wirtschaft
hat die materiellen Grundlagen dienend beizusteuern, damit sich die unabhängigen Menschen kulturell
frei entfalten und betätigen können.“3
Schon allein die Prozesse, die zu Freihandelsverträgen führen, decken den Verlust an Freiheit für die
schwächeren Verhandlungspartner schonungslos auf. Über Freihandelsabkommen lassen sich auch
neue Märke für Grossinvestoren erschliessen. Es geht um die Liberalisierung – vor allem im Bereich der
öffentlichen Aufgaben. Durch die Privatisierung der (öffentlichen) Dienstleistungen soll die
Grundversorgung der Bevölkerung kommerzialisiert werden (Verkehr, Verwaltung, Schule, Gesundheit,
Sicherheit, Energie- und Wasserversorgung usw.). Das bedeutet: Der Staat tritt seine Aufgaben an
private Unternehmen ab – und zwar infolge der Marktöffnung vor allem an transnationale Grosskonzerne.
Die administrativen Handelshemmnisse stehen vielfach in einem direkten Zusammenhang mit der
Produktesicherheit, dem Konsumentenschutz, der Gesundheitspolitik sowie dem Schutz von Tieren und
Pflanzen im eigenen Land. Sie sind Teil eines umfassenden Präventionskonzeptes.
Mit den gängigen Freihandelsabkommen verlieren die Vertragsländer ihre Freiheit, die im nationalen
Interesse als notwendig erkannten Schutzmassnahmen in Kraft zu setzen. Es liegt in der Natur von
1 http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Page/DisplayNews.aspx?NewsID=15883&LangID=E
2 Freihandelsabkommen TTIP gefährdet deutsche Kultur, http://www.augsburgerallgemeine.
de/wirtschaft/Freihandelsabkommen-TTIP-gefaehrdet-deutsche-Kultur-id30468587.html, 06. Juli 2014
3 Ausverkauf von Kultur und Bildung in Europa durch TTIP? Wilhelm Neurohr, http://wilhelmneurohr.
de/publikationen/themen/finanzmarktkrise-und-alternative-wirtschaftspolitik/ausverkauf-von-kultur-undbildung-
in-europa-durch-ttip/ „Es besteht Gefahr für die kulturelle Vielfalt und Qualität, nicht zuletzt auch bei Fernsehen
und Filmindustrie oder beim subventionierten öffentlichen Rundfunk. (Der europäische Film könnte z. B. von
den millionenschweren Hoollywood-Filmkonzernen einfach überrollt werden). Statt Qualität, Niveau und Vielfalt
würde der Fokus zukünftig auf Quoten und Verkaufszahlen liegen.“
Freihandelsverträgen, die Freiheit der betroffenen Vertragspartner zu verletzen. Der Nutzen eines
Freihandelsabkommens für ein unabhängiges Land hängt daher weniger vom materiellen Wert des
freien Güteraustausches, sondern viel mehr vom zugestandenen Souveränitätsverlust und den damit
verbundenen Folgen (materiellen und immateriellen) für das Staatswesen und die Bevölkerung ab. In
Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen ist ein schleichender Transfer von nationalstaatlichen
Hoheitsrechten hin zu den marktmächtigen Finanz- und Wirtschaftsoligarchen zu beobachten.
Mit Recht haben immerhin Kunst und Kultur gegen das TTIP protestiert. Würde es doch die nationale
öffentliche Kulturförderung als „unerlaubte Wettbewerbsverzerrung“ angreifbar machen. Was würde
hier geschehen, wenn die Orchester, Theater, Museen oder sonstigen Kultureinrichtungen nicht mehr
öffentlich gefördert werden dürften?
Europa ist aber nicht mehr amerikanischer Satellit. Wir dürfen nicht alles, was Generationen an Kultur,
an Gesundheitsstandards, genfreier landwirtschaftlicher Vielfalt, Chemiefreiheit und Umweltstandards
geschaffen haben, von kapitalistischen Funktionären in Geheimverhandlungen an die US-Monopolisten
verkaufen lassen! Wer das Licht der Öffentlichkeit scheut, hat etwas zu verbergen!
· Siehe auch: https://youtu.be/Zbif8I6shLA
Kulturzeit (3sat): TTIP gefährdet den “Rohstoff Kultur”
http://www.theguardian.com/global/2015/may/04/ttip-united-nations-human-right-secret-courtsmultinationalsAusgestrahlt
am 27.06.2014 auf 3sat
Kritik an TTIP:Das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) sorgt auch unter
Kulturschaffenden weiter für Unmut. Kulturzeit hat mit Klaus Staeck, Präsident der Akademie der
Künste in Berlin, gesprochen.
· Das transnationale Freihandelsabkommen TTIP zur Investitions- und Handelspartnerschaft
zwischen EU und USA
Wilhelm Neurohr: Kommunale Auswirkungen von TTIP
http://www.kritisches-netzwerk.de/sites/default/files/TTIP%20Freihandelsabkommen%20-
%20Kommunale%20Auswirkungen%20von%20TTIP%20-%20Wilhelm%20Neurohr_0.pdf
· ders.: Ausverkauf von Kultur und Bildung in Europa durch TTIP?
Handels- und Bildungspolitik als Konfliktfelder in der Auseinandersetzung um die Zukunft
Europas.“ (Mai 2014, Veröffentlicht über zahlreiche Internet-Foren und Blogs)
http://www.wilhelm-neurohr.de/publikationen/themen/freihandelsabkommen-und-fairerhandel/
ausverkauf-von-kultur-und-bildung-in-europa-durch-ttip/
· Die multinationalen Konzerne wollen mit TTIP erneut die nationale Demokratie aushebeln
von Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Hannover
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1881
http://www.swg-hamburg.de/Beitrage_aus_der_Rubrik_-_Poli/Die_multinationalen_Konzerne.pdf
· UN calls for suspension of TTIP talks over fears of human rights abuses
http://www.theguardian.com/global/2015/may/04/ttip-united-nations-human-right-secret-courtsmultinationals
· TPP, TTIP und TISA sind «politische Verträge, die unser demokratisches System abschaffen
sollen» Interview mit Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=2184